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Beim Gratis-Impfprogramm der Stadt Wien gab es bislang 35.500 Anmeldungen, 400.000 Dosen stehen insgesamt zur Verfügung.

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Wartelisten in den Apotheken, Hausärztinnen und Hausärzte, die bislang nicht wissen, ob sie heuer einen Grippeimpfstoff bekommen – die Berichte dazu häufen sich. Denn anders als sonst, warten die Menschen heuer ungeduldig auf den Grippeimpfstoff. Sie wollen etwas tun in dieser Pandemie, sich zumindest vor der Influenza schützen.

Allerdings ist es jetzt noch nicht sinnvoll, sich schon impfen zu lassen, weiß der Infektiologe Herwig Kollaritsch. Die beste Zeit dafür sei Ende Oktober bis Mitte November, denn der Impfschutz dauert meist rund sechs Monate an – in den ersten drei ist er optimal und nimmt danach langsam ab. Bei älteren Menschen oder jenen mit einem eingeschränkten Immunsystem passiert das noch schneller. Hochsaison der Influenza ist aber meist erst im Februar.

50.000 Dosen übrig

1,25 Millionen Dosen Grippeimpfstoff stehen in Österreich in diesem Jahr insgesamt zur Verfügung. Im Vorjahr waren es 775.000, von denen 50.000 gar nicht verimpft wurden, weiß Wolfgang Müller von der Apothekerkammer. "Wir müssen uns selbst bei der Nase nehmen, wir waren in den letzten Jahren Impfmuffel", sagt Infektiologe Kollaritsch. Die Menge des Grippeimpfstoffs wird nach dem Verbrauch in der letzten Saison berechnet. Zwar wurden nach Beginn der Pandemie die Kontingente etwas aufgestockt, "aber das geht nicht endlos", so Kollaritsch.

Ein Großteil der Impfdosen wird im Zuge von Impfprogrammen verabreicht, etwa vom Gesundheitsministerium für Menschen über 65 oder mit Vorerkrankungen, bei denen eine Infektion mit der Grippe besonders schwer verlaufen kann. Heuer wurde die Influenza-Impfung auch erstmals ins kostenlose Kinderimpfprogramm aufgenommen. Ein sehr wichtiger Schritt, wie Kollaritsch bestätigt. Denn von der Grippe wisse man sicher, dass Kinder eine zentrale Rolle bei der Weiterverbreitung der Infektion spielen. Jener Impfstoff, der Kindern nasal verabreicht wird, ist ab Mitte November verfügbar. Jener, der Kindern ab sechs Monaten geimpft werden kann, ab Mitte Oktober.

Für alle Wienerinnen und Wiener gibt es heuer eine Gratis-Impfaktion, an der sich auch zahlreiche niedergelassene Ärztinnen und Ärzte beteiligen. Insgesamt stehen hier 400.000 Dosen zur Verfügung. Für die Impfung in den Impfzentren der Stadt, der österreichischen Gesundheitskasse sowie der eigens dafür eingerichteten Impf-Bim können unter https://impfservice.wien/ Termine gebucht werden.

Ausreichend Termine

Bis 25. September gab es laut Michael Ambros von der MA 15 rund 35.500 Anmeldungen. Auch für November sind mittlerweile Termine freigeschaltet. Während die Impf-Bim, die an unterschiedlichen Stationen in Wien halt macht, bereits ausgebucht ist, gibt es in den verschiedenen Impfzentren noch ausreichend Termine, etwa auch für Mitte Oktober. Rund 3.000 Menschen können hier täglich geimpft werden, so Ambros. Dazu kommen noch Krankenhäuser, Pflegeheime und die Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich, die ihre Impftermine selbst organisieren.

In Arztpraxen werden heuer separate Impftermine vergeben, sodass nur gesunde Menschen in der Ordination anwesend sind und die Abwicklung schneller erfolgen kann, so Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer und selbst Kinderarzt.

