David Morgenbesser kam von Sky zu Servus TV.

Foto: Servus TV

David Morgenbesser verantwortet seit November 2019 bei Servus TV Österreich und Deutschland den Bereich Sportrechte und Content-Distribution. Seine Bilanz kann sich bis jetzt sehen lassen: Neben Champions League, Europa League und Conference League sicherte sich Servus TV zum Beispiel noch die Rechte an der Formel 1 und dem Tennisturnier in der Wiener Stadthalle für die nächsten fünf Jahre. Wenn es nach Morgenbesser geht, dann ist das längst noch nicht alles.

STANDARD: Ab der kommenden Saison überträgt Servus TV die Champions League, die Europa League und die neue Conference League und besetzt mit Fußball viele Hauptabende im Programm. Gibt es Überlegungen, einen neuen, eigenen Sportkanal zu gründen?

Morgenbesser: Es ist kein Thema für uns, ein Sportkanal zu werden. Wir sind ein Vollprogrammsender, danach richten wir auch unser Handeln. Die Sportprodukte, bei denen wir mitgeboten haben und zum Zug gekommen sind, haben wir so ausgewählt, dass es im Programm eine Ausgewogenheit gibt. Wenn man sich das über das Jahr ansieht, überwiegt der fiktionale Teil deutlich gegenüber den Sportübertragungen.

STANDARD: Die werden aber immer mehr.

Morgenbesser: Natürlich ist Sport geballt, wenn man so wie wir in vier Wochen das Tennisturnier in der Wiener Stadthalle überträgt und eine Woche den ganzen Nachmittag durch Tennis läuft. Aber auf das Jahr heruntergebrochen relativiert sich das recht schnell. Wir sind ein Vollprogramm und werden kein Sportsender werden. Wir gehen aber natürlich mit dem Trend der Zeit und werden noch eine stärkere Onlinepräsenz anstreben. Wir haben jetzt schon mit servustv.com sehr starke Zugriffe. Mit den beiden Spielberg-Moto-GP-Wochenenden hatten wir über 600.000 Videoviews. Das zeigt uns, dass das in dieser Zielgruppe sehr gut funktioniert.

STANDARD: Die Sportrechte folgen dem Geld, und der Trend geht klar in Richtung Pay-TV. Servus TV ist eine Ausnahme, es wird aber wohl auch am Geld liegen, das der Sender bieten kann?

Morgenbesser: Es ist nicht primär eine Frage des Geldes, sondern des Gesamtpakets, das wir den Lizenzgebern anbieten können. Wir haben gezeigt, besonders in der Moto-GP, dass wir ein Produkt anders darstellen und einen Mehrwert für den Lizenzgeber generieren können. Etwa durch unsere Promotiontätigkeiten und aufgrund der Qualität unserer Berichterstattung. Wir erschlagen das nicht mit Geld, ganz im Gegenteil. Mit diesem Ausblick, wie wir künftig die Uefa Champions League, Stadthalle oder Formel 1 übertragen werden, konnten wir unsere Partner überzeugen.

STANDARD: Wie viel Geld pumpt Servus TV pro Jahr in Sportrechte? Bewegt es sich in der Größenordnung von 50 Millionen Euro pro Jahr?

Morgenbesser: Das will ich nicht kommentieren.

STANDARD: Die Uefa lässt sich normalerweise ja gut und gerne mit Geld überzeugen. Was ist Teil des Gesamtpakets, von dem die Rede ist, etwa bei der Champions League?

Morgenbesser: Es geht um den hohen redaktionellen Aufwand, den wir betreiben. Das geht von den Studiogästen über die Aktivierung in allen Medienkanälen, Cross-Promotion und digitale Präsenz bis zum Vor-Ort-Sein bei den Spielen – egal ob Heim- oder Auswärtsspiel. So können wir der Marke Uefa Champions League in Österreich eine noch größere Bedeutung geben. Wir haben viele Ausspielkanäle und viele Wege, um ein Produkt aktivieren zu können.

STANDARD: Bei der Formel 1 und der Europa League geht Servus TV Hand in Hand mit dem ORF, weil man sich die Rechte teilt. Ist das eine richtungsweisende Zusammenarbeit oder nur Zufall?

Morgenbesser: Ganz so ist es ja nicht. Bei der Formel 1 sind wir der Lizenzinhaber, der ORF hat die Sublizenz. Das ist keine Rechteteilung. Bei der Europa League war es eine Ausschreibung der Uefa mit mehreren Paketen. Wir haben den First Pick für Donnerstag erworben, der ORF hat sich den Second Pick gesichert. Das war kein Hand in Hand, sondern ist der Ausschreibung gefolgt, dass jetzt zwei Free-TV-Sender zum Zug gekommen sind. Es ist schon ein Paradigmenwechsel in Österreich, dass ab nächster Saison ein Champions-League-Spiel und zwei Europa-League-Spiele im Free-TV übertragen werden.

