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Sand ist Lava.

Foto: AP

Beginnen wir mit einer guten Nachricht: Rafael Nadal kommt diesmal eine Runde früher.

Von vornherein war klar, dass Dominic Thiem als Nummer drei der Setzliste für einen möglichen Titel bei Roland Garros sowohl Nadal als auch den Weltranglistenersten Novak Djokovic schlagen muss. Freilich vorausgesetzt, die Top-Gesetzten werden ihrer Favoritenrolle in den vorherigen Runden jeweils gerecht.

Thiem erreichte in den vergangenen vier Jahren zumindest das Halbfinale. In den letzten drei Jahren war jeweils der Stier aus Manacor zu stark. Der zwölffache Triumphator von Paris geht auch heuer als Favorit in das Turnier. Um ihn diesmal über drei Gewinnsätze zu besiegen, sollte Thiem im Vollbesitz seiner Kräfte sein.

Das war im Vorjahr nicht der Fall. Da spielte er im Halbfinale gegen Djokovic, die Fünfsatzpartie dauerte über vier Stunden und erstreckte sich witterungsbedingt über zwei Tage. Dass Thiem einem Duell mit dem Serben diesmal aus dem Weg gehen kann, bevor er auf Nadal trifft, ist ein Vorteil. Sollte er den Spanier bezwingen, könnte das Erfolgserlebnis über Djokovic aus dem Vorjahr zum mentalen Vorteil im Finale werden.

Der Weg zum Finale auf dem Papier:

French Open starten knifflig

Doch Thiem muss es natürlich erst einmal bis ins Halbfinale schaffen. Das ist keineswegs selbstverständlich. "Der Weg dorthin ist ein richtig weiter. Es hätte fast nicht schlechter kommen können", sagte Thiem bei einem Medientermin am Freitag.

Bei den US Open spielte er zu Beginn zweimal gegen jemanden außerhalb der Top 100, jetzt wohl gleich zu Beginn gegen zwei Top-40-Spieler. In der ersten Runde bekommt er es mit einem Grand-Slam-Sieger zu tun. Marin Cilic wartet auf den 27-Jährigen, der Sieger der US Open 2014. Der Kroate ist als Nummer 39 der Welt einer der unangenehmsten Gegner, auf die Thiem in der ersten Runde hätte treffen können. Erst vor drei Wochen trafen die beiden in der dritten Runde der US Open aufeinander – und Cilic fügte seinem Gegner dabei immerhin den ersten Satzverlust im Turnier zu. Thiem: "Es gibt fast keinen unangenehmeren Gegner. Er glaubt in jeder Partie an den Sieg."

Dennoch geht der aktuelle US-Open-Sieger als Favorit in das Match. Er gewann alle drei der bisherigen Duelle gegen den Rhythmusbrecher Cilic. Sand ist Cilics schwächster Belag: Er gewann in seiner Karriere darauf bisher 62 Prozent seiner Matches, verglichen mit 65 Prozent auf Hartplätzen und 70 Prozent auf Rasen. Im Gegensatz zu Thiem spielte Cilic ein Vorbereitungsturnier, beim Masters in Rom rasierte er David Goffin (6:2, 6:2), scheiterte dann im Achtelfinale in zwei Sätzen an Casper Ruud.

US Open Tennis Championships

Obacht, Linienrichterinnen und -richter

Wenn Cilic besiegt ist, braucht Thiem viel Geduld. Sein Zweitrundengegner dürfte Reilly Opelka heißen. Der US-Amerikaner startet seine French Open gegen einen Qualifikanten. Kein anderer Top-100-Spieler der ATP ist größer als der 2,11 Meter lange Opelka. Ein anderer, wesentlich wichtigerer Bestwert: Opelka schlug in der Saison 2019 auf Sand im Schnitt fast 13 Asse pro Match, keiner schaffte mehr.

Thiem wird beim Return den gesamten Platz ausnutzen und sich auf lange Sätze einstellen müssen. Im Tiebreak ist er laut Statistik im Vorteil: Er gewann heuer 65 Prozent seiner Tiebreaks (11:6), Opelka nur 45 Prozent (4:5). Mit seinen 23 Jahren gilt Opelka in engen Situationen als ein kleines Nerverl.

Zuerst Langeweile, dann ein Kracher

In der dritten Runde könnte der erste Gesetzte warten, das ist Casper Ruud. Nick Kyrgios hat den Spielstil des 21 Jahre alten Norweger vor einigen Monaten als "langweilig" bezeichnet. Ruud ist ein Sandplatzspezialist, er gewann auf der roten Asche von Buenos Aires im vergangenen Februar sein erstes ATP-Turnier und stand bereits zwei weitere Male in einem Finale. Bei den Thiem's 7 im Juli gewann Thiem gegen Ruud einen Schaukampf in zwei Sätzen, das mag nicht viel heißen. Es wird längere Ballwechsel geben. Das, was Kyrgios als fad bezeichnet, könnte man auch äußerst solide nennen. Thiem dürfte ihm dennoch in jedem denkmöglichen Aspekt zumindest minimal überlegen sein.

Spätestens ab dem Achtelfinale wird es mit Prognosen möglicher Gegner schwer. Denkbar ist ein Aufeinandertreffen mit Felix Auger-Aliassime, den Thiem auf dem Weg zum US-Open-Titel abgekocht hat. Mit Stan Wawrinka oder Andy Murray, die sich in der ersten Runde gegenüberstehen, könnte aber auch ein mehrfacher Grand-Slam-Sieger im Achtelfinale warten.

Vor dem Viertelfinale braucht sich Thiem nicht allzu sehr zu fürchten: Diego Schwartzman, Gael Monfils und Borna Coric sind die wahrscheinlichsten Kandidaten, gegen alle hat Thiem ein teils deutlich positives Head-to-Head. Dann käme Nadal. Und dann Djokovic. Und sowieso gilt: Am Ende kommt's ohnehin ganz anders.

Fazit:

Drei ÖTV-Spieler – und eine Spielerin?

Dennis Novak bekommt es in Runde zwei übrigens vermutlich mit Pierre-Hugues Herbert zu tun. Die schlechte Nachricht: Dafür müsste er zuvor mit Alexander Zverev einen großen Brocken aus dem Turnier nehmen.

Jurij Rodionov schlug auf dem Weg zu seinem ersten Grand-Slam-Hauptfeld Sebastian Ofner. Er wurde am Freitag Jeremy Chardy zugelost.

Bei den Frauen ist erneut Barbara Haas die einzige Hoffnung auf einen Platz im Hauptfeld. Sie muss für ihr erstes Grand-Slam-Hauptfeld abseits der US Open noch im Qualifikationsfinale an Elena Gabriela Ruse (ROU/Nr. 179) vorbei. (Lukas Zahrer, 25.9.2020)