Das Oktopusleben kennt ganz andere Herausforderungen als unser Menschendasein.

Screenshot: Netflix

Die Midlifecrisis ist so ein Hundling. Egal, welch spektakuläre Dokus Craig Foster in der Vergangenheit auch gefilmt haben mag, irgendwann fühlte sich seine ganze Karriere belanglos an. Er könne in seinem Zustand seinem Sohn kein guter Vater sein, sagt der Filmemacher am Anfang von Mein Lehrer, der Krake. Und der Zuseher fürchtet ein bisschen, dass jetzt noch eine tränenreiche Scheidung kommt, bevor der Film endlich das wird, was er mit Titel und Trailer verspricht: ein Dokumentarfilm über Tintenfische. Oder besser gesagt über einen Tintenfisch.

Ein bisschen ironisch ist es dann schon, dass Foster just in der Zeit, in der er partout vom Filmen nichts wissen will und stattdessen Tag für Tag ins Wasser springt, einen berührenden Film über ein Oktopusweibchen im Algenwald vor Südafrikas Küste dreht. Die Doku begleitet den Kraken bei seinen ganz alltäglichen Erledigungen: Essen, Schlafen, Vor-Haien-Wegschwimmen, Seesterne-aus-der-eigenen-Felsspalte-Schmeißen, Sich-als-Stein-Tarnen.

Trailer zu "Mein Lehrer, der Krake".
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Ja, das Oktopusleben kennt ganz andere Herausforderungen als unser Menschendasein. Aber Fosters fast kindliche Begeisterung für diese so unwahrscheinlich intelligente Molluske ist so ansteckend, dass das Tier immer mehr zur Person wird. Die Distanz zu diesem sehr antisozialen Geschöpf geht immer mehr verloren. Und Fosters Interpretationen des oktopodischen Verhaltens werden immer anthropomorpher, immer psychologischer. Spielt das Krakenweibchen da etwa? Welche Emotionen fühlt es? Man kommt dem Achtfüßer so nahe, dass – so viel sei verraten – zuletzt womöglich dicke Tränen fließen. (Aloysius Widmann, 23.9.2020)