Die Buwog-Hauptangeklagten Karl-Heinz Grasser (links) und Walter Meischberger werfen der WKStA vor, sie agiere parteiisch und voreingenommen.

Foto: APA

"Liefern Sie mir den Herrn Grasser, Sie sind uns wurscht", mit dieser Aufforderung sei er einst vom in der Causa Buwog ermittelnden Staatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) konfrontiert worden – das sagte am Dienstag ein Buwog-Angeklagter vor Gericht aus. Ähnliches berichtete der angeklagte Anwalt und Exberater Grassers, Gerald Toifl: Er sei öfter aufgefordert worden, "mehr als bisher" auszusagen, dann könne das Verfahren gegen ihn eingestellt werden, allenfalls per Diversion. Er habe aber sowieso alles ausgesagt, was er wisse, erklärte Toifl, von Grassers Verteidiger Norbert Wess dazu befragt.

Allerdings: Einmal, im Sommer 2012, sei ihm dieses "Angebot" in seiner einzigen Einvernahme direkt am Sitz der WKStA unterbreitet worden, dabei gewesen sei auch die heute stellvertretende Behördenleiterin, Beatrix Winkler. Das Besondere: Protokoll von dieser Einvernahme gibt es im Gerichtsakt nicht. Sollte es aber. Nun kümmert sich die Dienstaufsicht der WKStA um die Angelegenheit.

Kein Protokoll im Akt

Grassers Anwalt hat am Dienstag einen Antrag ans Gericht gestellt, die Unterlagen beizuschaffen – und äußerte sinngemäß die Vermutung, die WKStA habe versucht, belastende Aussagen gegen den heutigen Erstangeklagten zu bekommen. Sollte das stimmen, würde das auch die Beweiskraft des Teilgeständnisses von Peter Hochegger schmälern, der Grasser schwer belastet.

Kurzum: ein Argument mehr für Grasser und seine Verteidiger, die der WKStA seit jeher Voreingenommenheit vorwerfen und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt sehen. Die Ermittler hätten gegen ihre in der Strafprozessordnung festgeschriebene Pflicht zur Objektivität verstoßen. Demnach müssen sie unparteilich und unvoreingenommen agieren, auch, indem sie Belastendes und Entlastendes gleichermaßen ermitteln.

Grasser ortet Geheimtreffen

Grasser selbst zeigte sich in der Verhandlung ob der Aussagen Toifls und des oberösterreichischen Angeklagten "erschüttert". Er thematisierte in dem Konnex auch ein "geheimes" Treffen von Hocheggers Exanwalt mit WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, auch dazu gebe es keinen Aktenvermerk.

Sind "Angebote" wie die genannten, "Deals" mit dem Staatsanwalt, sind Treffen von Anwälten mit den Vertretern der Anklagebehörde vorwerfbar? Ex-Strafsektionschef Christian Pilnacek, der mit zwei Casinos-Beschuldigten gesprochen hat, hat das jedenfalls eine Weisung von Justizministerin Alma Zadic eingetragen, wonach solche Treffen künftig zu unterlassen seien. Einen Aktenvermerk hatte Pilnacek dazu jedenfalls erstellt.

Justizfehler oder Anwalttaktik?

Hat Grassers Verteidigung jetzt, da nach fast drei Jahren ein Ende des Verfahrens winkt, das Thema aus prozesstaktischen Gründen (erneut) angeschnitten? Endgültig zu beantworten ist das nicht.

Sicher ist, dass alles, was fürs Verfahren relevant ist, zum Akt genommen werden muss. Die daraus resultierende Frage, warum Toifls Einvernahmeprotokoll dort nicht zu finden ist, lässt sich derzeit nicht klären. Die beiden WKStA-Staatsanwälte haben sich in der Verhandlung dazu nicht zu Wort gemeldet. Sie können sich zum Antrag von Wess, diese Unterlagen beizuschaffen, äußern. Bisher ließen sie Vorwürfe der Angeklagten, sie hätten nicht fair ermittelt, an sich abprallen.

Und: Einsprüche der Betroffenen gegen die Anklageschrift, die Grasser für absurd und teilweise erlogen hält, hat das Oberlandesgericht Wien geprüft und abgewiesen.

Dienstaufsicht prüft die Vorwürfe

Die Staatsanwaltschaft muss im Rahmen der Gesetze agieren. In der StPO ist da, neben der bereits erwähnten Pflicht zur Objektivität, etwa die Gesetz- und Verhältnismäßigkeit der Ermittlungen festgeschrieben. Und Diversion (außergerichtlicher Tatausgleich) dürfen die Staatsanwälte den Beschuldigten anbieten, sie setzt ein Geständnis bzw. die Übernahme der Verantwortung für die Tat voraus. Und "kooperatives" Verhalten der Beschuldigten ist, wenn es bei der Aufklärung hilft, ein Milderungsgrund, wenn es zu einer Verurteilung kommt.

In der WKStA will man zu all dem nichts sagen. Man kommentiere Aussagen von Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht, erklärt ein Sprecher. Damit wird die Angelegenheit aber nicht ausgestanden sein. Denn die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, die die Dienstaufsicht über die WKStA ausübt, wird die in der Verhandlung geäußerten Behauptungen prüfen und die Fakten raschest möglich klären, kündigte der Mediensprecher der OStA Wien, Michael Klackl, am Mittwochabend an. (Renate Graber, 24.9.2020)