Der Mund-Nasen-Schutz, das Sinnbild der Pandemie-Bekämpfung, wird immer straffer über Österreich gezogen. Zuerst kam die Maske im Supermarkt zurück. Es folgten verschärfte Grenzkontrollen. Seit Montag gelten strenge Regeln im Wirtshaus, in Lokalen und bei Veranstaltungen. Kinder tragen Masken in den Schulgängen. Ab kommendem Wochenende heißt es im Westen um 22 Uhr: Sperrstund is’. Und niemand in der Regierung geht davon aus, dass das schon alles war. Um einen zweiten Lockdown wie im März zu verhindern, fährt Türkis-Grün nun quasi eine neue Strategie: den schleichenden Lockdown light.

Innenminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober.
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Klar ist auf beiden Seiten der Regierungsbank, dass der Wintertourismus stattfinden muss. Davon lebt der Westen Österreichs. Fest steht für ÖVP sowie Grüne auch, dass über Österreich verhängte Reisewarnungen Gift sind. Auch deshalb müssen die Infektionszahlen niedrig gehalten werden. Wobei über dem allen natürlich das oberste Ziel steht, eine Gesundheitskrise zu verhindern. Niemand will, dass jeder jemanden kennt, der an Corona gestorben ist.

Sind sich Türkis und Grün in der Herangehensweise immer einig? Nein. Immerhin verbindet aber beide der Wille, das Land stabil durch die Krise zu segeln. Dabei hat sich eine klare Rollenverteilung herausgebildet.

Spaßverderber

Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz inszeniert sich meist als strenger Hüter. Abgesehen von seinem kurzen Lichtblick, dass Österreich Corona im kommenden Sommer überstanden haben wird, gibt er den Bad Cop. Zu Beginn der Krise hatte er Angst gesät, jetzt ist er so etwas wie der Spaßverderber: Schon lange bevor die Verschärfungen tatsächlich gekommen sind, wollte er Veranstaltungen eingrenzen. Gerade fordert er das restliche Österreich auf, wie Vorarlberg, Tirol und Salzburg die Lokale früh zu schließen.

Das ist vor allem deshalb erstaunlich, weil sich die ÖVP als Wirtschaftspartei versteht – und Wirte von frühen Sperrstunden naturgemäß wenig halten. Türkise argumentieren: lieber jetzt wenige verärgern, als die gesamte Wirtschaft mit einem zweiten Lockdown nachhaltig zu schädigen. Grüne raunen, das liege viel mehr daran, dass der Kanzler ständig spontan auf Stimmungen reagiere. Zuerst sei es ihm nicht schnell genug gegangen, die Masken wegzubekommen, jetzt rufe er wieder ständig nach Verschärfungen. Der türkise Koalitionspartner sei da schlicht flatterhafter als man selbst.

Tatsächlich gibt sich der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober gerne unaufgeregt. Man könnte sagen: Er versucht sich als Good Cop. Auch Anschober mahnt, aber in sanfteren Worten. Der grüne Langzeitpolitiker ist ruhiger in der Art und langsamer in der Entscheidungsfindung, als Kurz es ist. Sein Motto lautet viel mehr: nur nichts überstürzen. Da gerät er mit Kurz schon einmal aneinander.

Vielleicht schadet das auch gar nicht. Analog zu Anschobers Phasen der Pandemie könnte man auch in die Phasen der Corona-Politik einteilen: In Phase eins erfolgte der nationale Schulterschluss, Regierung und Opposition waren in völliger Eintracht. In Phase zwei sind SPÖ, FPÖ und Neos erwacht. Jetzt befinden wir uns in Phase drei, wo es auch in der Regierung kracht. Das Gute daran: Wenn die Koalitionäre einander selbst regulieren, droht uns im Lockdown light nicht so viel Showpolitik. (Katharina Mittelstaedt, 23.9.2020)