In Vorarlberg, Tirol und Salzburg müssen Gastronomiebetriebe ab Freitag um 22 Uhr zusperren.

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Die Westachse macht einen von der Regierung befürworteten Alleingang. Ab Freitag soll die Sperrstunde in der Gastronomie in Salzburg, Tirol und Vorarlberg auf 22 Uhr vorverlegt werden. Grund dafür ist die Angst, der Westen könnte von Deutschland mit einer Reisewarnung belegt werden. Die Maßnahme, die vorerst für drei Wochen gelten soll, sorgt bei vielen Wirten für Kopfschütteln.

So etwa beim Tiroler Gastronomen Jakob Larch, der im Bergdorf Alpbach den Gasthof Jakober betreibt. "Es ist für mich nicht nachvollziehbar", sagt er zu den neuen Regelungen. Erst habe er seinen Betrieb um 1 Uhr nachts zusperren müssen, dann hieß es Mitternacht, und nun ist bereits um 22 Uhr Schluss. Zwar würden die Wandergäste, die das Bergdorf derzeit bewirtet, selten länger im Gastrobereich verweilen, für die Einheimischen sei die frühe Sperrstunde aber "gar nicht nett", sagt Larch. Er befürchtet, dass sie wieder auf private Partys ausweichen werden, wenn die wenigen Lokale im Ort früh zusperren. "Es ist g'hupft wie gesprungen", sagt der Gastronom. Er ist zudem verärgert, dass die Spielregeln immer wieder "von heute auf morgen" verändert werden.

"Schlag ins Gesicht"

Von einem "Schlag ins Gesicht" der Unternehmer sprach Sepp Schellhorn auf Twitter. Der Neos-Abgeordnete, der selbst auch Gastronom in Salzburg ist, ortet in der Vorverlegung der Sperrstunde in den westlichen Bundesländern ein reines Wahlkampfmanöver. Es gehe darum, Wien unter Druck zu setzen, mutmaßt er. Und zwar auf dem Rücken der Unternehmer im Westen. Je kleiner und lauter ein Gastrobetrieb, desto größer das Infektionsrisiko, so Schellhorn. Wann ein Restaurant am Abend zusperrt, sei für das Infektionsrisiko aber völlig irrelevant.

Auch in Vorarlberg sorgt die Verordnung für Unverständnis. "Ich verstehe das Argument einfach nicht", sagt Gabriel Venturiello, der ein Restaurant in Dornbirn betreibt. Er ist sich sicher, dass sich Zusammentreffen aufgrund der frühen Sperrstunde in private Innenräume verlagern werden, wo nicht kontrolliert werden kann. Im Gegensatz dazu könnten Behörden die Lage in Wirtshäusern sehr wohl überwachen: "Natürlich gibt es einige schwarze Schafe, aber die meisten lassen sich gerne kontrollieren."

Venturiello, der seit 16 Jahren in der Gastronomie tätig ist, ärgert sich, dass verschiedene Wirtschaftstreibende gegeneinander ausgespielt werden: Um den Skitourismus zu retten, müssten jetzt Gastronomen draufzahlen. "Sie lassen uns langsam ausbluten", sagt der Wirt. Vor allem Bars würden stark unter der frühen Sperrstunde leiden – immerhin blieben die Fixkosten die gleichen, der Umsatz breche aber ein. Nachdem er und einige Kollegen Protestaktionen angekündigt hatten, wurde in Vorarlberg ein runder Tisch einberufen. Am Donnerstag treffen sich Vertreter von Politik und Wirtschaftskammer mit mehreren Gastronomen.

Branchenkenner erzählen, dass sich Tourismus und Gastronomie durchaus genaue – und falls nötig auch harte – Vorschriften für die Wintersaison wünschen würden. Man befürchte, dass zu laxe Vorschriften dazu führen könnten, dass einzelne Betriebe dem Image ganzer Destinationen schaden werden, falls es zu Clustern kommt. Man wolle auf keinen Fall ein zweites Ischgl riskieren, heißt es, wo die Sorglosigkeit Einzelner das Geschäft aller beschädigte.

Ähnliche Rahmenbedingungen im Westen

Die Initiative sei der Entwicklung der Infektionszahlen geschuldet, heißt es aus dem Büro des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer (ÖVP). Die westlichen Bundesländer hätten ähnliche Rahmenbedingungen: eine geografische Nähe und Verbundenheit mit Deutschland und den Wintertourismus. Der Tiroler Landeshauptmann, Günther Platter (ÖVP) ist froh, dass die Westachse im Gleichklang vorgeht und diese Regelung gemeinsam treffen wird.

"Salzburg ist nicht nur vom Wintertourismus stark abhängig, sondern das tägliche Leben in der Region ist mit den bayerischen Nachbarn so verwoben, dass eine Reisewarnung für Salzburg verheerende Auswirkungen hätte", heißt es aus Haslauers Büro. "Uns ist es lieber, jetzt drei Stunden der Öffnungszeiten zu reduzieren, als eine gesamte Branche und das gesellschaftliche Leben einzuschränken."

Feiern ohne Hemmungen

Erst vergangenes Wochenende ist an der Salzburger Lokalmeile Rudolfskai gefeiert worden, als gäbe es keine Corona-Pandemie. Menschenansammlungen auch vor den Lokalen, ohne Abstand und Mundschutz. Die Zustände seien in dieser Situation untragbar, heißt es aus dem Büro des Landeshauptmanns. Vom ausschweifenden Nachtleben in Stehlokalen und Bars seien vermehrt Infektionsherde ausgegangen, und die Verbreitung habe überhandgenommen. "Kurzsichtige Leichtsinnigkeit bringt damit nicht nur eine ganze Branche unter Druck, sondern bedroht unser ganzes Land mit Reisewarnungen und einem zweiten Lockdown", sagt Haslauer.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) verteidigt die Vorverlegung der Sperrstunde: "Wir müssen jetzt Maßnahmen setzen, damit der Wintertourismus nicht gefährdet wird." Sie kontert die Kritik aus der Gastronomie: Die frühere Sperrstunde sei notwendig, weil man sonst breitere Bereiche der Wirtschaft riskiere.

Brauereien schlagen Alarm

Die Brauereien haben am Mittwoch unterdessen Alarm geschlagen: Das wichtige Geschäft mit Wirten, Hotels und Veranstaltungen bricht weiter ein. Seit am Montag die Corona-Maßnahmen wieder verschärft wurden, sind die Vorhersagen für die nächsten Monate für die Branche trist. "Wir blicken einem äußerst kritischen Herbst sowie Winter entgegen und erwarten Umsatzrückgänge von bis zu 50 Prozent", erklärte Brauereiverbandschef Sigi Menz am Mittwoch.

"Nicht nur eine mögliche zweite Corona-Welle bereitet uns Sorgen. Auch eine große Schließ-Welle von Gastronomiebetrieben, Hotels und weiteren Dienstleistern, die nun endgültig nicht mehr über die Runden kommen", fürchtet Menz.

Vom Staat wollen die Brauereien – neben der bereits angekündigten Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie – Unterstützung: Die Brauer fordern lauter denn je eine Senkung der Biersteuer. (ruep, lauf, luis, APA, 23.9.2020)