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Wenn um ein Erbe gestritten wird, spielt immer wieder die Erbunwürdigkeit eine Rolle. Die hat der OGH nun etwas eingeschränkt.

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Man kennt die Situation aus Filmen und Büchern: Wer sich eines bestimmten Fehlverhaltens schuldig gemacht hat, verliert seinen Anspruch auf seinen Anteil an der Verlassenschaft eines Verstorbenen, der ihm als Erbe, Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigter sonst zustehen würde.

Er wird nach österreichischem Recht erbunwürdig. In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine solche Erbunwürdigkeit vorliegt, wenn eine Straftat zwar versucht, aber nicht vollzogen wird.

Wer erbunwürdig ist, ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 539 ff ABGB), ohne dass es einer entsprechenden Regelung – etwa in einer letztwilligen Verfügung des Erblassers – bedarf. Das Vorliegen einer Erbunwürdigkeit wird im Verlassenschaftsverfahren festgestellt. Jeder, der ein rechtliches Interesse an der Erbunwürdigkeit des potenziellen Erben hat, kann dies im Verfahren vorbringen – eine Quelle für Rechtsstreitigkeiten unter potenziellen Erben.

Absolute und relative Gründe

Generell wird zwischen absoluten und relativen Gründen, die zur Erbunwürdigkeit führen, unterschieden. Absolute Erbunwürdigkeitsgründe (§§ 539 f ABGB) gelten unabhängig davon, ob der Verstorbene die Möglichkeit hatte, jemanden zu enterben. Hingegen ist die Erbunwürdigkeit bei relativen Erbunwürdigkeitsgründen (§ 541 ABGB) nur gegeben, wenn der Verstorbene nicht in der Lage war, eine Enterbung vorzunehmen.

Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Erblasser nicht mehr testierfähig war oder keine Kenntnis von dem Vorfall hatte. Zu Lebzeiten kann der Verstorbene ein Fehlverhalten, das die Erbunwürdigkeit begründet, nachsehen. Dadurch wird die Erbunwürdigkeit wieder beseitigt.

Beispiele für relative Erbunwürdigkeitsgründe (§ 541 ABGB) sind strafbare Handlungen gegen bestimmte Angehörige, die Zufügung von schwerem seelischem Leid sowie die grobe Vernachlässigung von Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Zu den absoluten Erbunwürdigkeitsgründen zählen vorsätzliche strafbare Handlungen gegen den Verstorbenen oder – seit der Erbrechts-Novelle 2015 – auch gegen die Verlassenschaft des Verstorbenen.

Strafbare Handlungen gegenüber sonstigen Personen sind hingegen grundsätzlich irrelevant. Die strafbare Handlung muss mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sein. Daher kämen Unterschlagung, Diebstahl, Veruntreuung oder Betrug infrage, wenn der Schaden 5000 Euro übersteigt. Auch die versuchte Vereitelung des letzten Willens stellt einen absoluten Erbunwürdigkeitsgrund dar (§ 540 ABGB), wie etwa das Erzwingen und arglistige Verleiten zur Erklärung des letzten Willens sowie dessen Unterdrückung.

Eine strafbare Handlung muss nicht durch ein Strafgericht verurteilt worden sein, ausreichend ist es bereits, die strafbare Handlung zu begehen oder zu versuchen; die Beurteilung obliegt dann dem Verlassenschaftsgericht.

Betrugsversuch abgebrochen

Gegenstand der Entscheidung (OGH 24.4.2020, 2 Ob 100/19y) zur Erbunwürdigkeit war folgender Sachverhalt: Der Verstorbene hatte seine einzige Tochter als Alleinerbin eingesetzt und seiner langjährigen Lebensgefährtin ein lebenslanges Wohnrecht im gemeinsamen Wohnhaus eingeräumt.

Vor der Aufnahme des Todesfalls fand die Lebensgefährtin in den Unterlagen des Verstorbenen eine Polizze einer Er- und Ablebensversicherung, deren Versicherungssumme sie sich auszahlen lassen wollte. Sie handelte dabei mit dem Vorsatz, zum Schein vorzugeben, anspruchsberechtigt zu sein und durch die Auszahlung der Verlassenschaft einen Vermögenswert zu entziehen. Als die Lebensgefährtin aber unmittelbar davor stand, in den Räumlichkeiten der Versicherung die entscheidende Unterschrift zu leisten, brach sie ihr Vorhaben ab.

Strafaufhebungsgrund

Die Tochter des Erblassers akzeptierte in der Folge das Wohnrecht der Lebensgefährtin nicht; diese klagte die Tochter daher auf die Zustimmung zur Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch. Die Tochter hielt ihr entgegen, dass sie sich mit dem abgebrochenen Versuch zur Auszahlung der Versicherungssumme erbunwürdig gemacht habe. Der OGH sah das nicht so und gab der Lebensgefährtin recht. Sie bekam das lebenslange Wohnrecht.

Der strafrechtliche Rücktritt vom Versuch, der hier unzweifelhaft vorlag, ist ein sogenannter Strafaufhebungsgrund. Bisher war unklar, ob der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch einer strafbaren Handlung auch die Erbunwürdigkeit beseitigt.

Der OGH hat nun erstmals entschieden, dass bei einem Rücktritt vom Versuch einer strafbaren Handlung keine Erbunwürdigkeit anzunehmen ist. Er hat damit beim Rücktritt vom Versuch einen Gleichklang zwischen Strafrecht (Straffreiheit) und Erbrecht (Erbwürdigkeit) geschaffen.

Offen bleibt weiterhin, ob auch andere Strafaufhebungsgründe wie die Verjährung oder die tätige Reue ebenso die Erbunwürdigkeit ausschließen. Hier fehlt noch eine klarstellende OGH-Entscheidung. (Christian Zwick, Florian Dollenz, 24.9.2020)