Mich hat sofort die Uschi angerufen und gefragt, was sie der Bild sagen soll." Otto Retzer sitzt vor dem Schlosshotel in Velden, die Vormittagssonne spiegelt sich im Wörthersee und in der Glatze des 75-Jährigen. "Die Uschi", das ist Uschi Glas. Der Anruf kam in der Woche zuvor und hatte etwas mit dem leeren Sockel zu tun, der knapp zehn Meter von Retzer entfernt zwischen Hotel und See steht. Der Sockel war nicht immer leer. Bis vor ein paar Tagen stand hier noch eine Büste von Roy Black. Sie wurde gestohlen, und das nicht zum ersten Mal.

Am 13. September hatte Velden etwas zu feiern: Das 30-Jahr-Jubiläum der Serie Ein Schloss am Wörthersee und den 75. Geburtstag von Retzer, einem der Darsteller und Regisseure. Die Bande kam noch einmal zusammen: Ottfried Fischer, Uschi Glas, Karl Spiehs, alle waren sie da. Im Zuge das Festes wurde die mittlerweile dritte Büste von Gerhard Höllerich aka Roy Black enthüllt. Sie verblieb fünf Tage an ihrem Ort, bis sie vergangenen Freitag von zwei Betrunkenen mit Gewalt abgelöst und mitgenommen wurde. "Eine Sauerei", sagt Retzer. "Demjenigen sollen die Finger abfaulen", posten die Fans auf der Facebook-Seite der Stadt Velden.

Vor einer Woche wurde er geklaut, der Kopf von Schlagerstar Roy Black. Oder besser: die Büste von Roy Black. Jetzt ist er back, der Black. Ein Glück!
Foto: Ferdinand Neumueller

Sich mit Retzer an einem öffentlichen Ort in Velden zu unterhalten ist ein Erlebnis. Man kommt kaum zum Reden: Alle drei Minuten grüßt jemand laut über die Straße hinweg, Menschen überbringen verspätete Geburtstagsgeschenke und Grüße von jemandem, den sie "auf den Seychellen" oder "im Golfklub" getroffen haben. Retzer ist ein Original, wie man so gerne sagt, ein Botschafter des Wörthersees. Und wahrscheinlich auch ein Relikt einer Zeit, die es so nicht mehr gibt. Wie die Büste von Roy Black eben auch.

In den 70ern und 80ern waren die "Wörthersee-Filme" im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich: Filme wie Die Supernasen oder Wenn die tollen Tanten kommen, von Klamauk bis Soft-Erotik, produziert von der Firma Lisa Film und dem Produzenten Spiehs.

Retzer war an zahlreichen dieser Filme beteiligt. Auch an der Serie Ein Schloss am Wörthersee, mit der das Schloss Velden und die Marke "Wörthersee" Anfang der 90er auch in Deutschland bekannt wurde. Schlagerstar Roy Black verkörperte darin Lennie Berger, der das Schlosshotel in Velden erbt und sich durch zahlreiche Schwierigkeiten und einfache Handlungsstränge kämpfen muss. Die Serie hatte furchtbare Kritiken ("Lieber ins Gefängnis als mit Roy Black an den Wörthersee", titelte die Bild), sehr hohe Quoten und Gastauftritte von Udo Jürgens bis Jörg Haider.

"Ich werd’ nie vergessen, wie wir die Serie im Casino Velden vorgestellt haben", erzählt Retzer. Ein Journalist habe reingerufen, wer denn der Hauptdarsteller sei. "Spiehs sagte Roy Black, und dann war Stille im Raum."

Für Fans der Serie "Ein Schloss am Wörthersee" ist die Roy-Black-Büste so etwas wie ein Pilgerort.
Foto: Ferdinand Neumueller

Der Schlagersänger, der zuvor bereits in vielen anderen Produktionen der Lisa Film mitgespielt hatte, war zu dem Zeitpunkt eine gescheiterte Existenz: Alkoholiker, herzkrank, trat in Festzelten vor 50 Menschen auf. Ein Schloss am Wörthersee gab ihm einen letzten Bekanntheitsschub. Nach zwei Staffeln starb Höllerich einen realen und mit ihm Berger den Serientod. Das Vermächtnis lebt auch 30 Jahre später weiter, zumindest hier in Velden.

Ein Vermächtnis am See

"Es gehört zu unserer Geschichte, und wir haben der Serie sehr viel zu verdanken", sagt Julia von Deines, Resident-Managerin des Schlosshotels Velden, während sie durch ihr Reich schreitet. Das Schloss, 1603 fertiggestellt, wurde Ende des 19. Jahrhundert zu einem Hotel umgestaltet. Es ging durch viele Hände – in den 90ern gehörte es dem deutschen Playboy Gunter Sachs – und wurde 2007 nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet. Heute ist es Teil der Falkensteiner-Gruppe.

