Wegweisungen, die meistens auf internationale Kooperation zielen: Androsch

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Hannes Androsch, "Was jetzt zu tun ist". € 22,– / 144 Seiten. Brandstätter-Verlag, Wien 2020

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Hannes Androsch sieht sich gerne in der Rolle eines "Elder Statesman" – eines Politikers, der aus großer Erfahrung aus der und großem Abstand zu der Tagespolitik erklären kann, was im Lande gut und was weniger gut läuft. Anlässlich der Corona-Krise versucht er nun, Ratschläge zu geben – und wiederholt doch meist nur, was er schon oft gesagt und geschrieben hat: "Die Schulen sind so rasch wie möglich für das digitale Zeitalter auszurüsten: Smartboards, Tablets bzw. Laptops, Serverkapazitäten, Internetanschluss zu Hause, Schüler-E-Mail-Adresse etc."

Hannes Androsch, "Was jetzt zu tun ist". € 22,– / 144 Seiten. Brandstätter-Verlag, Wien 2020.
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Das immerhin wäre nationalstaatlich zu lösen – und passiert ja auch, allerdings viel zu langsam, wie Androsch nicht müde wird der Regierung, insbesondere der ÖVP, vorzuwerfen. Das ist von ihm als ehemaliger Zukunftshoffnung der SPÖ erwartbar.

Scharfer Blick auf die SPÖ

Spannender wird es, wenn er sich seine eigene Partei vornimmt: "Am sträflichsten vernachlässigt wurde das Bildungsideal, das die Sozialdemokratie in ihren Anfängen so stark prägte. Es muss ins digitale Zeitalter transformiert werden", empfiehlt er im Kapitel "Sozialdemokratie, bitte aufwachen!". Offenbar sieht der langjährige Finanzminister (1970–1980) in einer Rückbesinnung auf alte sozialdemokratische Themen das Heil seiner Bewegung: "Diese Grundbedürfnisse haben sich im Lauf der letzten Jahrzehnte nicht dramatisch verändert: Beschäftigung, leistbares Wohnen, Bildung, Gesundheits- und Altersversorgung sowie Sicherheit, zu der nicht nur physische, sondern auch soziale Sicherheit gehört."

Und er erinnert an die Jahre des Aufstiegs von Bruno Kreisky, als sich die SPÖ vor allem der Wirtschaft angenommen hat: "Die Triade Leistung – Aufstieg – Sicherheit erweist sich im Nachhinein geradezu als prophetisch. Denn auch die Wörter ‚Leistung‘ und ‚Aufstieg‘ sollten wieder in den Mund genommen werden dürfen, ohne dass man reflexartig des Neoliberalismus bezichtigt wird."

Nachwuchsarbeit vernachlässigt

Den größten Vorwurf an die SPÖ und deren Vorsitzende der vergangenen 34 Jahre packt er aber in die Sätze: "Seit Alfred Sinowatz, der 1986 seine Kanzlerschaft beendete, hat die SPÖ die Nachwuchsarbeit völlig vernachlässigt. Und daher fehlt es an Führungsfiguren." Überhaupt ist Androschs Text dort am stärksten, wo er analysiert und seine Überlegungen mit Fakten belegt.

Dabei nimmt er in Kauf, dass er viele Leser vor den Kopf stößt, indem er es als Fehler bezeichnet, dass das AKW Zwentendorf nie in Betrieb gegangen und das Donaukraftwerk Hainburg nicht gebaut worden ist. Erneuerbare Energien könnten gegen den Klimawandel nur einen beschränkten Beitrag leisten, Androsch empfiehlt daher "Technologien zur CO2-Bindung und -Lagerung zu forcieren", ohne auszuführen, wie das gehen soll.

Nur internationale Lösungen

Immerhin spricht er sich klar für die Bindung der Pendlerpauschale an die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und eine Verteuerung der fossilen Energie aus. Aber viele Maßnahmen, nicht nur im Klimaschutz, sondern auch bei der Migrationssteuerung, der Budget- und Währungspolitik oder gar in der Ordnung der Beziehungen zu China, funktionierten wohl nur im europäischen Kontext – und da wird Androschs Stimme wenig Gewicht haben. Man spürt, dass ihm das leidtut; ebenso wie es ihm leidtut, dass Österreich von Sebastian Kurz und nicht von einer Persönlichkeit wie der von ihm hochgelobten Angela Merkel geführt wird. Oder zumindest von jemandem wie Bruno Kreisky.

Oder wie Hannes Androsch. (Conrad Seidl, 24.9.2020)