Werden Reisewarnungen in Berlin nach politischen Kriterien getroffen, um eventuell einer Region oder gleich einem ganzen Land zu schaden? Diese These wird, seit Wien und Vorarlberg von der deutschen Regierung zu Risikogebieten erklärt worden sind, immer wieder diskutiert.

In Berlin allerdings weist man dies als Unsinn zurück. "Die Einstufung als Risikogebiet basiert auf einer zweistufigen Bewertung", heißt es im deutschen Gesundheitsministerium. Wichtigstes Kriterium ist die Sieben-Tage-Inzidenz. Der Krisenstab, in dem Vertreter dreier Ressorts (Gesundheit, Inneres, Außenamt) sitzen, schauen permanent, in welchen Staaten oder Regionen es in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab.

In einem zweiten Schritt kommen weitere Kriterien ins Spiel – etwa ob ein Ausbruch lokal begrenzt ist, wie viel getestet wird oder wie es um das Gesundheitssystem in der Region bestellt ist.

"Das ist eine ganz nüchterne Geschichte, und die Zahlen sind am wichtigsten", wird gegenüber dem STANDARD auch in anderen Ministerien betont. Denn die oberste Priorität der Bundesregierung lautet, das Infektionsgeschehen in Deutschland unter Kontrolle zu halten.

In Österreich wiederum ist das Verhängen der Reisewarnungen nicht besonders transparent. Das Außenministerium unterscheidet auf seiner Website zwischen drei für die Corona-Pandemie relevanten Sicherheitsstufen: Vier gilt als hohes Sicherheitsrisiko, von nicht notwendigen Reisen wird abgeraten, Länder der Stufe fünf (partielle Reisewarnung für ein Gebiet) und sechs (Reisewarnung für ein Land) werden prominent aufgelistet. Nur aufgrund welcher Parameter diese Entscheidungen für ein jeweiliges Land zustandekommen, das ist für Außenstehende dort nicht ersichtlich.

Natürlich sind zwei der Faktoren, die man allerdings erst auf Nachfrage erfährt, die Zahl der Neuinfizierten und die Zahl der Tests pro 100.000 Einwohner in einem Land. Im Falle einer breiten Testung und einer rigorosen Kontaktnachverfolgung könne auch bei einer Vielzahl von Neuinfizierten von einer Reisewarnung abgesehen werden, erklärt das Ressort. Auch reiseassoziierte Infektionsfälle spielen bei der Einstufung eine Rolle, wie dies im Sommer insbesondere bei Kroatien der Fall war.

Spätere Warnung für Israel

Das Vorgehen Österreichs erscheint nicht immer logisch. Für Israel erfolgte erst am Donnerstag eine Reisewarnung, obwohl sich das Land seit Freitag im Lockdown befindet und seit längerer Zeit tausende Corona-Fälle pro Tag verzeichnet. Dasselbe gilt in abgeschwächter Form für Tschechien: Als Reaktion auf die hohen Infektionszahlen seit Anfang September gibt es nun eine partielle Reisewarnung für Prag. Argumentiert wurde das bis zuletzt auch mit der niedrigen Reiseaktivität in diese Länder. Die Warnung für Schweden, das seit geraumer Zeit ein niedriges Infektionsgeschehen aufweist, wurde nun zurückgenommen. Deutschland tat dies vor Wochen.

Vor Reisen nach Innsbruck wird in mehreren Ländern gewarnt.
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Vor Regionen in Österreich wird bereits von mehreren Ländern gewarnt. Nach Wien setzte Belgien am Mittwoch die Bundesländer Vorarlberg und Tirol auf die Rote Liste. Zuvor hatten bereits die Niederlande Wien und die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck auf die rote Liste gesetzt. In Dänemark gilt für ganz Österreich eine Reisewarnung. Vor Reisen in die Bundeshauptstadt Wien warnt außerdem noch die Schweiz. Alle begründeten ihre Entscheidungen mit den gestiegenen Infektionszahlen.

Dass in den letzten Tagen die Zahlen wieder rückläufig seien, macht Tirols Landeshauptmann Günther Platter Hoffnung: "Unser Ziel bleibt, die Zahlen weiter zu senken", so Platter am Donnerstag. (Birgit Baumann, Jan Michael Marchart, 25.9.2020)