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In Grönland wurde die neue Tiefsttemperatur der Nordhalbkugel gemessen.
Foto: AP/Brennan Linsley

Genf/Nuuk – Der vergangene südliche und nördliche Sommer machte gleich mehrmals mit Extremtemperaturen von sich reden. Anfang Februar wurde mit 18,3 Grad Celsius bei der Forschungsstation Esperanza der wärmste Tag auf dem antarktischen Festland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen registriert. Doch kaum eine Woche später war diese Höchstmarke auch schon wieder Geschichte: Am 9. Februar wurde nahe der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel eine Temperatur von 20,75 Grad gemessen. Auch in der Arktis verzeichnete man heuer "extrem anomales Wetter". Im Norden Russlands, unter anderem in der sibirischen Teilrepublik Jakutien, kam es zu regelrechten Hitzewellen mit Temperaturen von bis zu 38 Grad Celsius.

Tiefstwerte liegen länger zurück

Rekorde auf der anderen Seite der Null-Grad-Grenze dagegen sind mittlerweile selten. In der Antarktis liegt die Tiefstmarke bei minus 98,6 Grad Celius; gemessen wurde sie am 24. Juli 2004 in Senken des antarktischen Plateaus. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erkennt diesen Kälterekord allerdings offiziell nicht an, weil er direkt auf dem Eis gemessen wurde. Laut WMO liegt dieser Rekord seit dem 21. Juli 1983 bei 89,2 Grad Celsius und wurde ebenfalls in der Antarktis registriert.

Noch viel weiter zurück lag bisher die Messung der tiefsten Temperatur auf der Nordhalbkugel: Im Februar 1892 wurde im russischen Werchojansk in Nordostsibirien eine Winterkälte von minus 67,8 Grad registriert. Im Jänner 1933 maß man dieselbe Temperatur in Oimjakon, ebenfalls im sibirischen Jakutien.

Den Titel "Kältester Ort der nördlichen Hemisphäre" muss Jakutien nun jedoch abgeben, wie die WMO am Mittwoch in Genf berichtete: Eine vollautomatische Wetterstation registrierte am 22. Dezember 1991 in Grönland minus 69,6 Grad. "Klima-Detektive" hätten die Messung entdeckt und umfassend geprüft. Die Forscher seien überzeugt, dass akkurat gemessen wurde, wie sie im "Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society" schreiben.

Verifizierung als Detektivarbeit

Die WMO habe die Temperatur deshalb für ihre Rekordbücher akzeptiert. Auf Grönland unterhielt die US-Universität Wisconsin-Madison 1991 eine Messstation in Klinck, auf einer Höhe von 3.105 Metern, wie die WMO berichtete. Die Station wurde nach zwei Jahren abgebaut und kam später in der Antarktis zum Einsatz.

Damals erfasste die WMO noch keine Wetter- und Klimaextreme. Das tut sie erst seit 2007. Polarwissenschafter hätten für die Verifizierung der Messung Kolleginnen und Kollegen aufgespürt, die seinerzeit an dem Projekt in Grönland beteiligt waren – und sich so versichern können, dass höchste wissenschaftliche Standards eingehalten wurden. (red, APA, 23.9.2020)