Eine männliche Dachsammer beim Zwitschern. Dank des geringeren Umgebungslärms konnte der Vogel auch tiefe Töne singen, die man von Dachsammern in San Francisco zuletzt in den 1970er-Jahren hörte.

J.N. Phillips

Wer im Frühjahr den pandemiebedingten Lockdown in einer Stadt erlebt hat, wird sich vermutlich an die mitunter unheimliche Ruhe erinnern – und womöglich auch daran, dass der Gesang der Vögel damals lauter war als sonst. Das war freilich, wie US-amerikanische Ornithologen nun im Fachblatt "Science" berichten, in erster Linie eine akustische Täuschung unsererseits.

Das Wissenschafterteam um Elizabeth Derryberry (University of Tennessee) erforscht seit vielen Jahren, wie sich der Lärm der Großstadt – konkret: von San Francisco – auf das Gezwitscher der dort heimischen Singvögel auswirkt. Eine der auch durch Untersuchungen in Europa bestätigten Erkenntnisse: Die meisten Vogelarten singen in Städten heute lauter und höher, um insbesondere den Verkehrslärm für ihre Artgenossen buchstäblich zu übertönen.

Darunter leidet aber auch die Komplexität und Schönheit ihres Gesangs, der zum einen dazu dient, das eigene Territorium zu verteidigen, und zum anderen das andere Geschlecht beeindrucken soll.

Ruhig wie in den 1950er-Jahren

Wie Derryberry und ihr Team durch ihre Messungen herausfanden, war es in San Francisco während des Lockdowns so ruhig wie zuletzt in den 1950er-Jahren.

Diese deutlich reduzierte Geräuschkulisse ließ etwa die Dachsammern, die zur Familie der Neuweltammern gehören, nicht nur leiser zwitschern. Ihr Gesang wies auch ein deutlich breiteres Tonspektrum auf. Vor allem enthielt er tiefere Laute, wie sie zuletzt in den 1970er-Jahren aufgezeichnet wurden. Die Forscher interpretieren diese Veränderungen als ein gutes Signal, das zeige, wie schnell sich die Singvögel an neue Verhältnisse anpassen können.

Free-Jazz-Stare auf Fentanyl

Es gibt freilich noch andere Möglichkeiten, den Vogelgesang zu verändern, wie ein anderes US-Forscherteam um Lauren Riters (University of Wisconsin) kürzlich an Staren gezeigt hat. Für diese Studie, die im Fachblatt "Scientific Reports" erschien, erhielten die Singvögel geringe Dosen des Opioids Fentanyl, das hierzulande als Suchtmittel verboten ist.

Die Forscher gingen dabei von der Annahme aus, dass beim Zwitschern opioidartige Substanzen in den Vogelhirnen erzeugt werden. Die Effekte des Experiments, das das Team um Riters zum Ig-Nobelpreiskandidaten für 2021 macht, waren etwas überraschend: Der Gesang der Stare wurde laut den Ornithologen zum einen "geselliger", zum anderen klang er, so die Forscher, "nach Free Jazz". (tasch, 26.9.2020)