Weltweit gibt es immer mehr Querfront-Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen

Foto: EPA/Vogel

Berühmt wurden die Wiener Anti-Corona-Demos ausgerechnet am 5. September mit einer Aktion, die nichts mit dem Virus zu tun hatte: Eine Regenbogenfahne wurde von Demo-Organisatorin Jennifer Klauninger konfisziert und unter tosendem Applaus auf der Bühne zerrissen. 3000 Menschen versammelten sich am nächsten Abend, um ihre Abscheu gegen die homophobe Tat zu zeigen.

Ist die Anti-Corona-Szene also ein Milieu von Schwulenhassern? Mitnichten, schwören deren "bekannte" Gesichter. Man möge doch einmal genau schauen: Die Regenbogenfahne wäre ja gar keine echte gewesen, sondern hätte in der Mitte des Regenbogens ein doppelt gerahmtes Herz gehabt. Und dieses Symbol müsste doch jeder kennen: Es stehe glasklar für Pädophilie. Für den Großteil der Menschheit steht es aber tatsächlich einfach für ein Herz auf einer Regenbogenfahne.

Willkommen in der Welt von Qanon, einem bizarren und doch sehr gefährlichen Wunderland voller Verschwörungsmythen, die sich aus den Tiefen des Internets bis in die US-Politik ausgebreitet haben. Ihre Anhänger scheuen nicht davor zurück, ihren Gegnern, die fast immer aus dem links-liberalen Spektrum stammen, abscheuliche Straftaten umzuhängen, nämlich das Foltern und Töten von Kindern.

Kryptische Botschaften

Heilsfigur Q soll ein hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter sein, der im Netz kryptische Botschaften über eine angebliche Verschwörung von Pädophilen hinterlässt. Die Techgurus aus dem Silicon Valley, Hollywood-Stars, US-Demokraten: Sie alle sollen Kinder missbrauchen, um aus deren Blut ein Elixier – Adrenochrom, eine Vorstufe von Adrenalin – zu lukrieren, das für Anti-Aging-Kosmetik oder Aufputschmittel verwendet wird.

So weit, so wahnsinnig. Es wird aber noch schräger. Denn der Retter der Welt, der die Pläne der bösen Eliteverschwörung durchkreuzen will, sitzt selbst an der Spitze der Macht: Es ist laut Anhängern des Mythos US-Präsident Donald Trump.

Propagandatool Pädophilie

Das mag verrückt klingen, zieht aber weltweit Menschen in seinen Bann – auch im deutschsprachigen Raum. Taugen nicht auch die Kriminalfälle F. in Amstetten und P. in Strasshof als Beweis für Qanon, fragen österreichische Anhänger öffentlich vor immer mehr Menschen. Denn genau jene kleine Personengruppe, die sich über Qanon austauscht, gewinnt auch in der Anti-Corona-Szene an Bedeutung.

Am Samstag wird die "Querfront", wie sie sich nennt, wieder aufmarschieren: Auf Einladung der rechtsextremen Initiative "Heimat und Umwelt" findet eine Demo gegen die "Corona-Diktatur" statt. So soll auch Christenpartei-Chef Rudolf Gehring als Redner auftreten.

Dieses Milieu an sich ist stark durchmischt: Da gibt es grantige Gastronomen und verzweifelte Arbeitslose ebenso wie "Querdenker" und Anhänger alternativer Medizin. Ganz vorn dabei auch Neonazis, die immer schnell zu motivieren sind, wenn sich gesellschaftlicher Protest rechts der Mitte formiert.

So auch bei den Anti-Corona-Demos: Gesichtet wurde dort bisher etwa der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel. Lucas Tuma, einst bei Küssels "Ferialverbindung Reich", trat als Redner auf.

Küssels "Imperator"

"Reich" wurde 2011, in dem Jahr, in dem Küssel wegen der Neonazi-Homepage Alpen-Donau-Info verurteilt wurden, aufgelöst. Danach wurde Tuma in der Ferialverbindung "Imperia 8" aktiv. Wie die Seite stopptdierechten.at schreibt, steht er dort mit dem Titel "Imperator" im Vereinsregisterauszug.

Ein Verein, der hinter den den Demos in Österreich steht, ist Iuvalex, in dem Tuma ebenfalls mitmischt. Der Gründer des Vereins ist auch kein Unbekannter: Es handelt sich um den ehemaligen Anwalt Harald A. Schmidt. Nicht um den einstigen Late-Night-Talker und auch nicht um den gleichnamigen emeritierten Anwalt Harald Schmidt.

Harald A. Schmidt ist Spross einer FPÖ-Familie und war in den 1970ern in der Neonaziszene und im Ring Freiheitlicher Jugend aktiv. Bekannt wurde er 1997 im Prozess um die "Schwarze Witwe" Elfriede Blauensteiner als jener Mann, der die Testamente der verstorbenen Ehemänner Blauensteiners "betreute".

2011 stand er vor Gericht, weil er sich im Forum von Küssels Alpen-Donau-Info tummelte – nicht ohne antisemitische Postings zu hinterlassen. Judenfeindlichkeit spielt auch im Anti-Corona-Milieu eine Rolle. Das zeigte etwa Team-Strache-Kandidatin Christina Kohl, die auf einer Demo vor allem gegen "Soros" und "Rothschild" anschrie.

Corona-Leugner tun sich auch in Österreich mit Rechtsradikalen und Fans der irren Qanon-Verschwörungstheorie zusammen. (Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, 26.9.2020)