Das Schlosshotel Velden ist ein modernes, angenehmes Fünf-Sterne-Haus, es gibt einen alten Trakt und einen neuen Anbau. Längst nicht mehr alle Gäste können mit Roy Black oder der Serie etwas anfangen. Aber ein Teil der Bekanntheit rührt eben doch daher. Letztes Jahr veranstaltete das Hotel einen "Tag der offenen Tür": Es kamen 1500 Gäste, sie reisten sogar aus Bayern an. "Wir wollen Hemmschwellen abbauen", sagt von Deines. "Jeder ist bei uns willkommen." Die Roy-Black-Devotionalien wie sein Stuhl vom Filmset oder die Goldene Schallplatte für Ganz in Weiß hingen bis 2019 in der "Roy Black Suite", mittlerweile für alle Gäste sichtbar in der Schlossbar. Die heißt "Charly Walker"-Bar, weil Karl Wlaschek, Immobilienmagnat und Billa-Gründer, hier nach dem Zweiten Weltkrieg unter diesem Pseudonym als Barpianist auftrat. Ein Haus mit Geschichte.

"Eine Sauerei" – so sieht Regisseur und TV-Kultfigur Otto Retzer den Diebstahl.
Foto: Ferdinand Neumueller

Fünf Sterne ohne Hemmschwelle, das könnte auch das inoffizielle Motto Veldens sein. Der Ort am Wörthersee, in dem viele Millionäre wohnen und viele deutsche A-, B- und C-Promis Urlaub machen, ist überall ein bisschen drüber, aber eben auch nur ein bisschen. Die Modemarken sind Gerry Weber und Philipp Plein, die Ferraris haben hessische Kennzeichen, Gespräche drehen sich vorwiegend um Motorräder und Ex-Männer.

Der Kopf ist wieder da!

Dieses Velden aus dem Klischee gibt es, und es macht zugegeben ein bisschen Spaß, sich darüber lustig zu machen. Über die Männer mit großer Geldbörse und zu großem Selbstbewusstsein, deren Kleidung nicht unbedingt zu ihrem Alter passt. Oder die Frauen mit gewagter Haarfarbe, deren Gesicht nicht unbedingt ihr Alter widerspiegelt.

Aber Velden hat natürlich auch eine normale Seite. Man ist in einer halben Stunde raus aus dem Trubel, kann schwimmen und Rad fahren. Die Gäste sind Familien oder Pensionisten aus dem deutschsprachigen Raum. Man hört Schwäbisch und rotziges Kölsch. Velden ist ein reicher, aber auch unprätentiöser und durch und durch unironischer Ort.

Zurück vor das Schlosshotel und zu Otto Retzer. Der schleudert seit einer Stunde mit lustigen Anekdoten um sich, als ein großgewachsener, schlanker Mann um die Ecke kommt. Der Mann ist Bernhard Pichler-Koban, Veldens Tourismuschef. Pichler-Koban hat einen Stoffbeutel dabei, in dem sich ein runder Gegenstand befindet. Er grüßt höflich, stellt den Stoffbeutel auf den Boden und atmet tief ein. "Der Kopf ist wieder da."

15 Minuten nach diesem überraschenden Auftritt stehen Retzer, Pichler-Koban und Veldens Bürgermeister Ferdinand Vouk um den Sockel herum. Zitate werden eingesammelt, ein Fotograf dokumentiert das Wiederauftauchen des Kopfes. Man ist plötzlich mitten in einem Termin, von dem offenbar alle etwas wussten. Außer der Journalist, der für eine Geschichte über den mysteriös verschwundenen Kopf extra aus Wien angereist ist.

Der Kopf wurde, glaubt man dem Bürgermeister und dem Touristiker, in einem Garten gefunden und bei der Stadt abgegeben. Die Finder wollten anonym bleiben. So erzählen es zumindest der Stadtchef und der Fremdenverkehrsfachmann beim Mittagessen. Es gibt Garnelen. Der Kopf steht, wieder im Beutel verstaut, unterm Tisch.

Der Verdacht, dass man hier gerade von bauernschlauen Kärntnern am Nasenring durch die PR-Manege geführt wird, drängt sich auf. Doch die Polizei bestätigt den Vorgang im Groben: In der Nacht auf Freitag gegen vier Uhr lösten zwei Männer die Büste "mit Körperkraft" von ihrem Sockel und flohen damit Richtung Innenstadt. Sie wurden von Sicherheitskameras des Schlosshotels gefilmt. Das ist alles nicht unrealistisch: In der Nacht ziehen manchmal betrunkene Männergruppen durch Velden, und diese sind nicht vordergründig für ihre Klugheit bekannt.

