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Ein Erblasser darf über sein Vermögen weitgehend frei entscheiden und sein Unternehmen nur an eines seiner Kinder vererben. Offen diskriminierende Bestimmungen aber können sittenwidrig und daher nichtig sein.

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Diskriminierungen von gesetzlichen Erben – etwa aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion oder weil sie nicht einer konfessionellen Ehe entstammen – findet man leider häufig.

Gerade bei der Vererbung von Unternehmen finden sich häufig altvaterische Anordnungen, die auf eine Diskriminierung hinauslaufen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Vorjahr zur Zulässigkeit von Geschlechterklauseln in Gesellschaftsverträgen (OGH 24. 1. 2019, 6 Ob 55/18h) sorgt immer noch für Diskussionen.

Im Anlassfall war im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass bei Tod eines Gesellschafters die KG nur mit männlichen Nachkommen fortgesetzt werden dürfe; weibliche Nachkommen waren von der Übernahme der Gesellschafterstellung ausgeschlossen.

Aufgrund der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten und den Wertungen des Gleichbehandlungsgesetzes gelangte der OGH zur Ansicht, dass eine solche Geschlechterklausel sittenwidrig und somit nichtig ist. Damit gab er dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Diskriminierungsverbot Vorrang vor der – ebenfalls verfassungsmäßig gewährleisteten – Privatautonomie der Gesellschafter.

Adelig oder nichtadelig

Da diese Frage in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutiert wurde, war diese Entscheidung nicht zwingend. Wann diskriminierende Regelungen als Instrument der Unternehmensnachfolge in Gesellschaftsverträgen, letztwilligen Verfügungen oder im Zusammenhang mit Privatstiftungen (un)zulässig sind, ist auch nach dieser Entscheidung nicht restlos geklärt:

Unzulässig ist nach der Rechtsprechung eine allgemein gehaltene testamentarische Differenzierung zwischen Personen adeliger und solchen nichtadeliger Abstammung. Als sittenwidrig wurde auch die Bedingung in einem Legat angesehen, wonach der – zur Unternehmensnachfolge auserwählte – Vermächtnisnehmer nur eine Person aus einer bestimmten Kategorie – etwa Konfession oder Nationalität – heiraten dürfe.

Ebenso erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die testamentarische Anordnung einer Nacherbschaft, falls der Testamentserbe die Erbschaft nicht an einen Sohn oder Enkel aus "legitimer und kanonischer Ehe" weitergebe, grundrechtswidrig ist.

Abwägung mit Testierfreiheit

Allerdings basieren letztwillige Verfügungen auf dem Prinzip der Testierfreiheit. Die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie des Erblassers wird auch für seinen Todesfall gewährleistet, weil er über sein Vermögen – auch für die Zeit nach seinem Ableben – frei verfügen kann.

An sich ist es jeder Person im Rahmen ihrer Testierfreiheit – unter Beachtung der pflichtteilsrechtlichen Grenzen – unbenommen, ein Unternehmen nicht an seine Tochter, sondern an einen bestimmten männlichen Nachkommen zu vererben. Ob diese Freiheit wünschenswert ist oder nicht, ist eine gesellschaftspolitische Frage, die sich intensiv mit Grundwertungen unserer Rechtsordnung auseinandersetzen müsste.

Auf Basis der geltenden Rechtslage wäre die testamentarische Erbeinsetzung nur eines der Kinder aber grundsätzlich unbedenklich. Trotz der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf privatautonomes Handeln darf nämlich nicht übersehen werden, dass es bei Geschlechterklauseln oder ähnlichen Regelungen stets um eine Abwägung des Gleichheitsgrundsatzes mit der Privatautonomie bzw. der Testierfreiheit geht.

Mannigfaltige Gründe

Der Ausschluss bestimmter Personen oder Personengruppen von der Unternehmensnachfolge kann mannigfaltige Gründe haben und gut verständlich sein: Unterschiedliche Fähigkeiten und Ausbildungen der Kinder, unternehmerischer Erfahrungsschatz, Einsatzbereitschaft, kaufmännisches Geschick, (Des-)Interesse an der Unternehmensführung oder schlicht die persönliche Zu- bzw. Abneigung können eine Rolle spielen.

Eine von der Rechtsordnung hintanzuhaltende Diskriminierung bewirken die genannten Motive nicht, auch wenn dadurch eine Ungleichbehandlung von weiblichen und männlichen Nachkommen einhergeht.

Denkbar wäre aber auch, dass der Erblasser in der – völlig irrigen und empirisch haltlosen – Ansicht, nur Männer könnten ein Unternehmen leiten und Frauen sollten sich bloß um Hausarbeit und Kindererziehung kümmern, seinen Sohn zum Alleinerben bestimmt und ihm das Unternehmen vererbt.

Umgekehrt könnte der Erblasser seine Tochter als Alleinerbin einsetzen, ihr das Unternehmen vererben und den Sohn auf den Pflichtteil setzen, weil dieser einen homosexuellen Partner oder eine Angehörige einer dem Erblasser unliebsamen Konfession ehelichte.

Werden diese Motive nicht offen ausgesprochen, so bleibt die letztwillige Verfügung vor allem aufgrund der schwierigen Beweisbarkeit in der Regel zulässig. Erst wenn unsachliche Diskriminierungen, die mit den Grundwertungen unseres Rechtsstaats nicht vereinbar sind, klar erkennbar werden, ist sie mit Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit bedroht.

Nicht alles gerechtfertigt

Der OGH erteilt in seiner Entscheidung generell-abstrakten Benachteiligungen aufgrund unsachlicher Merkmale eine Absage. Das ist gut verständlich und erfreulich. Aber schon davor war nicht jede auf bestimmte Personen abzielende Diskriminierung in einem Testament durch die Testierfreiheit gerechtfertigt: So bestimmt § 697 ABGB, dass sittenwidrige Bedingungen als "nicht beigesetzt" gelten.

Diese gesetzgeberische Wertung ist verallgemeinerungsfähig, um ungerechtfertigte Diskriminierungen bei der Unternehmensnachfolge hintanzuhalten. (Johannes Reich-Rohrwig, Lukas J. Peissl, 27.9.2020)