Der Zuschauerraum Mitte September 2020.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Tritt man durch den Eingang des sich momentan noch hinter Bretterwänden versteckenden Volkstheaters, scheint die Vorstellung, hier am 8. Jänner ein fertig saniertes Haus betreten zu können, weit weg. Kabel baumeln von den Decken, Schutzfolien bedecken den Boden, aber Direktor Kay Voges strahlt: "Wir werden dieses Haus mit viel Leidenschaft mit neuer Energie füllen", blickt er wenige Wochen vor der Spielplan-Präsentation Anfang November "fantastisch gestimmt" in die Zukunft.

120 bis 150 Arbeiter tummeln sich im Haus, dessen Fassade bereits in frischem Weiß erstrahlt. Der Plan, Anfang Jänner zu eröffnen, sei trotz Corona aufrecht, wie er bei einem Lokalaugenschein vor Journalisten betont. Das Programm selbst sei derzeit jedoch im Umbruch: Voges, der rund ein Drittel internationale Koproduktionen zeigen wollte, kämpft mit den coronabedingten Reisebeschränkungen und will nun doch vermehrt auf Eigenproduktionen sowie größtmögliche Flexibilität bei sich wöchentlich verändernden Rahmenbedingungen setzen. "Wir müssen auf Sicht fahren", so der Neo-Direktor, der sich wöchentlich vor Ort einen Überblick über den Fortgang der Sanierungsarbeiten verschafft.

Sanierungskosten 1,7 Millionen über Plan

Fix geändert haben sich aufgrund der Verzögerung durch die Coronakrise die geplanten Kosten für die Sanierung, wie die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) auf Nachfrage erklärte: Derzeit liege man um circa 1,7 Millionen Euro über dem Plan von 27 Millionen Euro. Genaueres – wie etwa die Frage, wer die Mehrkosten übernimmt – könne man aber erst nach Ende der Bauarbeiten sagen. Jedenfalls betonte sie, "dass es mir von Anfang an ein großes Anliegen war, dieses Haus im Herzen der Stadt in jeder Hinsicht neu zu positionieren".

Dabei spielt sie nicht nur auf das Ringen um die Finanzierung – der Bund steuert ebenso wie die Stadt 12 Millionen Euro bei – an, sondern auch auf die Suche nach einem Nachfolger für Anna Badora, die das Haus mit Ende vergangener Saison verlassen hat. Anders als etwa bei manchen Häusern in Deutschland habe man "für diese Funktionssanierung, die man überall spüren kann", nicht Hunderte Millionen Euro gebraucht, so Kaup-Hasler mit Verweis auf den 225 Millionen Euro teuren Umbau der Komischen Oper in Berlin.

Hinter den Kulissen habe sie in den vergangenen Monaten darüber hinaus mit dem Volkstheater, dem Theater in der Josefstadt und dem Theater der Jugend auch über die Schaffung eines neuen Kollektivvertrags gesprochen. Zwar sei man durch mangelnde Besprechungsmöglichkeiten während der Coronakrise noch nicht am Ende der Verhandlungen, Kaup-Hasler zeigte sich aber zuversichtlich, bald zu einer Einigung auf eine dem zeitgenössischen Theaterbetrieb entsprechenden Lösung zu kommen. In ein paar Wochen will Voges verraten, wie seine Vision für das frisch sanierte Haus aussieht.

Bund engagiert sich stärker im Aufsichstrat

Neu erstrahlt ab Jänner nicht nur das Volkstheater selbst, sondern auch ein großer Teil des Aufsichtsrats sowie der Volkstheater-Privatstiftung. Wie Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) am Freitag bekannt gaben, wurden zahlreiche neue Mitglieder bestellt, der Bund übernimmt künftig eine stärkere Rolle.

In Zukunft werden insgesamt drei Positionen im Beirat, drei Positionen im Aufsichtsrat und eine Position im Stiftungsvorstand des Volkstheaters direkt bzw. auf Vorschlag des Bundes besetzt. Hintergrund der nunmehrigen Änderungen war eine Unklarheit rund um die Eigentümerschaft des Volkstheaters und um die Findung einer neuen Leitung im Jahr 2019. Nicht die Stadt Wien, sondern der ÖGB sei Eigentümer des Theaters, sagte die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) damals anlässlich der Ankündigung, dass eine Jury aus Experten und Eigentümervertretern für die Findung zuständig sei. Der als vermeintlicher Eigentümer des Volkstheaters zu mehr finanziellem Engagement aufgeforderte ÖGB stellte jedoch klar, dass der Gewerkschaftsbund mit Gründung der Volkstheater-Privatstiftung 1999 die Eigentümerschaft abgegeben habe. Jene sechs vom ÖGB in den zwölfköpfigen Beirat der Volkstheater Privatstiftung entsandten Mitglieder, die laut ÖGB "eigenverantwortlich" handelten, werden nun abbestellt, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian setzte sich für den Transformationsprozess ein.

Neue Namen

Im Vorstand wird Roland Geyer, der derzeitige Intendant des Theaters an der Wien, den Posten des Vorsitzenden von Gerhard Schuessler mit 1. Oktober übernehmen, Theresia Niedermüller wird seitens des Bundes neu entsandt. Mit Anne Wiederhold-Daryanavard (Mitgründerin und Künstlerische Leiterin der Brunnenpassage), der Schauspielerin Mercedes Echerer und Gerald Gröchenig (Geschäftsführer "Europäische Theaternacht") finden sich drei neue Namen im Beirat, der insgesamt verkleinert werden soll. Neu im Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Andreas Meinhold sind – vom Bund entsandt – Brigitte Winkler-Komar, Lia Metchev-Herbst und Ex-Burgtheater-Geschäftsführer Thomas Königstorfer.

"Ich freue mich, dass wir vonseiten des Bundes die Möglichkeit bekommen, beim Volkstheater als einer der wichtigsten Theaterbühnen des Landes, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir nehmen diese Verantwortung gerne wahr", sagt Kunst- und Kulturstaatssekretärin Mayer. "Die finanzielle Grundausstattung des Volkstheaters hat für mich auch in den anstehenden Budgetverhandlungen Priorität." Auch Kulturstadträtin Kaup-Hasler zeigt sich erfreut: "Dass der Bund nun gemeinsam mit der Stadt Wien die wichtigsten Gremien des Volkstheaters bestimmt, ist nicht nur das erfreuliche Resultat vieler Gespräche, sondern spiegelt die eigentliche Realität sowie die Verantwortung der beiden maßgeblichen Fördergeber des Hauses." In den kommenden Monaten steht in Zusammenarbeit sämtlicher Stakeholder auch eine Überarbeitung der Stiftungsurkunde der Volkstheater-Privatstiftung bevor, die den Zweck haben soll, die Realverfassung des Theaters besser abzubilden. (APA, 25.9.2020)