Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

PRO: Das Kreuz bei Sicherheit

von Gabriele Scherndl

Wählen ist ein großartiges Gefühl. Diese unmittelbare Möglichkeit, mitzubestimmen, einen Einfluss zu haben auf eine Welt, die immer schneller und komplizierter wird, ist etwas Besonderes – selbst wenn oder sogar gerade weil es nur alle paar Jahre vorkommt.

Doch wo man dieses Gefühl hat, tut nichts zur Sache. Ob man den Zettel in einer Schulklasse in eine Box wirft, auf ein Amt bringt oder in den Postkasten schmeißt, macht keinen Unterschied. Das Kreuz zu machen ist das, was zählt.

Und darum sollte man gerade heuer sicherstellen, dass man das machen kann. Nichts wäre ärgerlicher, als just am 10. Oktober – einen Tag vor der Wien-Wahl und einen Tag nach Ablauf der Frist für eine persönliche Wahlkartenabholung – in Quarantäne zu müssen. Klar, wir passen alle auf, aber vielleicht saß man dann blöderweise doch genau in dem Zug, in dem auch eine infizierte Person war. Oder es wird ausgerechnet in der Woche vor der Wahl das Kind von der Schule heimgeschickt, weil es dort einen Verdachtsfall gab.

Nicht nur für das persönliche Mitspracherecht, auch demokratiepolitisch wäre es verheerend, wenn wegen einer Gesundheitskrise tausende Menschen ihre Stimme nicht abgeben können, weil sie nicht außer Haus können oder wollen.

Und wenn doch alles rundläuft: Gesund und nicht ansteckend kann die Wahlkarte immer noch am 11. Oktober direkt im Wahllokal in die Urne geworfen werden – fürs Gefühl. (Gabriele Scherndl, 23.9.2020)

KONTRA: Unklarer Wahlabend

von Oona Kroisleitner

Rund 40 Prozent der Stimmen für die Wien-Wahl könnten am 11. Oktober nicht ausgezählt werden. In dieser Dimension schätzen Meinungsforscher die Wahlkartenwähler ein. Am Wahlabend wird dadurch einiges unklar bleiben – auch weil die Prognosen der Meinungsforscher eine höhere Schwankungsbreite haben werden. Beträgt diese ein Prozent, heißt das: Die Abstände zwischen zwei Parteien müssen zwei Prozentpunkte betragen, damit man weiß, wer vorn liegt.

Offen wird auch sein, ob es die Partei des ehemaligen blauen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache in den Gemeinderat schafft. Liegt er in der Prognose knapp unter oder über der Fünf-Prozent-Hürde, ist nix fix. Das ist nicht nur für Strache relevant, sondern für alle Parteien. Gelingt der Einzug, werden die Mandate anders verteilt. Das heißt: Unklar ist, welche Koalition möglich ist, etwa ob sich SPÖ und Neos ausgehen.

Einfacher wird die Berechnung, wenn im Wahllokal gewählt wird. Das sollte auch in der Pandemie der Standard sein. Gehört man zu einer Risikogruppe, sollte man Kontakt meiden. Für andere aber werden in den Sprengeln ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Mitarbeiter werden getestet, das Mobiliar desinfiziert. Wenn jeder im Wahllokal selbst Abstand hält, Maske trägt etc., ist der kurze Besuch an der Urne wohl weniger gefährlich als der lange beim Wirt. (Oona Kroisleitner, 23.9.2020)