Die Wissenschaft forscht unermüdlich an Impfstoffen und Medikamenten gegen das Corona-Virus. Hie und da wird ein Erfolg avisiert, immer öfter kommt aber die ernüchternde Feststellung, dass es so schnell nicht gehen wird mit einer Vakzine gegen den viralen Partycrasher der 20-er Jahre. Die deutschen Homöopathen gehen derweil mit ihren Eseln auf das Eis tanzen. Der Zentralverein der homöopathischen Ärzte Deutschlands (DZVhÄ) motiviert homöopathische Ärzte dazu, per Fragebogen die Behandlungsergebnisse homöopathischer Medikation an Corona-Erkrankten zu dokumentieren. 

Der homöopathische Ärzteverband argumentiert so: "Gerade vor dem Hintergrund aktuell wieder zunehmender Covid-19 Infektionen können wir mit diesem Projekt anhand gut dokumentierter und damit auch wissenschaftlich auswertbarer Fälle herausfinden, wozu die Homöopathie bei Covid-19 und darüber hinaus wohl auch bei anderen epidemischen viralen Infektionen in der Lage sein kann."

Der DZVhÄ ruft zur Dokumentation homöopathischen Corona-Behandlungen auf.
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Auch wenn es mühsam ist, muss daran erinnert werden: Homöopathika wirken nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Das gilt bei Schnupfen, bei Fraisen, jedem erdenklichen Zipperlein und auch bei Corona. Der Pharmakonzern Hevert wollte die Aussage zur Wirkungslosigkeit von Homöopathika mit einer Klage gegen Homöopathiekritiker unterbinden, ging damit aber baden. 

Es hilft nichts, aber es muss wiederholt werden: Es hilft nicht

Mit anderen Worten: Ärzte, die ihren Patienten Homöopathika gegen Corona verabreichen, könnten ihren Patienten auch raten: Seifenblasen in die Waschmaschine zu pusten oder Tuben mit Weißwurstsenf an knorrige Apfelbäume zu nageln. Das würde nicht mehr und nicht weniger helfen als die Placebo-Kügelchen aus der Apotheke. Es wäre für die Patienten lediglich ein klein wenig billiger. 

Leider gibt es - entgegen der Beteuerungen der Homöopathen - sehr wohl Nebenwirkungen, wenn ernste Krankheiten mit Homöopathie behandelt werden: Eine echte Behandlung - auch wenn sie nur symptomlindernd ist - kann dadurch verschleppt werden. Patienten können sich in falscher Sicherheit wiegen. Eine homöopathische Medikation für Corona-Erkrankte ist - das aber nur im besten Fall - keine Medikation.  

Riß in der deutschen homöopathischen Szene

Der aktuelle Vorstoß des Verbands der deutschen homöopathischen Ärzte deutet auch auf einen tiefen Riss in der medizinischen Voodoo-Szene hin. Im März dieses Jahres hatte sich der Verband überraschend klar auf die Seite der evidenzbasierten Medizin geschlagen. Er stellte sich ostentativ hinter die Empfehlungen des Robert-Koch-Insitituts und mahnt seine Mitglieder "hinsichtlich jeder Art von homöopathischen Vorsorge- oder Therapie-Empfehlungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus“ zurückhaltend zu sein. Diese Empfehlung kam nicht gut an bei jenen Ärzten, die als homöopathische Hardliner den Tanz rund ums magische Lagerfeuer anzuführen pflegen.

Welche bizarren Blüten das homöopathische Selbstbewusstsein treiben kann, zeigt ein Beitrag des deutschen PR-Beraters Christian J. Becker. Er gibt mit seinem Homöopathie-Watchblog den Mann fürs Grobe im Zuckerkugel-Lobbyismus. Er macht seit Monaten Stimmung für homöopathische Corona-Behandlungen. In einem Beitrag behauptet er ernsthaft, dass die Homöopathie schon bei Cholera-Epidemien im 19. Jahrhundert 92 Prozent der Erkrankten geheilt hätte. Auch bei der spanischen Grippe hätte die Homöopathie wundersame Erfolge gefeiert. Nur ein Prozent der in Krankenhäusern homöopathisch behandelten Kranken sei verstorben. Bei den konventionell Behandelten wären es 30 Prozent gewesen.

Die Aktion der deutschen Homöopathen sorgt in Skeptikerkreisen bereits für erheblichen Widerstand. Die Ärztin und Autorin Natalie Grams nennt die Dinge beim Namen: Heilpraktiker, Anthroposophen und Homöopathen werden mit ihren Einzelfallberichten zur Heilung von Corona-Kranken zu einer allgemeinen Gefahr. (Christian Kreil, 28.9.2020)

Hinweis: Die Stiftung Gurutest sucht für das Buchprojekt "Fauler Zauber" (Arbeitstitel) Fallbeispiele für "alternativmedizinische" Fehlbehandlungen und zu deren Folgen: Fälle, in denen echte Therapien verzögert oder verweigert wurden zu Gunsten von Humbug und Scharlatanerie. Selbstverständlich können sich sowohl Informanten als auch Opfer auf 100-prozentige Diskretion verlassen. Kontakt unter: gurutest@klartext-kreil.at

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