"Ganz klar, es wird einen Erdrutschsieg geben." Fragt man Bill Kozlovich, wie die Präsidentschaftswahl in Pennsylvania ausgeht, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Natürlich, sagt der ehemalige Grubenarbeiter, ohne dass seine Stimme auch nur den geringsten Zweifel verrät, wird Donald Trump das Rennen machen. Die Meinungsforscher sehen allerdings Joe Biden vorn, in Pennsylvania aktuell mit vier bis fünf Prozentpunkten. Spricht man Kozlovich darauf an, winkt er nur müde ab. Er schwört auf Trump und glaubt, dass es eine schweigende Mehrheit im Keystone State ähnlich sieht. "Endlich mal einer, der Klartext redet, ob es dir nun gefällt oder nicht. Endlich mal kein Politiker."

Bill Kozlovich (links) in einer Schlange von Menschen, die darauf warten, dass Donald Trump in einem Flugzeughangar in Latrobe redet.
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Der Amtsinhaber sitzt seit gut dreieinhalb Jahren im Weißen Haus, für Kozlovich aber ist er noch immer der Außenseiter. Der Rebell, der die politische Elite herausfordert, eine Elite, die Leute wie ihn schlicht vergessen habe. Deshalb steht der Mann mit dem schütteren grauen Haar an einem wolkenverhangenen Septembertag vor einem Flugzeughangar in der Kleinstadt Latrobe und wartet darauf, dass sich die Tore öffnen. Der Präsident wird am Abend in der Halle reden, und etliche seiner Fans machen daraus eine ganztägige Pilgerfahrt, eine Besichtigung des Trump-Hauses eingeschlossen.

Schrein zu Ehren Trumps

Leslie Baum Rossi, eine Unternehmerin, die heruntergekommene Immobilien aufkauft, um sie zu renovieren und zu vermieten, hat es in den Farben des Sternenbanners anstreichen lassen. Mieter wohnen hier keine, das zweistöckige Gebäude am Ortsrand dient als Museum, als eine Art Schrein zu Ehren Trumps, dessen Name in Riesenlettern auf einem Brett im Vorgarten steht. Wer eintrete, müsse damit rechnen, auf amerikanische Flaggen, bewaffnete Bürger, das Gebet des Herrn und Countrymusik zu stoßen, ist an einer Tür zu lesen.

Das Trump-Haus am Rande der Kleinstadt Latrobe.
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Latrobe liegt knapp eine Autostunde östlich von Pittsburgh, der Metropole im Westen Pennsylvanias, die einst Steel City hieß und heute Roboburgh genannt wird, nach den Robotern, die dort gebaut werden. Während sich Pittsburgh zum Hightech-Standort entwickelt hat, mit künstlicher Intelligenz als dem Aushängeschild, ist es in den Tälern ringsum deutlich schwieriger mit dem Strukturwandel. Ob Latrobe, Connellsville oder Uniontown: Manche Gemeinden sehen aus, als habe sich seit einem halben Jahrhundert nichts verändert. Man möge ihn in Uniontown besuchen, schlägt Kozlovich vor, dann verstehe man ihn vielleicht besser.

Wenn man auf dem Highway 119 Richtung Südwesten fährt und die Silhouette von Uniontown zwischen den Bäumen auftaucht, geht der Blick auf einen Ort, dem man früheren Wohlstand noch immer ansieht. Im Tal des Redstone Creek glänzen rings um ein imposantes Rathaus goldene Kuppeln. In Uniontown, behaupten Lokalmatadoren, gab es in der Blütezeit von Kohle und Stahl mehr Millionäre als in jeder anderen amerikanischen Stadt, pro Kopf der Bevölkerung, versteht sich. Nähert man sich den Villen mit den prächtigen Kuppeln, stellt man fest, dass einige Fenster mit Sperrholzplatten verrammelt sind. Aus der Nähe betrachtet, ist Uniontown Tristesse pur.

Sieg in drei Rust-Belt-Staaten

Trump sitzt heute im Weißen Haus, weil er am 8. November 2016 in drei Rust-Belt-Staaten gewann, die lange fest in der Hand der Demokraten gewesen waren. Indem er Hillary Clinton in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin besiegte, entschied er das Votum für sich. In Fayette County, dem Landkreis, in dem Uniontown liegt, holte er damals 64 Prozent der Stimmen. Kozlovich glaubt fest daran, dass er den Coup am 3. November 2020 wiederholt, nur noch triumphaler. Die Pandemie ist in seinen Augen nur eine Delle, die nichts daran ändere, dass man mit Trump auf dem richtigen Weg sei.

Zwanzig Jahre hat er in einem Bergwerk gearbeitet, Steinkohle, anschließend elf in einer Kokerei. Wie selbstverständlich hat er sich mit den Demokraten identifiziert, weil die in Fayette County wie selbstverständlich den Ton angaben. Die Republikaner waren "rich man’s party", "wer Republikaner war, hat sich allenfalls flüsternd dazu bekannt", erinnert sich Kozlovich. Vor sieben, acht Jahren, erzählt er, habe er dennoch die Seiten gewechselt.

