Wenn diese Woche im Kunstforum Wien die Ausstellung Gerhard Richter: Landschaft (bis 14. Februar 2021) eröffnet, dann geht für die hauseigene Kuratorin Lisa Ortner-Kreil auch ein jahrelanges Wunschprojekt ins Finale.

Immer wieder war es in die Warteschleife gerutscht, erzählt sie, 2017 wurde es konkreter, 2018 legte sie gemeinsam mit Hubertus Butin, der in den 1990er-Jahren als Kunsthistoriker im Atelier des Künstlers tätig war, und in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich los.

Als erste Station wurde damals Wien und als Termin Herbst 2020 fixiert, im Frühjahr 2021 soll die Ausstellung dann in Zürich zu sehen sein (ab 26. März 2021). Dann kam die Pandemie samt internationalen Lockdownverordnungen, die den internationalen Ausstellungskalender durcheinanderwürfelten. Hinzu kamen logistische Probleme im internationalen Leihverkehr, Ausfälle für Luftfracht, langwierige Landtransporte und wechselnde Quarantänebestimmungen für begleitende Kuriere.

"Eis" (1981) aus der Sammlung Ruth McLaughin (Monaco) wird nur in Wien gastieren. Zuletzt wurde das Gemälde 2012 für 5,13 Millionen Euro bei Sotheby’s in London versteigert.
Gerhard Richter, 2020

Zwischendurch stand eine Verschiebung um ein Jahr im Raum, im Juni entschied man sich endgültig zur planmäßigen Durchführung. Realisierbar, da der Löwenanteil der Leihgaben aus Mitteleuropa komme, betont Ortner-Kreis. Am Ende musste man nur auf zwei ursprünglich vorgesehene Werke aus dem Museum of Modern Art (New York) verzichten, die aber vielleicht in Zürich zu sehen sein werden.

Für Wien fand man adäquaten Ersatz, auch für Richters Wiese aus dem Jahr 1983, das bereits ein Mal im Kunstforum gastierte: von Oktober 2009 bis Jänner 2010, als die Unicredit Highlights aus ihrer Konzernsammlung präsentierte. Über Fusionen im Laufe der Jahre gehört zu Letzterer auch jene der Hypovereinsbank (München).

Berechnungsformel

Auf Anordnung der Konzernmutter wurden im Herbst vergangenen Jahres einige Kunstwerke via Christie’s London versilbert, darunter vier Gemälde Gerhard Richters: Das Gemälde Wiese wechselte für 3,78 Millionen Euro den Besitzer. Von einem Rekord war dieser Wert zwar weit entfernt, jedoch gemessen am einstigen Kaufpreis mehr als stattlich: Mitte der 1980er-Jahre waren solche Bilder noch für unter 15.000 Euro zu haben.

Der sogenannte Richter-Faktor lag damals bei etwa 150 DM oder 77 Euro. Er geht auf ein Dokument zurück, das im Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels in Köln verwahrt wird: Konkret handelt es sich dabei um einen Vertrag, den Gerhard Richter 1967 mit seinem damaligen Galeristen Heiner Friedrich schloss und der eine Berechnung für die Preisgestaltung inkludierte: "Bruttowert gleich Verkaufspreis eines Bildes ergibt sich aus folgender Formel: Höhe + Breite mal zehn = DM".

Richtig teuer wurden Richters Arbeiten ab den 1990ern, wobei die Preisentwicklung in seinem Fall über einen längeren Zeitraum eine solide im Sinne einer sukzessive steigenden war. Eine erste wesentliche Zäsur bescherte jedoch die erste Retrospektive 40 years of painting in den USA (2002/2003, u. a. Museum of Modern Art, New York), die die weltweite Nachfrage an seinen Arbeiten befeuerte.

Leihgabe von Heidi Horten

Als beispielhaftes Dokument der Marktentwicklung seit Mitte der 1990er eignet sich das aus vier Panelen bestehende, einem Altar gleichendes Werk Wolken (Fenster) aus dem Jahr 1970: Karl-Heinz Essl ersteigerte es 1997 bei Christie’s für 488.300 Euro. 2014 gehörte es zu jenen Werken, die man zur teilweisen Refinanzierung eines von Hans-Peter Haselsteiner gewährten Überbrückungskredites zur "Rettung" der Sammlung opfern musste.

