Frischekosmetik nennen die beiden Ringana-Gründer und Eigentümer Ulla Wannemacher und Andreas Wilfinger ihre Produkte. Weil sie nur begrenzt haltbar sind. Den Handel umgehen sie mit ihrem Vertriebskonzept. Geworben wird im privaten Kreis von so genannten "Frischepartnern" – österreichweit über 70.000. Das umstrittene Vertriebsmodell verteidigen sie. Auch seinen Porsche will Wilfinger sich nicht madig machen lassen. Nachhaltigkeit sei keine schwarz-weiße Angelegenheit.

STANDARD: Hier, wo Sie sonst Zahnöl produzieren, haben Sie in der Krise auf Desinfektionsmittel umgestellt und alles hergeschenkt?

Wilfinger: Wir haben in der Tat von unseren fünf Produktionslinien eine freigemacht. Uns haben vor allem die Preise, die am Anfang für Schutzmasken und Desinfektionsmittel aufgerufen worden sind, irgendwie gestört. Wir haben das gespendet. Es war eine schöne Idee, die aus einer Geschichte entstanden ist, die nicht so schön war.

STANDARD: Aus dem Lockdown?

Wilfinger: Ja, als der kam, ist es uns so gegangen wie den meisten Unternehmen. Wir waren komplett paralysiert. Wussten nicht, wie es weitergeht und wie sich die nächsten Tage, Wochen, Monate und Jahre gestalten. Ab dann haben wir uns selbst am Schopf gepackt und aus diesem auch mentalen Sumpf gezogen.

STANDARD: Sie waren offenbar flexibel. Die Regierung hat auch rasch mit allen möglichen Hilfen reagiert.

Öko darf schick sein, finden die gebürtigen Hartberger Ulla Wannemacher und Andreas Wilfinger, sie ausgebildete Pädagogin, er BWL-Studienabbrecher. Gut müssen die Produkte sein und nicht latzhosenmäßig daherkommen, finden sie. Er mag schnelle Autos wie Maserati oder Porsche, sie steigt gerne aufs Rad. Privat gehen die beiden mittlerweile getrennte Wege.
Foto: Alexander Danner

Wilfinger: Wir brauchen keine Hilfe. Wir haben keinen einzigen Mitarbeiter gekündigt und schon gar niemanden in Kurzarbeit geschickt. Im Gegenteil. Wir haben sogar in der tiefsten Krise angestellt und haben jetzt knapp 100 Mitarbeiter mehr.

STANDARD:Wie das? Haben die Menschen nicht mehr Sorgen und weniger Geld und verzichten in Krisenzeiten auf teure Lifestyle-Produkte wie Antifaltencreme oder vegane Kapseln?

Wilfinger: Man kann auf ein High-End-Antifaltenprodukt verzichten, aber auf Deo, Shampoo oder Seife nicht. Nach den ersten Ideen haben wir jedenfalls viel Presse gehabt. Und nach einer Osteraktion ist es richtig losgegangen. Es hat sich bis heute toll entwickelt. Aber wir rühren und rühren und rühren, es geht nichts von selbst.

Wannemacher: Vielleicht ist auch die Krisenzeit dafür verantwortlich, weil auf einmal die Leute angefangen haben, sich bewusst zu überlegen, was sie sich ins Gesicht cremen.

STANDARD: Stichwort Antifaltencreme: Wer von Ihnen greift mehr in den Tiegel, wer hatte die Idee?

Wannemacher: Wir sind beide leidenschaftliche Tiegelgreifer.

Wilfinger: Wer hat jetzt eigentlich die Idee gehabt? Das ist die Henne-Ei-Frage und ein Thema, über das wir hin und wieder diskutieren. Denn oft kommen die Ideen so beim Zwiegespräch, und einer sagt was und der andere greift das auf. Irgendwann weiß man gar nicht mehr, wer eigentlich die Idee hatte.

Wannemacher: Im Zweifel war’s ich.

Wilfinger: Oder ich. In den meisten Fällen bin ich es. (Beide lachen)

"Wir waren ein paar Spinner, die abgestempelt worden sind" erinnert sich Wannemacher an den Anfang. Wilfinger und Wannemacher in einem ihrer drei Standorte in Hartberg in der Oststeiermark.