Bill Kozlovich, einst Bergarbeiter und wie selbstverständlich Demokrat, leitet heute den Ortsverein der Republikaner in Uniontown. Hier ist er mit seiner Frau Linda im Parteibüro.

Den Ausschlag gab Obamacare, die Gesundheitsreform des Präsidenten Barack Obama, der er für sich persönlich nichts Gutes abgewinnen konnte. Die Tarife, die er bei Blue Cross & Blue Shield für seine Krankenversicherung zu zahlen hatte, stiegen rasant, mal um 27, mal um 24 Prozent pro Jahr. Spricht er darüber, steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht. Während Menschen, die nie in den Topf eingezahlt hatten, auf einmal versichert waren, die Geringverdiener unter ihnen kräftig vom Staat subventioniert, mussten Leute wie er die Zeche zahlen – so sieht es Kozlovich. "Das ist Sozialismus", schimpft er. "Hart arbeiten, damit andere die Früchte ernten, das funktioniert nicht, nicht in Amerika." Jedenfalls nahm er den Demokraten übel, dass sie ihn mit seinen Sorgen allein ließen. Heute leitet er den Ortsverein der Republikaner in Uniontown.

Republikaner als Partei der Arbeiter

Trump, zieht Kozlovich Bilanz, habe aus den Republikanern eine Partei der Arbeiter gemacht, gegen den Widerstand des konservativen Establishments. Auf jeden registrierten Demokraten in Fayette County komme inzwischen ein eingetragener Republikaner, zumindest fast. Bevor der Tycoon aus New York fürs Oval Office kandidierte, habe das Verhältnis noch bei auch zu eins gelegen. Doch so laut Kozlovich über Obamas angeblich sozialistische Gesundheitsreform klagt, so energisch fordert er eine aktivere Rolle des Staates im Wirtschaftsleben. "Wäre ich Trump", sagt er, "würde ich Stahlwerke in den USA bauen, sechs, acht, zehn große Werke". Der Fiskus müsste sie finanzieren, die Regierung die Standorte bestimmen. Planwirtschaft? "Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wenn dabei herauskommt, dass wir den Rest der Welt wieder mit Stahl beliefern, soll es mir recht sein."

Ein Kino im Zentrum von Uniontown lässt noch etwas vom alten Glanz der Stadt spüren.
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Fragt man Robert Schiffbauer, was sich seit 2016 in Fayette County getan habe, fällt die Antwort ernüchternd aus. Hier und da habe eine Handelskette eine neue Filiale eröffnet. Aber die Industriearbeitsplätze, die man so dringend brauche? Fehlanzeige! Wann immer er um die Gunst von Investoren buhle, müsse er seine Hoffnungen bald begraben. Irgendwann frage jeder, wie es um das Bildungsniveau der Region bestellt sei. "Nun ja, wir sind das Schlusslicht in Pennsylvania", räumt Schiffbauer ohne Umschweife ein. "Und sobald das klar ist, ist das Interesse der Investoren auch schon erloschen."

Herausforderung Chinas

Schiffbauer empfängt in einem Büro, dessen Wände förmlich tapeziert sind mit großformatigen Familienfotos. Seit 41 Jahren sitzt er hier, so lange ist er schon Township Supervisor, de facto der Bürgermeister von South Union Township, einer Elftausend-Einwohner-Gemeinde am Rande von Uniontown. Hinter seinem Schreibtisch hängt eine Flagge der Marine-Infanterie, mit der er in den Krieg in Vietnam zog. Mit dem Land, in das er als blutjunger Soldat beordert wurde, hat er seinen Frieden gemacht. Verheiratet ist er in zweiter Ehe mit einer Vietnamesin, die vom Alter her seine Tochter sein könnte. Was ihn umtreibt, ist der Aufstieg Chinas. "Es grenzt an Hochverrat", poltert er, "dass seit Richard Nixon ein amerikanischer Präsident nach dem anderen China gestattete, das zu werden, was es heute ist, während bei uns die Fabriken verschwanden." Trump sei der erste, der Peking herausfordere. Allein schon das spreche für ihn.

Robert Schiffbauer, Chef der Verwaltung von South Union Township, an seinem Schreibtisch.
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In South Union Township wurde Schiffbauer sechsmal wiedergewählt, stets als Kandidat der Partei mit dem Esel im Wappen. "Demokrat bin ich immer noch, nur eben ein Trump-Demokrat", betont er. Wie sich die Begeisterung für den Mann mit der Stagnation in Fayette County verträgt? Mit seiner eigenen, überaus nüchternen Bestandsaufnahme? "Nicht mal Gott könnte so schnell die Wende schaffen", kommt als Antwort. Trump brauche Zeit, aber wenigstens stimme die Richtung wieder. Seine Art, fast täglich jemanden zu beleidigen, räumt Schiffbauer ein, gehe ihm manchmal schon arg auf die Nerven. Doch was für ihn zähle, sei letztlich dies: "Hier ist ein Bursche, der nicht zu der Gruppe von Leuten gehört, die unsere Region den Bach heruntergehen ließ." (Frank Herrmann aus Uniontown, 23.9.2020)