Auch heimische Behörden setzen auf Wirecard

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Wien – Mehrere Ministerien boten ihre Bürgerservices mithilfe des deutschen Konzerns Wirecard an. Das zeigen die Beantwortungen parlamentarischer Anfragen, die von der FPÖ nach dem Aufkommen der Affäre rund um Bilanzfälschung und Geheimdienstverwicklungen gestellt wurden. Um hohe Beträge ging es dabei allerdings nicht.

Bereits im Jahr 2004 begann die Geschäftsbeziehung zwischen Innenministerium und Wirecard. Ab da wurden Zahlungen, um den Strafregisterauszug per Internet abzurufen, mit Wirecard-Diensten abgewickelt. Später kam dann noch das Zentrale Melderegister dazu. Die jährlichen Kosten beliefen sich laut Anfragebeantwortung auf weniger als zehntausend Euro.

Sorge macht der FPÖ, dass es sich beim Zentralen Melderegister und dem Strafregister um sensible Daten handelt. So wird dem Wirecard-Manager Jan Marsalek ein Naheverhältnis zum russischen Geheimdienst nachgesagt. Derzeit soll sich der flüchtige Millionär in Russland verstecken, wohl unter Schutz des dortigen Geheimdienstes.

"Kann ausgeschlossen werden, dass Wirecard im Zuge der Projektimplementierung oder des laufenden Betriebs auf diese Daten Zugriff hatte?", fordert der freiheitliche Abgeordnete Christian Hafenecker im STANDARD-Gespräch mehr Aufklärung von Behördenseite.

Wie hast du’s mit Wirecard

Zwischen den einstigen Koalitionspartnern FPÖ und ÖVP ist seit dem Aufkommen der Wirecard-Affäre ein Duell darüber entbrannt, wer engere Beziehungen zu den in Ungnade gefallenen Managern hatte. So verweist die FPÖ darauf, dass Wirecard-Chef Markus Braun der ÖVP gespendet hat. Als Indiz für einen guten Draht zwischen ÖVP und Wirecard sieht die FPÖ, dass die Verträge im Innenministerium unter Ernst Strasser (ÖVP) und Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) abgeschlossen beziehungsweise erweitert wurden. Für Hafenecker liegt "der Verdacht eines Niederösterreich-Netzwerks nahe. Umso unglaubwürdiger ist der Niederösterreicher Wolfgang Sobotka, der nicht mehr wissen will, ob und was er 2017 in Moskau mit Marsalek gesprochen hat." Allerdings ist durch sichergestellte Chatprotokolle bekannt, dass Marsalek Informationen aus dem Innenministerium an den einstigen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus weitergeleitet hat.

Für die Republik könnte die Umstellung auf andere Zahlungsdienstleister durchaus teuer werden. Während das Innenministerium noch keine Kostenabschätzung tätigen will, spricht das Wirtschaftsministerium von 30.000 Euro – bei ihm hatte das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen auf Wirecard-Dienste gesetzt.

Ironie der Geschichte: Im Justizministerium wird Wirecard für den Jailshop eingesetzt. Dort kauft man Produkte, die von Häftlingen produziert werden. (fsc, 25.9.2020)