Ulli und Alfred Henrich (Silvia Meisterle und Roman Schmelzer) haben kein Glück mit den bunten Scheinen. Sie sind bei Martina Stilp und Michael Dangl an die falsche Bank geraten.

Foto: Philine Hofmann

Das Geld sollte im Bankomaten sein, aber es will nicht herauskommen zu Alfred. Immer verzweifelter schaut uns sein Gesicht von der Bühne herunter an. Also betritt er (Roman Schmelzer) die Filiale seiner Bank, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die gute Nachricht ist, seine Kreditkarte ist nicht kaputt. Dadurch wird in Daniel Glattauers neuem Stück Die Liebe Geld aber alles nur noch seltsamer. Alfreds Kundenbetreuerin (Martina Stilp) behandelt sein Anliegen nämlich eher unverbindlich. Sein Geld sei auf "Geschäftsreise", lässt sie ihn nach langem Hin und Her wissen, als ob es sie nichts anginge und ihn eigentlich auch nicht.

Am Donnerstag wurde die Komödie in den Kammerspielen des Wiener Josefstadttheaters uraufgeführt. Eineinhalb Stunden ließen der Erfolgsautor Glattauer und Regisseur Folke Braband den armen Alfred mit seinen Sorgen anrennen. Mit großen Gesten und im stahlblauen Kostüm lässt Stilp Alfred die Zukunft seines Geldes glorreich aufziehen. Und auch am Zinssatz von 0,05 Prozent will sie großzügigerweise nicht rütteln. Aber kurzfristig sei wenig zu machen. Er möge vielleicht übermorgen wiederkommen.

Auch beim Bankdirektor (Michael Dangl) stoßen Alfreds Bedenken hinsichtlich der möglichen Deckung seiner Bedürfnisse des täglichen Lebens ohne funktionierenden Kontozugriff auf taube Ohren. Es scheint den Finanzhütern sogar einfacher, eine Sekretärin für ihn in den Supermarkt einkaufen zu schicken, als Alfred das nötige Kleingeld aus russischem Öl, Gas oder Stahl heimzuholen und auszuhändigen.

Schlagzeilen vorausgesehen

Tatsächlich steht das Stück schon seit vor den letzten Finanzskandalen auf dem Spielplan. Mit Wirecard und Commerzialbank hat Glattauer aber die jüngsten Schlagzeilen im Finanzdienstleistungssektor auf seiner Seite. Dennoch zieht sich der Irrwitz allmählich. Die Bühne von Stephan Dietrich tut auch nichts zur Auflockerung. Seine Filiale des Geldinstituts "Die Liebe Bank" ist ein kühles Imperium: kahle Wände, auf denen bei Bedarf auf Bildschirmen fallende Aktienkurse leuchten. Das erinnert ästhetisch an eine vergangene Zeit, als Banken noch flächendeckend Schalterservice boten.

Heute gibt es dafür die volldigitale Kontoanalyse. Dank der kennen die Geldhüter Alfred besser, als ihm recht ist, und bringen die Geschäftsbeziehung nun auf eine persönlichere Ebene: Das Haus der Schwiegereltern, das er renoviert? Ein Horror, bricht es aus dem in die Bittstellerrolle degradierten Anleger hervor.

Das Geschenk zum zehnten Hochzeitstag für seine Ulli ist die nächste Baustelle. Pointe für Pointe hantelt sich die Komödie nun voran in Richtung Liebesleben. Dafür ist Glattauer seit Gut gegen Nordwind,Alle sieben Wellen oder Die Wunderübung ja Spezialist. Als "Ulli-Maus" wirbelt die für Paardynamik unabdingbare Silvia Meisterle diesmal allerdings erst spät auf die Bühne und macht alles nur noch schlimmer.

System statt Wärme

Begriffe wie "Zahlungsunfähigkeit" erhalten mit Wortwitz neuen Sinn. Das Alltägliche wächst unter nicht immer brüllenden Schmähs zur Katastrophe. Das Publikum erkennt sich darin, zahlreich herausplatzenden Lachern nach, trotzdem.

Statt menschliche Wärme herzustellen, überspitzt Glattauer diesmal ein System, indem er dessen Sätze vom "arbeitenden Geld" oder "Was zählt, sind die Menschen" ins Absurde dreht. Noch ehe alle Slogans verklungen sind, johlt das Publikum – etwas zu sehr. So schlecht sind Banken dieser Tage also angeschrieben. (Michael Wurmitzer, 25.9.2020)