Auch in Wien demonstrierten am Freitag Aktivisten dem Regen zum Trotz gegen den Klimawandel.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH
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Zahlreiche Organisationen rufen heute Freitag zum weltweiten Klimastreik auf. Dass die Klimakrise während der Corona-Pandemie nicht pausiert hat, zeigen Naturkatastrophen wie die Waldbrände an der US-Westküste oder Dürresommer in Mitteleuropa. Welche Schritte die Regierungen gegen die Klimakrise ergreifen oder eben nicht, warum die Erderwärmung uns deutlich mehr sorgen machen sollte als die Corona-Pandemie und was von der Fridays for Future Bewegung noch übrig ist, erklären Nora Laufer und Lara Hagen vom STANDARD.

Antonia Rauth: Lara, du hast gerade erst Anfang der Woche über eine Statistik geschrieben, laut der Jugendlichen der Klimawandel mehr Sorgen bereitet als die Corona-Pandemie. Warum ist das so?

Lara Hagen: Ja, genau. Also, bevor ich das beantworte, würde ich etwas zu dieser Befragung sagen. Die wurde von SOS-Kinderdorf in Auftrag gegeben, da sind 400 Personen zwischen elf und 18 Jahren befragt worden. Das ist eine repräsentative Befragung, und da wurde eben die große Frage gestellt "Was bereitet dir Sorgen, wenn du an deine Zukunft denkst?" Acht von zehn Jugendlichen haben geantwortet der Umweltschutz und fast genauso viele der Klimawandel. Da waren Mehrfach-Antworten möglich. Ausländerfeindlichkeit und Armut in Österreich haben auch noch ganz vielen Kopfzerbrechen bereitet. Und dann kommt erst Corona. 59 Prozent machen sich da Sorgen. Das sind ja auch nicht wenige. Und jetzt zu deiner Frage: Warum ist es so, dass Corona da nicht ganz vorne liegt? Ich glaube, dass das zwei Gründe hat. Erstens wurden die Jugendlichen im Sommer befragt, und da war die Pandemie in Österreich ja tatsächlich ganz gut im Griff. Es hat Lockerungen gegeben, und es waren auch Schulferien. Ich glaube, die Jugendlichen hatten da einfach viel weniger Berührungspunkte mit Coruna, als es jetzt der Fall ist. Und der zweite wichtige Aspekt ist sicher, dass im letzten Frühjahr bzw. Sommer die Fridays forFuture Bewegung in aller Munde war. Greta Thunberg hat ein Cover nach dem nächsten bekommen, und sogar in Österreich waren unglaublich viele Menschen auf der Straße. Und wir sind ja nicht gerade ein demonstrationsbegeistertes Volk. Aber es gab eben diesen großen Aufwind. Es gab Treffen mit Politik und Wirtschaft. Damals war ja auch Wahlkampf, und ich glaube, das hat maßgeblich ganz viele junge Leute geprägt. Dieses Gefühl, gehört zu werden und die Zukunft mitgestalten zu können. Und die Jugendlichen sagen ganz klar: Die Pandemie ist schlimm, ja, aber die Klimakrise geht deswegen nicht weg. Und das ist auch das Motto der heutigen Demo: Fight every crisis.

Antonia Rauth: Genau, zum heutigen Klimastreik: Vor der Corona-Krise, du hast es schon angesprochen, waren wirklich zig tausende Aktivisten bei den Klima Protesten auch in Österreich auf der Straße. Wie sehr hat die Bewegung denn jetzt während der letzten acht, neun Monate während der Corona-Pandemie an Schwung verloren?

Lara Hagen: Man muss leider sagen, dass sie extrem an Schwung verloren hat. Aber das sollte einen auch nicht verwundern. Immerhin ist eine Pandemie dazwischen gekommen, die uns alle in unseren Grundfesten erschüttert hat. Das Leben von uns allen hat sich in den letzten Monaten extrem verändert, und da war der Fokus dann eben auf Corona und wie es damit weitergeht. Wobei es ja durchaus Entwicklungen gab, die das Thema Klima auch betrafen. Denken wir an die Auswirkungen, als der Flugverkehr zum Erliegen gekommen ist. Ich würde nicht sagen, dass die Anliegen vollkommen aus der Öffentlichkeit und aus dem Bewusstsein verschwunden sind. 2019 hat es schon etwas in Gang gesetzt. Das vergisst man nicht so leicht.