STANDARD: Orten Sie bei der Uefa einen Paradigmenwechsel, dass Reichweite wichtiger wird als die eine oder andere Million mehr, die sie über die Rechtevergabe an Pay-TV-Sender lukrieren können? Es gibt ja immer wieder Kritik und die Forderung, dass Sport leistbar sein sollte.

Morgenbesser: Man sieht den Trend in Deutschland, wo es die ewige Diskussion gibt, ob das Champions-League-Finale im Free-TV stattfinden soll. Bei uns war das Gesamtkonzept für das Produkt ausschlaggebend und dass wir zusätzlich mit der Europa League eine Bewertung für den gesamten europäischen Klubfußball geben konnten. Von einem Umdenken bei der Uefa würde ich nicht reden. Ich glaube, sie wählen einfach das beste Angebot für ihr Produkt und den jeweiligen Markt. Österreich lässt sich nicht auf Deutschland, Frankreich oder England überstülpen.

STANDARD: Ein wichtiges Zugpferd ist Tennis – und da vor allem Dominic Thiem. Künftig wird Servus TV sechs Bewerbe übertragen. Welchen Stellenwert hat Thiem für Servus TV?

Morgenbesser: Dominic Thiem hat einen sehr großen Stellenwert bei uns. Wir haben vor zwei Jahren mit einem Sublizenz-Deal von Sky angefangen und hatten etwa mit den ATP Finals eine Superquote. Dann ist es mit den Australian Open weitergegangen, wo wir 1,5 Millionen Zuseher (Nettoreichweite, Anm.) und 45 Prozent Marktanteil hatten, was nicht einmal zu Thomas Musters Zeiten der Fall war. Tennis passt zu uns und unserem Qualitätsanspruch. Wir haben zwei Heimturniere, was auch ganz wichtig ist, wo wir unsere Vorstellungen bei der Übertragung umsetzen können, sei es in Kitzbühel oder künftig in der Stadthalle, für die wir einen Fünfjahresvertrag haben. Es gibt aber neben Dominic Thiem noch mehr, und wir haben uns auch den ATP Cup und den Davis Cup gesichert, weil wir die Gesamtheit des österreichischen Tennissports darstellen wollen und nicht nur Thiem.

STANDARD: Wie sieht es mit den restlichen Grand-Slam-Turnieren aus? Die French Open sind beim ORF, Wimbledon ist bei Sky. Interesse?

Morgenbesser: Wir haben in diesem Jahr bereits mehrere Rechte erworben – und wie schon gesagt: Wir wollen kein Sportsender werden, wir evaluieren, was nachhaltig Sinn für uns macht.

STANDARD: Sind die Rechte an der österreichischen Fußballbundesliga der nächste Schritt? Sky hat ja die Rechte bis zur Saison 2022 – allerdings mit Option auf eine Verlängerung um weitere vier Jahre.

Morgenbesser: Die Bundesliga ist ja langfristig bei Sky, und es hängt davon ab, wie sich die Bundesliga und Sky dann entscheiden. Grundsätzlich ist die österreichische Bundesliga aber natürlich ein spannendes Recht, das man sich ansehen muss. Aber in der Fülle ist es ein klassisches Pay-TV-Produkt, weil alle Spiele live und parallel abgebildet werden können. Dazu sind wir nicht in der Lage, aber wenn es in irgendeiner Form Sinn macht für uns, schauen wir uns das genau an.

STANDARD: Eine Möglichkeit wäre, als Sublizenznehmer zu bieten und etwa ein Livematch pro Spieltag zu zeigen, so wie das der ORF jahrelang gemacht hat?

Morgenbesser: Wir wissen ja nicht, wie die Bundesliga ausschreiben wird, ob sie ein eigenes Paket für Free-TV schnüren oder so wie letztens nur Gesamtrechte vergeben wird. Derzeit fällt das ins Reich der Spekulationen.

STANDARD: Manche würden bei der Bundesliga womöglich eine Unvereinbarkeit wegen Servus TV und Red Bull Salzburg sehen, wenn sich Verein und übertragender Sender in einer Hand befinden.

Morgenbesser: Servus TV ist gelöst von Red Bull Salzburg zu betrachten, das sind zwei verschiedene Firmen. Diese Diskussion hat Salzburg auch mit der Uefa führen müssen – auch mit Leipzig –, sonst dürften sie ja nicht international mitspielen. Red Bull Salzburg ist komplett aus dem Firmenkonstrukt getrennt, deswegen kann es auch diese Diskussion nicht geben.

STANDARD: Auch wenn es eine wirtschaftliche Trennung gibt, wie sieht es mit der journalistischen Distanz aus?