Für gesunde, junge Menschen sei die Influenza meist keine große Gefahr, dennoch schützen sie ihr Umfeld, wenn sie sich impfen lassen. Auch der Job spielt eine Rolle. Wer beruflich mit vielen Menschen zu tun hat, sollte sich jedenfalls impfen lassen, ebenso wie Menschen in Gesundheitsberufen.

Mehrere Wartelisten

Ob der Impfstoff ausgehen wird, dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Bei der Stadt Wien geht man nicht davon aus, dass die Nachfrage höher sein wird als die verfügbaren Dosen. Werden alle 400.000 Dosen verabreicht, wäre das für Wien fast eine Verdreifachung der Impfrate – sie lag bisher bei rund acht Prozent –, und das sei wirklich äußerst ambitioniert, heißt es. Das bestätigt auch Schmitzberger: Der bestellte Impfstoff werde reichen, "wenn wir die Impfrate verdoppeln, ist das schon sehr gut".

Zwar ist momentan die Nachfrage groß, "aber wenn es dann ab Oktober wirklich so weit ist, sich impfen zu lassen, wird die Bereitschaft wieder sinken", glaubt Schmitzberger. Auch in den Apotheken gibt es die Vermutung, dass viele Privatpersonen sowie Firmen gleichzeitig auf mehreren Wartelisten stehen, um sicher zum Zug zu kommen. Auch hier könnten dann Kontingente frei werden. Es bliebe abzuwarten, wer dann tatsächlich seinen Impfstoff abholen kommt.

Alle, die nicht an einer kostenlosen Impfaktion teilnehmen, können – wie bisher auch – Impfstoffe in den Apotheken erwerben. Auch die niedergelassenen Ärzte bestellen dort. Ab Mitte Oktober werden die Apotheken mit den Impfstoffen beliefert, rund 400.000 Dosen habe man insgesamt bestellt, so Müller von der Apothekerkammer. Einen Überblick darüber, wie viele Vorbestellungen insgesamt in den Apotheken schon gemacht wurden, gibt es nicht. Daher ist unklar, ob die bestellte Menge reichen wird. Derzeit kann niemand mit Sicherheit sagen, ob es in der heurigen Saison genügend Grippeimpfstoff geben wird.

Schwache Saison

Wie stark die Influenza-Saison in Europa wird, kann jährlich anhand der Entwicklungen auf der Südhalbkugel grob vorausgesagt werden, denn dort ist im Sommer Winter und damit Hochsaison für Grippeviren – einige Monate später kommen sie dann von dort nach Europa. In der Saison 2019/20, also noch vor der Corona-Pandemie, erkrankten 300.000 Personen in Österreich an Influenza, es gab über 1.000 Todesfälle.

Heuer war in Australien eine sehr schwache Grippewelle zu beobachten. Während 2019 zwischen Jänner und Juni 430 Menschen an den Folgen der Grippe starben, waren es in diesem Jahr gerade einmal 36. Vermutlich sind die erhöhten Hygiene- und Abstandsregeln ein Grund dafür. "Wenn wir die Corona-Schutzmaßnahmen den ganzen Winter über weiter beibehalten, werden auch wir die Übertragung der Influenza signifikant reduzieren können", sagt Infektiologe Kollaritsch.

Einige dieser Maßnahmen wären ohnehin jeden Winter ratsam. Expertinnen und Experten empfehlen seit jeher, in der Grippesaison Abstand zu halten und regelmäßig Hände zu waschen: "Wir haben das immer gepredigt, aber niemand hat sich daran gehalten", sagt Kollaritsch und hofft, dass es gelingt, die Kultur des Social Distancing und des Maskentragens "ein bisschen zu pflegen und sie zu automatisieren" – schließlich gibt es in der kalten Jahreszeit auch noch viele andere Viren. (Bernadette Redl, 28.9.2020)