Antonia Rauth: Was denkst du: Kämpft sich die Bewegung noch einmal zurück in den Fokus, den sie gerade 2019 auch medial und politisch bekommen hat? Oder ist da in gewisser Art und Weise auch das Momentum erst einmal abgelaufen?

Lara Hagen: Wenn man das Momentum anspricht, dann denke ich, das ist gelaufen. Zumindest momentan ist es extrem schwierig. Die Presse vom letzten Jahr sehe ich nicht. Erstens wegen Corona, und zweitens wird es jetzt auch kälter. Es ist nicht gerade die demonstrationsfreundliche Jahreszeit, die jetzt ansteht, und es waren einfach diese Proteste, die für Aufsehen gesorgt haben. Da haben die Jugendlichen ja teilweise die Schule geschwänzt, und das hat auch für die Aufregung gesorgt. Anfangs, weswegen berichtet wurde. Aber so viel zum medialen Fokus. Das ist natürlich sehr wichtig. Aber wir haben im Laufe der Zeit mit ganz vielen jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten gesprochen, die da dabei waren. Und denen ist schon wichtig, dass berichtet wird. Aber die machen auch weiter, wenn keine Kamerateams da sind und der Fokus momentan auf Corona liegt. Für die, die sich bei den Streiks engagieren, ist es wirklich eine Herzensangelegenheit. Und die meinen das auch so, wie es auf ihren Plakaten steht. Es geht um ihre Zukunft. Ich denke, die machen weiter und überzeugen andere Freunde oder die eigene Familie. Da bin ich mir eigentlich ziemlich sicher. Ich finde das auch gut so.

Antonia Rauth: Gerade junge Menschen sind also nicht bereit, den Kampf gegen den Klimawandel an den Nagel zu hängen, nur weil die Öffentlichkeit gerade mehr auf Corona schaut. Und auch ihre Sorgen konzentrieren sich tatsächlich mehr auf den Umweltschutz und den Klimaschutz als auf die aktuelle Pandemie. Nora, wie sieht denn die Wissenschaft das? Haben die jungen Menschen Recht, dass uns eigentlich der Klimawandel mehr Sorgen bereiten sollte?

Nora Laufer: Also langfristig gesehen schon. Gegen Corona wird es früher oder später mit Sicherheit eine Impfung geben. Bei der Klimakrise ist das nicht der Fall. Es gilt mittlerweile als relativ unwahrscheinlich, dass wir die Erderwärmung bei nur 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter eindämmen werden können. Das heißt, es wird immer heißer, und wir haben da einfach kein Gegenmittel. Bereits jetzt führt die zunehmende Temperatur dazu, dass wir Extremwetter-Ereignisse erleben, Stürme, Dürren und Überschwemmungen. Und all das wird noch mehr zunehmen.

Antonia Rauth: Bevor die Pandemie die Klimakrise überschattet hat wurden ja viele Maßnahmen gegen den Klimawandel angekündigt. Zum Beispiel der Green Deal der EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen fällt einem da spontan ein. Was ist daraus eigentlich geworden? Ist da schon etwas passiert in diese Richtung?

Nora Laufer: Es gab seit Ausbruch der Pandemie durchaus politische Anläufe den Green Deal wieder zu begraben. Ursula von der Leyen hält aber weiter daran fest, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Derzeit ist gerade der Prozess im Laufen, wie dieser Weg dorthin ausschauen könnte, oder ausschauen soll. Da gibt es Neuigkeiten. Vergangene Woche hat die EU-Kommission ihren eigenen Vorschlag für ein Emissionsreduktion als Zwischenziel bekannt gegeben. Sie schlagen vor, dass der Treibhausgasausstoß innerhalb der EU bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll. Das ist schon einmal eine relativ starke Ansage gewesen. Das ist jetzt aber auch noch nicht fixiert. Das muss jetzt noch von den einzelnen Mitgliedsstaaten und dem Rat abgestimmt werden. Deshalb dauern solche Entscheidungen immer recht lang.

