Gabriele Gottwald-Nathaniel (Anton-Proksch-Institut und Garbarage) diskutierten mit Barbara Inmann (Impact Hub), Karin Bauer, Michael Meyer und Petra Ott (Molemental) über die Herausforderungen von Social Enterprises beim Workshopwochenende des Get Active Social Business Award (GASBA) von Coca-Cola, Wirtschaftsuni und dem STANDARD, dotiert mit über 90.000 Euro.

Ben Doro Dad

Eine Krise ist zuallererst eine Krise und keine Chance, gerade für Sozialunternehmen. Diese sind durch Covid-19 mehrfach betroffen: Sie arbeiten mit vulnerablen Zielgruppen – Alten und Kranken, Ausgeschlossenen und Vergessenen – und mussten daher ihre Tätigkeiten besonders einschränken. Sie sind oft in Gastronomie, Tourismus, Handel und bei Veranstaltungen tätig und daher besonders von Schließungen betroffen. Sie sind auf Sponsoring von Unternehmen und Zuwendungen von Philanthropen angewiesen, die in der Krise vorzugsweise die österreichische Standardantwort gaben: "Schau ma mal, dann sehen wir schon." Unterstützungszusagen wurden so auf den Sankt-Nimmerleins-Tag aufgeschoben. Sozialunternehmen können keine großen Fundraisingkampagnen mit ORF-Unterstützung starten, obwohl so manche kleine Kraut-Funding-Kampagne charmanter ist als das peinliche "Österreich hilft Österreich".

Von den NPO-spezifischen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung konnten nur jene Sozialunternehmen profitieren, die entweder steuerrechtlich gemeinnützig oder im Eigentum einer gemeinnützigen Organisation sind. Erstere sind wegen des engstirnigen österreichischen Gemeinnützigkeitsrechts selten, Letztere haben potente Eigentümer wie die Caritas oder die Volkshilfe und waren nie wirklich notleidend. Tausende kleine unabhängige Sozialunternehmen bekommen aus dem NPO-Topf nichts.

Man mag zynisch einwenden: Sie wollten ja unbedingt Unternehmer sein und nicht Gemeinnutz-Vereinsmeier, Genossenschafter oder Aktivisten, also dürfen sie sich nicht beklagen, dass sie jetzt das volle Risiko tragen müssen wie jeder x-beliebige Nachtklubbesitzer. Mögen sie sich doch einreihen in die Warteschlange der Insolvenzanwärter und der Hilfsmaßnahmen für "normale" Unternehmen.

Weniger Kurzarbeit bei Sozialunternehmen

Die Arbeit von Sozialunternehmen hat freilich besonderen Nutzen für das Gemeinwohl, sei es durch die Beschäftigung und Inklusion von benachteiligten Gruppen, sei es durch die Herstellung und den Vertrieb sozial und ökologisch besonders wertvoller Produkte und Dienstleistungen. Die Sozialwirtschaft in ihrer Gesamtheit erweist sich in der Krise als stabiler wirtschaftlicher Faktor: Kurzarbeit nahmen nur 45 Prozent der Arbeitgeber der Sozialwirtschaft in Anspruch, in der Wirtschaft waren es 65 Prozent. Kündigungen gab es in der Sozialwirtschaft kaum. Durch Covid-19 geht den Sozialunternehmen die Arbeit nicht aus.

Das alles könnte man wissen. Dass es nur wenige wissen, hat mit der oligopolistischen Struktur der Sozialwirtschaft, ihrer Verhaberung mit der Politik und der Schwäche sozialunternehmerischer Interessenvertretung zu tun. Letzteres darf man einem jungen Feld nicht vorwerfen. Diese wohlwollend-paternalistische Ignoranz gegenüber Neuem und Abweichenden ist jedoch endemisch in Österreich. So demonstrierte jüngst das Bundesministerium für Arbeit bei seiner Entscheidung, der Europäischen Kommission ein Konsortium für ein EU-finanziertes nationales Kompetenzzentrum für soziale Innovation zu empfehlen, eine profunde Missachtung sämtlicher relevanten und engagierten Kräfte in Österreich.

Kennzeichnung zum Nutzen

Wenn nun aber die Krise doch eine Chance ist? Sozialunternehmen müssen bekannter werden, und zwar über den STANDARD hinaus. Sozialunternehmer müssen sich solidarisieren und organisieren, und zwar trotz der Wettbewerbslogik, die Teil ihrer DNA ist. Sozialunternehmen brauchen keine eigene Rechtsform in Österreich. Im Unterschied zum UK und den USA gibt es bei uns im Gesellschaftsrecht keine Verpflichtung, ausschließlich den kurzfristigen Eigentümerinteressen zu dienen. Aber es braucht eine Kennzeichnung zum Nutzen von Investoren, Kunden, Partnern und dem Staat. Das kann eine anerkannte Zertifizierung sein. In einem ersten Schritt jedoch könnten, wie Impact-Investor Alexander Ertler vorschlägt, ein paar simple Zeichen gesetzt werden: Eine "Impact First"-Präambel im Gesellschaftsvertrag und eine formale Governance-Struktur, die anders als in Kapitalgesellschaften eine breitere Mitwirkung von Kunden, Investoren, Mitarbeitern und anderen Nutznießern zulässt. Dann wäre klargestellt, wodurch sich die Vollpension vom Café Landtmann unterscheidet. (Michael Meyer, 28.9.2020)