Mieterinnen und Mieter in Berlin haben es derzeit gar nicht leicht. Grund dafür ist der Berliner Mietendeckel, der nach jahrelangen Diskussionen über die stark steigenden Mietpreise in der deutschen Hauptstadt im vergangenen Februar in Kraft gesetzt wurde. Er sollte nun dafür sorgen, dass die Mieten sinken.

In aktuellen Wohnungsinseraten in Berlin und sogar in den Mietverträgen, die derzeit abgeschlossen werden, stehen nun allerdings zwei Mietpreise, und sie unterscheiden sich in der Höhe bisweilen gravierend. Einmal wird nämlich die höchstzulässige Kaltmiete gemäß Mietendeckel vorgeschrieben – und einmal eine sogenannte "Schattenmiete". Sie gilt dann, wenn das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Berliner Mietendeckel aufheben sollte.

Dann könnte es zu empfindlichen Nachzahlungen für Mieter kommen, denn in den meisten Verträgen steht, dass dann auch rückwirkend die Marktmiete zu zahlen ist. Für Wohnungssuchende ist die Situation deshalb äußerst schwierig. Unterschreiben sie derzeit einen Vertrag für eine passende, günstige Wohnung, riskieren sie, dass die Miete um 50 bis 100 Prozent ansteigt, wenn der Deckel fällt.

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In der Karl-Marx-Allee ist die Stadt Berlin selbst Vermieterin, hier kaufte sie 670 Wohnungen zurück.
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Mieterschützer empfehlen deshalb, das ersparte Geld für etwaige Rückforderungen auf die Seite zu legen. Sogar die im August wegen falsch abgerechneter Bezüge zurückgetretene Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), zuvor federführend an der Einführung des Mietendeckels beteiligt, musste dies empfehlen, und auch Lompschers Nachfolger Sebastian Scheel (Linke) tut dies, aus Mangel an Rechtssicherheit. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts rechnet er erst im zweiten Quartal 2021.

Strikte Obergrenzen

In Kraft ist der Mietendeckel seit 23. Februar. Seither gelten bei Neuvermietungen (ausgenommen sind Neubauwohnungen, die ab 2014 bezugsfertig wurden) Obergrenzen der Nettokaltmieten, die in einer Mietentabelle festgelegt sind, abhängig von Alter und Ausstattung einer Wohnung. Beispielsweise darf eine Wohnung in einem vor 1918 errichteten Haus ohne Sammelheizung und ohne Bad nur noch 3,92 Euro pro Quadratmeter an Hauptmiete kosten.

Selbst mit Sammelheizung und Bad darf in ganz Berlin eine vor 1918 errichtete Wohneinheit nun nur noch 6,45 Euro pro Quadratmeter kosten. Zum Vergleich:_In Wien gilt zwar bei Altbauwohnungen generell der Richtwert von momentan 5,81 Euro je Quadratmeter; neben diversen Zuschlägen für die Ausstattung kommt hier je nach Bezirk bzw. Lage aber auch noch der Lagezuschlag dazu, und der liegt im ersten Bezirk derzeit schon bei 12,21 Euro, in den meisten Gegenden rund um die Innenstadt immerhin auch bei 4,62 Euro.

Der damit gesetzlich erlaubten maximalen Nettomiete von rund 18 Euro in der Wiener City kommt man nun in ganz Berlin nicht einmal mehr nahe: Der höchste maximal erlaubte Richtwert an der Spree liegt bei 9,80 Euro und gilt für Wohnungen mit Erstbezug zwischen 2003 und 2013 mit Sammelheizung und mit Bad. Ein Aufschlag von einem Euro ist dann noch bei Vorliegen einer "modernen Ausstattung" möglich, wobei dies so definiert wird, dass mindestens drei dieser fünf Merkmale vorhanden sein müssen: ein schwellenlos erreichbarer Personenaufzug, eine Einbauküche, eine hochwertige Sanitärausstattung, ein hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume und ein Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/m²/Jahr.

Die genannten Miethöhen gelten für Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen;_für Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern erhöhen sich die Obergrenzen nochmals um zehn Prozent.

Auch Bestandsmieten sinken

Und ab 23. November sollen Mieter dann auch überhöhte Bestandsmieten senken können. Wobei eine Miete dann als überhöht betrachtet wird, wenn die jeweils gültige Obergrenze um mehr als 20 Prozent überschritten wird. Doch auch hier gilt natürlich: Über allem schwebt das Damoklesschwert der Aufhebung durch die Verfassungsrichter.

"Wir hoffen, dass es in nicht allzu ferner Zukunft eine Entscheidung gibt", sagt der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten. Doch die rechtlichen Unklarheiten sind groß.

An einer anderen Front herrscht, wie berichtet, mehr Klarheit: Das Bestellerprinzip ist in Deutschland kaum mehr der Rede wert. Anders als von Siebenkotten vor zwei Wochen im STANDARD-Interview gemutmaßt, ist nun aber offenbar doch eine Evaluierung seitens der Politik geplant – das teilt Christian Osthus, stellvertretender Geschäftsführer des deutschen Immobilienverbands IVD, dem STANDARD mit. Das deutsche Justizministerium will sie bis zum Frühjahr abgeschlossen haben. (Martin Putschögl, 27.9.2020)