Bürgermeister Ferdinand Vouk ist froh, als Roy wieder da ist. Sein Hund auch. Also: vermutlich.

Es ist auch nicht das erste Mal, das eine Statue verschwindet und wieder auftaucht. Die Geschichte der Roy-Black-Büsten in Villach ist überraschend lang und kompliziert. Der Stadtarchivar Andreas Kleewein hat sie rekonstruiert.

... aber der Kopf war mehrmals weg

Relativ bald nach dem Tod von Roy Black im Jahr 1991 tauchen Überlegungen auf, ihn mit einem Denkmal in Velden zu ehren. Anfang Oktober 1992 wird die erste Büste, ein Geschenk eines Hamburger Verlags, im Schubertpark enthüllt. Anfang Februar 1993 wird sie zum ersten Mal gestohlen, taucht am Parkplatz einer Pension wieder auf und wird erneut aufgestellt. Im Mai desselben Jahres ist sie wieder weg und bleibt es auch. Der leere Sockel steht heute noch im Schubertpark.

Ein Gastronom beschließt daraufhin, den Fans wieder ihren Anlaufpunkt zu geben. Anfang August 1995 wird auf der Terrasse des Café am Schloss, dem heutigen Café Sternad, eine neue Büste enthüllt. Sie sieht dem Sänger – höflich ausgedrückt – nicht besonders ähnlich, hat dafür aber einen kleinen Briefkasten, in dem man Post für Black hinterlassen konnte. Als das Café einige Jahre später aufgegeben wird, wandert sie in einen Keller.

Ein Sprung ins Jahr 2011. Beim ersten "Roy Black Festival" wird erneut eine Büste enthüllt, die erste am heutigen Standort vor dem Schlosshotel. Es ist die Büste, die zuvor auf der Café-Terrasse stand. Damit ist es bereits die zweite Roy-Black-Statue, die eine zweite Enthüllung erleben durfte. Die Büste ist bei den Einheimischen nicht besonders beliebt, aber jahrelang ein gefragtes Fotomotiv bei den Touristen. Heute liegt sie auf einer Palette auf dem Bauhof Velden, grinst vor sich hin und wartet auf einen Käufer. Angeblich gibt es schon Interessenten.

Der dritte Akt, to be continued

Der Autor und der Inhalt seines Werks: der wiederaufgetauchte Roy.
Foto: Ferdinand Neumueller

Im Jahr 2019 beginnt der dritte Akt in diesem Drama. Im Vorfeld des Jubiläums beginnt Retzer, Sponsoren für eine neue, gelungenere Büste des seligen Roy zusammenzusuchen. Der Klagenfurter Künstler Marco Carlo Tomasi fertigt die Statue an, die am Geburtstag von Retzer enthüllt und fünf Tage später gestohlen wird. Wer den Überblick verloren hat: Es ist die dritte Büste, die fünfte Enthüllung und der dritte Diebstahl. "Es gibt das nicht auszurottende Gerücht, das eine der Büsten im Wörthersee gelandet sei", erzählt Kleewein. Das sei aber falsch. Es gebe keine Aufzeichnungen darüber, er selbst kenne die Bucht als Taucher in- und auswendig. Kein Roy im Gewässer also.

Im Moment steht der Kopf wieder bei Veldens Tourismuschef Pichler-Koban, die sechste Aufstellung wird irgendwann folgen. "Diesmal mit einer festeren Verankerung", sagt er. Roy Black wird erneut seinen Platz bekommen, zwischen Schlosshotel und Wörthersee. Also vorerst. Man weiß ja nie, manchmal braucht es einen vierten Akt.

Bleibt noch die Frage, warum die Serie und der Film noch heute funktionieren und Fans anlocken. "Es hat einfach Kultstatus", sagt Michael Kraiger, Geschäftsführer der Lisa Film. Roy Black habe zum Start der Serien in einem Interview einmal gesagt, dass sie im Prinzip dasselbe machten wie in den 70er-Jahren: einfache Unterhaltung für die ganze Familie, mit simplen Erzählstrukturen, damit man abschalten und die Seele baumeln lassen kann.

Das sei heute genauso gefragt, vor allem bei den Menschen, die die Filme von früher kennen würden. "Unsere Zielgruppe erinnert sich gerne an die gute alte Zeit." (Jonas Vogt, 27.9.2020)