Antonia Rauth: Das wäre auf jeden Fall ziemlich ambitioniert. Auch Österreich hat ja seit 2020 eine grüne Umwelt- und Verkehrsministerin. Viele haben in sie große Hoffnungen gesteckt. Hat Leonore Gewessler die denn bisher erfüllt?

Nora Laufer: Man muss schon sagen, dass die Klimaschutzpolitik auf jeden Fall intensiviert wurde, seitdem die Grünen in der Regierung sind. Es wurden tatsächlich schon einige Dinge ins Rollen gebracht. Die Klimaschutz-Finanzierung ist deutlich gestiegen. Dennoch gibt es Punkte, die nicht ganz nachvollziehbar sind, z.B. mit der Ausgestaltung der CO2-Steuer wartet man bis 2022 ab, und das könnte deutlich schneller gehen, wie Experten wiederholt schon gesagt haben. Und gerade in Corona-Zeiten hat man jetzt gesehen, wie schnell Gesetze auch im Steuersektor adaptiert oder erneuert werden können, wenn der politische Wille dazu da ist. Es ist aber klar, dass eine CO2-Steuer bei der Wählerschaft der Volkspartei nicht so beliebt ist wie wahrscheinlich bei der Wählerschaft der Grünen. Und das weiß natürlich auch die ÖVP und wird hier wohl eher bremsen.

Antonia Rauth: Jetzt konkret in den vergangenen Monaten angekündigt hat Leonore Wesseler ja zum Beispiel auch die Veröffentlichung einer Liste klimaschädlicher Subventionen. Sind da den Worten mittlerweile auch schon Taten gefolgt?

Nora Laufer: Bei dieser Liste ist es so, dass sie eigentlich schon vergangenen Sommer hätte veröffentlicht werden sollen. Das heißt, es war die türkis-blaue Regierung, die das nicht gemacht hat. Die Übergangsregierung hat es auch nicht gemacht und die grüne Regierung noch immer nicht. Diese Liste gibt es nach wie vor nicht. Da stehen gleich mehrere Ministerien auf der Bremse. Im Vorjahr wurde zwar auf Druck einiger Umweltschutzorganisation eine detaillierte Liste im Verkehrssektor veröffentlicht. Aber dann ist einfach nichts mehr passiert. Eigentlich hätte zunächst das Landwirtschaftsministerium eine Liste erstellen müssen. Die gibt es bis heute nicht, und auch Leonore Gewessler selbst muss noch Listen für einige Bereiche vorlegen, hat es seit Jänner aber nicht gemacht. Die ÖVP bremst auf jeden Fall auch. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und auch Finanzminister Gernot Blümel, dessen Ministerium für die Erstellung der Liste verantwortlich ist, wollen offenbar diese Liste nicht vorlegen. Sie verweisen immer wieder auf die laufende Arbeit an der Ökosteuer-Reform, aber möchten offenbar nicht genau auflisten, wo eigentlich das Geld landet.

Antonia Rauth: International hat Kalifornien jetzt einen großen Schritt gewagt in Sachen Klimapolitik. Ab 2035 sollen dort keine Diesel- und Benzin-Autos, also keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden dürfen. Wie bedeutend ist dieses Verbot denn?

Nora Laufer: Das ist auf jeden Fall ein wichtiges Signal, gerade auch vor der Präsidentschaftswahl in den USA. Aber auch international setzt Kalifornien damit ein wichtiges Zeichen und zeigt, dass so ein Schritt politisch absolut umsetzbar und machbar ist. Es gibt mittlerweile auch einige andere Länder, die entweder an Plänen schmieden und die teilweise auch schon in Gesetze gegossen haben, nicht aber in Österreich. In Österreich gibt es nach wie vor kein konkretes Datum. Das wäre aber mehr als nötig. Immerhin hat die Regierung ja verlautbart, dass Österreich bis 2040 klimaneutral werden soll. Und wie sich das ausgehen soll, wenn es nicht bald auch in Österreich so ein Gesetz gibt, ist unklar.

