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Angelo Becciu bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Foto: AP / Gregorio Borgia

Es war wieder einmal eines der legendären "dürren Communiqués" aus dem Vatikan, mit dem die aufsehenerregende Personalie verbreitet wurde: "Giovanni Angelo Becciu, Präfekt der Kongregation für Heiligsprechungen, ist von seinen Ämtern -zurückgetreten und verzichtet auf die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte; der Papst hat den Rücktritt angenommen", teilte das Presseamt des Heiligen Stuhls am Donnerstagabend mit. Ende der Durchsage.

Für Vatikankenner war freilich sofort klar, dass es sich nicht um einen freiwilligen Rücktritt handelte: Die italienische Presseagentur Ansa schrieb, Becciu sei in einer "Schockaudienz" vom Papst über seine Entlassung aus allen Ämtern unterrichtet worden. Dass der 72-jährige Kardinal aus Sardinien auch gleich noch die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte verliert, ist ein Hinweis darauf, für wie gravierend Franziskus die von Becciu zu verantwortenden Fehler hält.

Dubioser Immobiliendeal

Becciu ging am Donnerstagabend als hochrangiger Kurienkardinal ins Arbeitszimmer des Papstes und kam als einfacher Priester wieder heraus. Eine Begründung für die drastische Maßnahme wurde vom Presseamt nicht geliefert, aber sie liegt auf der Hand: Seit vergangenem Jahr ermittelt die vatikanische Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einem dubiosen Immobiliendeal in London, bei dem der Vatikan zwei- oder gar dreistellige Millionenverluste gemacht haben soll. Das ¬Geschäft soll heimlich unter der Regie von Becciu abgewickelt worden sein.

Im Staatssekretariat hütete Becciu ein Konto, das unter anderem durch den sogenannten Peterspfennig und aus Zuwendungen aus den Bischofskonferenzen gespeist wurde. Die Millionen, die er ohne Wissen des Papstes abgezweigt und Finanzjongleuren und Brokern anvertraut haben soll, stammten also zumindest zum Teil aus Spenden der Gläubigen.

Geld für die Familie

Laut dem italienischen Wochenmagazin "L’Espresso" soll Becciu aber auch mehrere Hunderttausend Euro an seine drei Brüder respektive deren Unternehmen überwiesen haben. Insgesamt soll der Schaden für den Vatikan etwa eine halbe Milliarde Euro betragen.

Die Entlassung des Kurienkardinals ist auch deshalb aufsehenerregend, weil Becciu bis vor kurzem als einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus galt (der ihm auch die Kardinalswürde verliehen hat). Der brillante ehemalige Diplomat hat viele Jahre im Ausland auf den wichtigsten Botschafterposten des Kirchenstaats verbracht und war nach dem "Vati Leaks"-Skandal mit dessen Aufklärung betraut worden. Becciu war weltgewandt und hatte beste Beziehungen nicht nur innerhalb der Kurie, sondern auch zu ¬ausländischen Staatskanzleien. Und, wie es scheint, auch einige allzu gute Verbindungen zur internationalen Finanzwelt. (Dominik Straub aus Rom, 25.9.2020)