Morgenbesser: Wenn Salzburg an der Champions League oder Europa League teilnimmt, haben wir wie jeder andere Sender Rechte, die wir eingeräumt bekommen: etwa Interviewzeiten oder Tischpositionen. Wir werden nicht anders behandelt, da die Rechte von der Uefa vergeben werden. Da kann es keine Sonderbehandlung geben. Dass auch ein ORF, wenn er ein Salzburg- oder Rapid-Spiel zeigt, natürlich die Heimmannschaft besser und stärker positioniert als das Auswärtsteam, ist selbstredend. Solche klaren Regularien gibt es auch bei der Bundesliga.

STANDARD: Spiele der österreichischen Fußballnationalmannschaft laufen seit Jahrzehnten im ORF, abgesehen von einem Intermezzo im Jahr 2012, als ATV die WM-Quali-Spiele zeigen konnte. Haben Sie Interesse an den Rechten?

Morgenbesser: Das hängt von der Ausschreibung ab. Wir haben in Deutschland gesehen, dass Magenta vollkommen überraschend die Europameisterschaft gekauft hat. Da muss man abwarten, was passiert. Wir müssen wieder schauen, ob das Nationalteam ins Programm passt, ob wir zu diesen Zeiten Sendeplätze haben und ob das finanziell im Rahmen liegt. Wir überbezahlen keine Rechte.

STANDARD: Neben dem Nationalteam ließen sich auch mit Ski Alpin gute Quoten machen. Der ORF ist auch hier schon sehr lange der Rechteinhaber. Sehen Sie Chancen, dass Servus TV einmal mitmischen kann?

Morgenbesser: Ski Alpin ist – persönlich betrachtet – ein ganz tolles Recht, aber realistisch betrachtet: Die Ausschreibung war letztes Jahr, und die Rechte sind für mehrere Jahre vergeben.

STANDARD: Wären Sie früher zu Servus TV gekommen und nicht erst Ende 2019, hätten Sie mitgeboten?

Morgenbesser: Privat, ja (lacht). Spaß beiseite: Österreich ist eine Wintersportnation, aber die Rechte sind langfristig beim ORF, es ist einfach schwierig. Sollte sich – in vier, fünf Jahren, oder wann auch immer die Rechte ausgeschrieben werden – eine Möglichkeit ergeben, dann wäre es interessant. Was man nicht vergessen darf: Die Rechte sind ja unterteilt. Man muss die internationalen Rechte, die nationalen und die internationalen Rechte von anderen Nationen kaufen. Das ist herausfordernd.

STANDARD: Wie geht es Ihnen als Sportfan mit Corona und den Geisterspielen?

Morgenbesser: Wir müssen damit leben und froh sein, dass Sport überhaupt stattfinden kann. Wir müssen uns alle einschränken, ob privat, im Beruf oder bei Sportveranstaltungen, und hoffen, dass diese Zeit so schnell und so gut wie möglich vorbeigeht. Ich bin froh, wenn ich Formel 1, Moto GP, Tennis oder Fußball im Fernsehen sehen kann. Als Fan blutet einem das Herz, aber: Wer hätte im April gedacht, dass wir nach eineinhalb Monaten wieder Fußballbundesliga in Österreich schauen können? Oder in Deutschland? Dass die Ligen starten, wir einen Champions-League-Sieger sehen können oder Tennisturniere in Kitzbühel stattfinden? Man muss es eher umgekehrt betrachten und froh sein.

STANDARD: Wie viele Abos haben Sie privat, um Sport zu konsumieren?

Morgenbesser: Ich habe natürlich noch ein Sky-Abo, ich war ja auch lange bei dem Sender, dazu kommen noch Dazn und Tennis TV. Sport zu schauen ist ja mein Job.

STANDARD: Investitionen in Sportrechte deuten auf ein langfristiges Engagement hin, aber gibt es die Befürchtung, dass Dietrich Mateschitz die Lust auf Servus TV verliert und den Sender kurzerhand wie zum Beispiel die Plattform "Addendum" zudreht?

Morgenbesser: Zu den permanenten Spekulationen über die Pläne von Herrn Mateschitz kann und will ich nichts sagen, sondern grundsätzlich nur zu Servus TV. Der Sender hat langfristige Investitionen in Sportrechte getätigt, das ist der Fokus, den ich habe.

STANDARD: Sie haben sieben Jahren bei Sky Deutschland gearbeitet, bevor Sie zu Servus TV gegangen sind. Was sind in punkto Sportrechte die Unterschiede zwischen den Märkten?

Morgenbesser: Deutschland wird vom Fußball dominiert. Die deutsche Fußballbundesliga überstrahlt alles in dem Markt. In Österreich gibt es mehrere Sportarten, die für die Gesamtbevölkerung von Interesse sind, das ist schon ein Unterschied. In Österreich ist es breiter. (Oliver Mark, 24.9.2020)