STANDARD: Sie verzichten bei Ihren Produkten auf mineralölbasierte Inhaltsstoffe und auf Rohstoffe mit tierischen Bestandteilen. Waren Sie von Anfang an von der Ökoschiene überzeugt?

Wilfinger: Ganz und gar nicht. Wir wollten nie öko sein im Sinne von Ökoanstrich der Anmutung und der Konzeption der Produkte. Wir wollten anfangs eine High-End-Kosmetik und dann eine High-End-Life-Science-Anwendung sein. Öko, vegan, natürlich sind wir, weil es das Beste ist. Das liegt in der Natur der Sache.

STANDARD: Der Gründungsmythos ist ein anderer. Er erzählt die Geschichte von der Zahnpasta, die so ekelhafte Inhaltsstoffe hat und Sie dazu bewog, sich für Ihren Sohn etwas Besseres zu überlegen.

Wilfinger: Das ist schon richtig. Diese Werte sind uns extrem wichtig. Aber die Produkte haben wir nie – wir haben ein etwas abschätziges Wort dafür – latzhosenmäßig gesehen. Das Besondere macht die Anwendung aus, wie sie wirken. Dass sie nachhaltig sind, sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein.

STANDARD: Sie haben viele Ideen rund um nachhaltige Verpackung, produzieren klimaneutral, haben einen Kloschaum erfunden, der die umweltschädlichen Feuchttücher ersetzen soll. Tatsächlich wissen wir, dass viele der Nachhaltigkeitsparameter vor allem auf dem Papier funktionieren. Ich sage das auch, weil Sie einen Tesla fuhren.

Wilfinger: Aktuell fahre ich einen Porsche Taycan.

STANDARD: So viel zu Nachhaltigkeit.

Wilfinger: Das ist ein Elektroauto.

STANDARD: Eine fette Kiste mit umgerechnet weit über 500 PS.

Andreas Wilfinger kann über Nachhaltigkeit in Graustufen viel erzählen.

Wilfinger: Ich versuche es philosophisch. Nachhaltigkeit ist nie schwarz-weiß. Das E-Auto braucht Energie, hinterlässt einen CO2-Fußabdruck, ist problematisch in der Entsorgung, unmittelbar hat es null Emissionen. Vergleiche ich zwischen einem Diesel-Golf und einem E-Golf, ist tendenziell der E-Golf nachhaltiger. Aber er ist nicht blütenweiß. Besser wäre, wenn ich mit dem E-Golf auf dem Autoreisezug fahre. Wir tanken mit Solarstrom, wenn wir schon so pingelig sind. Wir können weiter diskutieren, wie viel Energie Solarpaneele in der Produktion benötigen, wie es mit Entsorgung ausschaut. Ist es nötig, von A nach B zu fahren? Und, und, und. Man wird nicht fertig.

Wannemacher: Es geht immer darum, wie wenig Fußabdruck man hinterlässt. Er sollte eben so klein wie möglich sein. Mir fallen da unsere Rohstoffe ein. Würden wir nur solche einsetzen, die bei uns in der Gegend wachsen...

Wilfinger: ... dann kauft es keiner.

Wannemacher: Dann hätten wir keine guten kräftigen Produkte.

STANDARD:Warum nicht?

Wilfinger: Wenn ich Aloe vera auf der Halbinsel Yucatán ziehe, wird sie ein tolles Profil an sekundären Pflanzenstoffen haben. Wenn ich sie im Wohnzimmer stehen habe: null. In den gemäßigten Zonen sind Pflanzen weniger exponiert: weniger heiß-kalt, weniger trocken-feucht. Sie bauen nicht so viele Schutzstoffe auf. Wenn wir heute Kosmetik machen, dann soll die hochantioxydativ sei. Das geht nur mit exponiertem Material und nicht mit Paradeisern aus dem Glashaus.

STANDARD:Sie sind also immer auf der Suche nach neuen Rohstoffen. Aber Sie suchen auch viele neue Mitarbeiter. Sind Sie ein so schlechter Arbeitgeber, zahlen Sie so wenig, oder wie kommt das? Immerhin haben wir Krise und eine hohe Arbeitslosigkeit.

