Ein Porträt Yassir Arafats in der palästinensischen Flüchtlingsstadt Ain al-Hilweh im Libanon: Hamas-Führer Ismail Haniyeh wurde dort Anfang September begeistert willkommen geheißen.

Foto: AFP / Mahmoud Zayyat

Palästina, als Staat anerkanntes Mitglied der Arabischen Liga (AL), hat am Dienstag den Vorsitz der AL-Außenministertreffen zurückgelegt, den es rotationsmäßig für sechs Monate innegehabt hätte. Es sei keine Ehre, den Vorsitz zu einer Zeit führen, in der sich die Araber um eine Normalisierung mit Israel reißen würden, sagte Außenminister Riyad al-Maliki. Dahinter steckt die Befürchtung, dass auf die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain weitere Länder folgen könnten. US-Präsident Donald Trump hatte, ohne zu spezifizieren, die Zahl fünf genannt.

Der Rückzug der Palästinenser – allerdings nicht aus der Organisation, nur vom Vorsitz – folgte auf das palästinensische Scheitern bei einem Liga-Treffen in Kairo vor zwei Wochen, eine kritische Resolution durchzubringen. Sie hätte jene Staaten verurteilen sollen, die die bisher geltende Liga-Linie zum israelisch-palästinensischen Konflikt verlassen. 2002 verknüpften die Araber die volle arabische Normalisierung mit Israel mit der Schaffung eines Palästinenserstaates in den "Grenzen von 1967", das heißt der Waffenstillstandslinie von 1949.

Bahrain sprach sich in Kairo besonders lautstark gegen die Resolution aus: Kurz darauf gab der Inselstaat bekannt, dass er es den Emiraten, die ihre Einigung mit Israel bereits Mitte August verkündet hatten, gleichtun werde. Die Abkommen beider arabischer Golfstaaten mit Israel wurden am 15. September in Washington unterzeichnet.

Friedensinitiative von 2002

Maliki betonte in Ramallah, dass für die Palästinenser die Arabische Friedensinitiative der Liga von 2002 weiter gelte. Gleichzeitig verfolgt seine Fatah-Partei, die das Westjordanland regiert, eine Annäherung zur Hamas, die jedoch das Existenzrecht Israels auch in den 1967-Grenzen nie anerkannt hat.

Hamas-Politbürochef Ismail Haniyeh versprach Anfang September bei einem Besuch im größten palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon, Ain al-Hilweh, der jubelnden Menge unverdrossen eine "Rückkehr nach Palästina". Sein Auftritt wirkte eher so, als wollte er sich als Alternative zur Fatah präsentieren, und nicht, als wolle er mit ihr an einem Strang ziehen. In den vergangenen Jahren hat die Fatah unter der Führung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas das Vertrauen vieler Palästinenser verloren. Als Abbas für den Tag der Unterzeichnung der "Abraham-Abkommen" zwischen Israel und den Emiraten beziehungsweise Bahrain zu einem "Tag des Zorns" im Westjordanland aufrief, waren die Reaktionen eher apathisch. Dazu trägt natürlich auch die Corona-Situation bei.

Das Zusammenrücken von Fatah und Hamas begann, als sich die israelischen Annexionspläne im Westjordanland im Sommer zu materialisieren schienen. Eine gemeinsame Videokonferenz im Juli sollte Einheit signalisieren.

Die Türkei übernimmt

Mittlerweile hat typischerweise Ankara die Rolle als Vermittler übernommen: Die Türkei ist Gastgeber eines Treffens zwischen hohen Fatah- und Hamas-Vertretern, was durchaus als Spitze gegen die untätigen Araber gewertet werden kann. Auch Haniyehs Reise in den Libanon ging von der Türkei aus.

Für die Hamas-Fatah-Versöhnung fühlte sich früher vor allem Ägypten zuständig. Der Gasstreit im Mittelmeer – die Türkei gegen praktisch alle anderen, außer der libyschen Regierung – hat Kairo aber noch näher an Israel heranrücken lassen, was gemeinsame Sicherheitsinteressen betrifft. Am Dienstag gründeten Ägypten, Israel, Griechenland, Zypern, Italien und Jordanien in Kairo das East Mediterranean Gas Forum (EMGF), Frankreich wird noch dazustoßen.

Wird die israelisch-golfarabische Romanze meist im Licht einer gemeinsamen Front gegen den Iran gesehen, so spielt die Verwerfung zwischen der Türkei und den Arabern ebenfalls hinein: was wiederum Ankara und Teheran einander näher bringen könnte.

Scheinwerfer auf Dahlan

Auch palästinensische Wunden, die abseits der Spaltung Fatah/Hamas beziehungsweise Westjordanland/Gazastreifen existieren, werden neu aufgerissen. Im Westjordanland wurden zuletzt einige Parteigänger Mohammed Dahlans verhaftet: Dahlan war Fatah-Sicherheitschef im Gazastreifen, bis zum Bruch zwischen Fatah und Hamas 2007. Im Jahr 2011 überwarf er sich mit Abbas. Seine Fraktion, der Demokratische Reformblock, wurde aus der Fatah ausgeschlossen, was er aber nicht anerkennt. Die Fatah beschuldigt ihn unter anderem, Palästinenserführer Yassir Arafat 2004 ermordet zu haben. Schon glaubhafter sind Korruptionsvorwürfe gegen ihn.

Der Punkt ist, dass Dahlan nicht nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Exil, sondern auch Berater von Mohammed bin Zayed Al Nahyan ist, dem Kronprinzen von Abu Dhabi und starken Mann der UAE. Dahlan gilt seit langem als Kandidat Israels und nun auch der USA für die palästinensische Präsidentschaft – und aktuell als Betreiber der israelisch-emiratischen Normalisierung. Bei Protesten in Ramallah tauchte neben dem Porträt von Mohammed bin Zayed auch das von Dahlan auf.

Dahlan hat erst wieder vor einer Woche zu palästinensischen Wahlen aufgerufen: Die Palästinenser bräuchten dringend eine legitimierte Führung. Es ist richtig, dass das Mandat sowohl von Präsident Mahmud Abbas als auch jenes des Parlaments längst abgelaufen ist. Wahlen ohne eine Einigung zwischen Hamas und Fatah, die immer wieder verkündet, aber nie umgesetzt wurde, sind jedoch schwierig – ganz abgesehen davon, dass momentan die Corona-Zahlen jede Planung unmöglich machen. (24.9.2020)