Für 7,94 Millionen Euro wanderte es damals via Christie’s London in eine US-amerikanische Privatsammlung. Aus dieser gelangte es Ende Juli bei Sotheby’s zur Versteigerung und wechselte nun für 11,53 Millionen Euro den Besitzer. Ein Potenzial, das – zumindest theoretisch – eine Vielzahl von Werken eint, die als Leihgaben aus Privatsammlungen im Kunstforum gastieren.

Dazu gehören mit Sternbild (1969) und Venedig (1986) zwei Gemälde aus der Kollektion des im Juli 2019 verstorbenen Sammlers Frieder Burda. Der hatte sie einst – in Bausch und Bogen mit acht weiteren "Richters" – für 1,75 Millionen DM oder knapp 895.000 Euro von Helge Achenbach erworben, wie der einstige Kunstberater in seinen Memoiren verriet (Selbstzerstörung, Riva-Verlag, 2019).

Eine weitere Leihgabe steuerte Milliardärin Heidi Horten bei. Sie nennt zumindest vier Werke des deutschen Künstlers ihr Eigen, die 2018 im Leopold-Museum gastierten. Darunter Schneelandschaft (verwischt) von 1966, ihr allererster Richter, den sie im November 1996 für gerade mal 244.500 Dollar ersteigerte. Mittlerweile ist dieses Werk ein Vermögen wert. Ein Aspekt, der sich auch im Versicherungswert der mit mehr als 130 Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotoarbeiten Künstlerbüchern und Objekten bestückten Ausstellung spiegelt: Er beläuft sich auf stattliche 400 Millionen Euro.

Der Künstler selbst hadert etwas mit der Preisentwicklung, obwohl sie auch seine Einnahmen mehrt – sei es über steigende Galeriepreise oder auch die im Kunsthandel in Europa über die Folgerechtrichtlinie anfallenden Tantiemen: zumindest vier Prozent, maximal 12.500 Euro je Besitzerwechsel.

Edition für Wien und Zürich

Der vorläufige Rekordwert (siehe Tabelle) liegt bei knapp 41 Millionen Euro, die 2015 für eines seiner abstrakten Bilder bezahlt wurde. Solche Summen hätten etwas Schockierendes, erklärte er damals in einem Interview mit der Zeit. Domplatz, Mailand (1968), mit dem 29 Millionen erzielt wurden, hält er für völlig überbezahlt: "Das Bild finde ich nicht so doll, auch wenn es mich zu vielen weiteren Städtebildern angeregt hat."

"Blattecke" titelt die anlässlich der Ausstellung aufgelegte Edition von jeweils 30 Stück für Wien und Zürich, die in den Museumsshops erhältlich sein wird. Kostenpunkt 4500 Euro (ungerahmt).
Foto: Alistair Fuller, 2020

Der Richter-Hype spült zeitgleich Werke aus seinen Anfangsjahren an die Oberfläche, die er lieber aus dem Verkehr gezogen wüsste. Es seien "zeittypische studentische Arbeiten", jedoch keine "Marktware", sie hätten keinen künstlerischen, sondern nur dokumentarischen Wert. In seinem Werkverzeichnis kommen in den 1960er-Jahren geschaffene Arbeiten aus der Vorzeit seiner figürlich-realistischen Phase deshalb nicht vor. Diese Form der rückwirkenden Entziehung der Anerkennung stieß durchaus auf Kritik. Den 88-jährigen Künstler tangiert derlei nicht.

Die aktuell anberaumte Ausstellung wird übrigens von einer Besonderheit begleitet: Blattecke titelt die Druckgrafik, die in einer Edition von 30 Stück – jeweils für Wien und Zürich – aufgelegt wird. Sie basiert auf einem der zehn Ölgemälde mit dem Titel Umgeschlagene Blätter (1965) und deren charakteristischem Trompe-l’œil-Effekt: erhältlich im Shop des Kunstforums, das am Verkaufspreis von 4500 Euro beteiligt wird. (Olga Kronsteiner, 28.9.2020)