Es gehe ihm immer besser, "aber der Weg ist noch lang", hatte Nawalny am Samstag auf Instagram erklärt. Dazu wurde ein Foto gepostet, das zeigt, wie er eine Stiege hinuntergeht.

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Moskau – Knapp einen Monat nach seiner Einlieferung in die Berliner Charité-Klinik ist der vergiftete russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny aus der stationären Behandlung entlassen worden. Der Gesundheitszustand des 44-Jährigen habe sich bis zu seiner Entlassung am Dienstag "so weit gebessert, dass die akutmedizinische Behandlung beendet werden konnte", teilte das Universitätskrankenhaus am Mittwoch mit.

Am Mittwoch hatte Nawalny ein Foto von sich veröffentlicht. Auf seiner Instagram-Seite zeigt sich der 44-Jährige auf einer Bank in einer Grünanlage mit ernster Miene sitzend. Er werde jetzt täglich zur Physiotherapie gehen und womöglich ein Rehabilitationszentrum aufsuchen, schrieb Nawalny zu dem Foto.

Er erlerne wieder Gleichgewicht zu bekommen, indem er auf einem Bein stehe. Seine linke Hand sei noch teilweise gelähmt. Die Charité hatte zuvor mitgeteilt, dass Nawalny so weit genesen sei, dass er habe entlassen werden können. Nawalny dankte der Klinik für die Behandlung.

Kreml "erfreut" über Nawalnys Genesung

Auch der Kreml äußerte sich inzwischen zu Nawalnys Entlassung. Der russische Oppositionspolitiker könne wie jeder andere Russe in sein Heimatland zurückkehren. Man sei erfreut, dass die Genesung des 44-Jährigen voranschreite, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau. Jetzt werde man sehen, ob Nawalny nach seiner Rückkehr mit russischen Sicherheitsbehörden sprechen und Informationen über seinen Fall teilen wolle.

Das Umfeld von Präsident Wladimir Putin habe jedenfalls keinen Zugang zu den verbotenen chemischen Kampfstoffen der Nowitschok-Gruppe. Mit einem der Stoffe wurde Nawalny nach Angaben der deutschen Regierung vergiftet.

Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zunächst wurde Nawalny nach einer Notlandung in einem Krankenhaus in Omsk behandelt, zwei Tage später wurde er auf Drängen seiner Familie und seiner Unterstützer zur Behandlung in die Berliner Klinik Charite gebracht.

Streit um Beweisstücke

Russland weist bisher alle Vorwürfe zurück, dass auf Nawalny ein Anschlag mit dem Gift verübt worden sein soll, und hat Schwierigkeiten bei den Untersuchungen beklagt. Die Mitarbeiter Nawalnys hätten viele Beweise beiseitegeschafft, was die Überprüfungen erschwere, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Nawalny wiederum hatte den russischen Ermittlern vorgeworfen, sie hätten seine Kleidung als "entscheidendes Beweisstück" beseitigt. Nawalny vermutet, dass daran Spuren des Nervengifts haften geblieben sind.

Zur Forderung Nawalnys, ihm seine im Krankenhaus in Omsk entfernte Kleidung zurückzugeben, sagte Peskow: "Bei aller Wertschätzung für den Patienten, wir beschäftigen uns nicht mit Kleidung. Das ist nicht unser Profil." Die Mitarbeiter Nawalnys hätten hingegen eine große Menge an Beweisen weggeschafft, meinte Peskow. "Wir wissen nicht, was sie noch mitgenommen haben, aber wissen eindeutig, dass sie etwas Wichtiges mitgenommen haben", sagte Peskow, ohne Einzelheiten zu nennen.

Russischen Rechtshilfegesuch

Bei der französischen Regierung ist ein Rechtshilfegesuch der russischen Behörden zum Fall Nawalny eingegangen. Das Gesuch werde geprüft, teilte das Außenministerium in Paris am Dienstag mit. Die Priorität der französischen Regierung liege aber darauf, dass Moskau "die Umstände und Verantwortlichkeiten hinter dem Mordversuch" an Nawalny aufkläre, der auf russischem Territorium verübt worden sei, betonte ein Ministeriumssprecher.

Labors in Frankreich wie auch in Schweden hatten den Befund eines Speziallabors der deutschen Bundeswehr bestätigt, wonach der prominente Kritiker des russischen Staatschefs Wladimir Putin "zweifellos" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Die Substanz war in der früheren Sowjetunion entwickelt worden. Moskau weist den Verdacht vehement zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen von Russland erneut Aufklärung im Fall Nawalny gefordert. Alles müsse ans Licht gebracht werden, sagte Macron am Dienstag in einer Videobotschaft, die auf der UN-Vollversammlung übertragen wurde. "Dieser Klärungsprozess muss schnell und ohne Mängel passieren." (red, APA, 23.9.2020)