Antonia Rauth: Jetzt ist Kalifornien auch gerade noch ein Land, in dem heuer unglaubliche Waldbrände wüten. Die sind auf jeden Fall laut Experten in Verbindung mit der großen Hitze durch die Erderwärmung zu betrachten, da gibt es einen klaren Zusammenhang. Wie siehst du das? Sind Regierungen offenbar erst bereit, Schritte gegen den Klimawandel zu ergreifen, wenn er sie unmittelbar betrifft?

Nora Laufer: Ja, das ist leider sehr oft der Fall. Die Krise ist für die Politik ein schwieriges Thema, denn Klimaschutzmaßnahmen führen teilweise dazu, dass sich Menschen eingeschränkt fühlen. Ein Beispiel ist das Verbot von Verbrennungsmotoren, über das wir gerade gesprochen haben. Und das macht Menschen natürlich Angst, und das wiederum will kein Politiker. Leider kann die Politik aber gerade in Klima-Angelegenheiten in vielen Fällen Entscheidungen hinausschieben, weil die wirklich schweren Auswirkungen der Klimakrise erst dann kommen werden, wenn ihre Zeit als Politiker oder Politikerin bereits abgelaufen ist. Und dann ist es natürlich relativ einfach zu sagen "Ich tue jetzt nichts".

Antonia Rauth: Bis jetzt haben wir ja von der Klima- und der Corona-Krise immer als zwei Paar Schuhe gesprochen. Aber hat die Corona-Pandemie denn eigentlich positive Auswirkungen auf die Klimakrise gehabt? Ich denke da jetzt zum Beispiel an weniger Flugreisen, Home Office und generell auch weniger Konsum.

Nora Laufer: Bekanntermaßen sind die Treibhausgas-Emissionen weltweit kurzfristig im Frühjahr eingebrochen, weil weniger produziert wurde, weil wir weniger unterwegs waren, die Mobilität einfach zurückgegangen ist. Klimaforscher sind sich weitgehend einig, dass das nur ein sehr kurzer Effekt war. Immerhin ist der Ausstoß mittlerweile auch wieder gestiegen. Es ist auch davon auszugehen, dass die Emissionen wieder auf Vorkrisenniveau oder höher steigen werden. Es gibt zumindest keine Anhaltspunkte, wieso das nicht so sein sollte. Langfristig könnte der kurzwellige Rückgang aus meiner Sicht sogar schlecht für das Klima sein. Denn einige Politiker werden diesen Rückgang wahrscheinlich als Rechtfertigung heranziehen, zu sagen "Okay. Unsere Klimapolitik wirkt. Wir müssen jetzt gar nichts machen", und einfach Entscheidungen nach hinten schieben.

Antonia Rauth: Denken du, dass das auch für den Flugverkehr gilt? Dass der direkt nach einer Impfung wieder auf das Niveau vor der Krise steigt? Oder könnte es hier zumindest nachwirkende klimafreundliche Effekte haben?

Nora Laufer: Ich bin da leider nicht besonders optimistisch. Der Flugverkehr wird natürlich eine ganze Weile noch sehr niedrig bleiben, weil es ja auch nicht klar ist. Wenn es jetzt in Österreich eine Impfung gibt, dann werde ich wahrscheinlich nicht woanders hin fliegen, wo es noch keine Impfung gibt. Insgesamt fällt der Flugverkehr in der globalen Klimabilanz aber auch gar nicht so schwer ins Gewicht. Und natürlich stecken wir in einer Wirtschaftskrise. Aber auch da werden wir wieder rauskommen. Und es gibt meiner Meinung nach keinen Anhaltspunkt dafür, dass wir danach weniger produzieren oder konsumieren werden.