Die Horlacher Lies (Miriam Fussenegger) und der Knecht Wastl (Christoph Griesser) im Duell um das Klosett.

Alex Gotter

Auf dem Land ist alles in ÖVP-Hand, und die in Dauerschleife laufenden Wahlergebnisse weisen der Partei noch Zuwächse aus: Es ist wie das Menetekel aus einem SPÖ-Traum, den Harald Posch in seiner G’wissenswurm-Inszenierung nach Ludwig Anzengruber im Werk X realisiert. Die Landbevölkerung – sie spricht exzellentes, aber nicht für alle verständliches Tirolerisch – ist grob, laut und ständig notgeil, und sie hegt ihrerseits die schäbigste Meinung von der Stadtbevölkerung in "Wian".

Mit diesen Schablonen zeichnet Posch das 1874 uraufgeführte Stück neu: Es leidet der kränkliche Bauer Grillhofer (wer sonst?) am schlechten Gewissen, das ihn drückt, wegen Jahre zurückliegender außerehelicher Vergnügungen, die nicht folgenlos blieben. Eine Tochter (Miriam Fussenegger) wurde geboren, und sie könnte nun alles Erbe beanspruchen. Dabei geht der im Werk X erschöpfend als Auslaufmodell eines Alphamännchens interpretierte, leidend brüllende Bauer (Peter Pertusini) seinem falschen Schwager – hier: ein grüner Neonazi (Sebastian Thiers) – fast auf den Leim.

Lärm und Eifer

In Poschs Neufassung, die um den Untertitel The unintentional end of Heimat erweitert wurde, herrscht so etwas wie Gegenwart. Posch verschneidet den Stoff mit Erzählungen rumänischer Erntehelfer, mit historischen Abrissen zum Genossenschaftswesen und mit auf Englisch vorgetragenem Theoriezeug zum Begriff des Autoritarismus. Das ist nicht falsch gedacht, doch erstickt das Theater hinter einem Wall aus Lärm, gleichförmigem Macho-Spiel (sicher kritisch gemeint) und seinem missionarischen Eifer hinter Plexiglas. Einzig ein Tubabläser (Jon Sass himself) sitzt am Szenenrand als Zeuge einer untergehenden Welt. Er war die Identifikationsfigur. (afze, 24.9.2020)