Wannemacher: Wir haben null Fluktuation. Es kommen alle dazu.

STANDARD: Sie haben trotz Krise Fachkräftemangel?

Wilfinger: Glücklicherweise gibt es die Rot-Weiß-Rot-Card. Da haben wir viel bessere Möglichkeiten, was IT betrifft. Aber wir brauchen auch Spengler, Installateure, Schlosser für unsere komplexen Anlagen. Das ist nicht immer einfach. Wir sind gerade dabei, ein Lehrlingsprogamm für diese Berufe zu implementieren.

STANDARD: 2016 hatten Sie 90 Beschäftigte, heute sind es 390. Der Umsatz hat sich vervielfacht. Begonnen haben Sie während des Studiums, Sie sind sehr jung Eltern geworden. Wenn ich die Zahnpasta-Geschichte bemühe, hieße das vom Badezimmer zum Millionär. Wer war die treibende Kraft?

Möglichst klein solle der ökologische Fußabdruck sein, sagt Wannemacher. Man tue sein bestes.

Wannemacher: Du natürlich ...

Wilfinger: Okay, ich. (Lacht)

Wannemacher: Vor zwanzig Jahren waren wir ja eine Randerscheinung. Das Wort Nachhaltigkeit hat es nicht gegeben, das Wort vegan auch nicht. Wir waren ein paar Spinner, die abgestempelt worden sind.

STANDARD: Es klingt wie einer dieser Start-up-Träume. Heute würden Sie bei "2 Minuten 2 Millionen" auftreten?

Wilfinger: Nein, glaube ich nicht. Was die ganzen glücklichen Gesichter vergessen, wenn sie 500.000 für 30 Prozent einkassieren, dass sie 30 Prozent dafür hergegeben haben. Man verkauft einen Teil seines Kindes. Wir hatten einen Investor. Das haben wir wieder zurückgekauft.

STANDARD: Heute brauchen Sie keinen Investor mehr. Sie investieren wie wild, schreiben Gewinne. Nie daran gedacht den Hut draufzuhauen?

Wilfinger: Na ja, wir waren in der Sanierungsabteilung einer steirischen Bank zum Beispiel. Es gab schon harte Zeiten. Aber gewachsen sind wir immer. Wachstum bedeutet auch Liquiditätsaufzehrung. Das war schon eng hin und wieder. Aber das ist wie ein Formel-1-Fahrer, der noch nie im Reifenstapel dringehängt ist – den gibt es nicht.

STANDARD: Sie sind innovativ bei Produkten und Verpackung. Beim Vertrieb setzen Sie auf das altmodische Tupperparty-Prinzip. Warum?

Wannemacher: Partys in dem Sinne machen wir nicht. Menschen empfehlen unsere Produkte in ihrem Umfeld.

Wilfinger: Wir bekommen unsere Leads, also unsere Kontakte mit einem potenziellen Kunden. Der Unterschied ist nur: Wir generieren unsere Leads und unsere Beratung nicht aus Facebook- oder Google-Ads, sondern aus einer Face-to-Face-Komponente.

STANDARD: Diese Art des Vertriebs ist umstritten. Man landet da etwa bei Ringanesen, die sich auf sozialen Medien hochbegeistert zeigen. Man wähnt sich in religiösen Kreisen.

Wilfinger: Manche unserer Mitarbeiter sind eher zu viel als zu wenig motiviert. Aber würden wir heute beginnen, selbstverständlich wäre unser Gedanke: Das machen wir online. Wir schalten Google-Adds. Bis zur ersten Bestellung habe ich dann schon 100 Dollar überwiesen. Google macht 90 Prozent seines Geschäfts über Leute, die auf E-Auto oder was immer in den Adds klicken. Das ist das Geschäft. Die vielen Milliarden gehen über den Großen Teich oder in irgendwelche Steueroasen. Da hat keiner ein Problem. Aber wenn Lieschen Müller 200 Euro im Monat dazuverdient, weil sie eine Tupperparty macht oder auch Ringana, ist das politisch wesentlich weniger korrekt. (Regina Bruckner)