In einem Raum wird geschweißt, daneben Metall gepresst und nur ein paar Schritte weiter Holz geschnitten. Alltag im Josef-Hesoun-Ausbildungszentrum in Wiener Neustadt. Arbeitslose Menschen werden hier im Auftrag des AMS weiterqualifiziert. Die Crème de la Crème ist dabei die Facharbeiterausbildung: In 18 Monaten erlernen die Menschen einen Job wie jenen des Metall- oder Elektrotechnikers. Abgeschlossen wird die Ausbildung mit einer Lehrabschlussprüfung.

Wer diese schafft, hat ganz gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit einer Lehrausbildung ist in Österreich sehr niedrig.

Harte Zeit

Wer im Josef-Hesoun-Zentrum, das vom Bildungsinstitut BFI betrieben wird, mit den Menschen spricht, bekommt aber neben der Freude über die neue Chance auch zu hören, dass die Zeit der Ausbildung extrem hart ist. Das Geld wird knapp, erzählen viele. Die Menschen bekommen für die Dauer der AMS-Qualifizierungsmaßnahme ihr Arbeitslosengeld, manchmal einen Fahrtkostenzuschuss. Wer ein ganz niedriges Arbeitslosengeld erhält, kann aufstocken, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Der Betrag bleibt dennoch bei unter 1.000 Euro.

Für viele ist die Zeit der Ausbildung hart, weil das Geld knapp wird.
Foto: STANDARD/Heribert Corn

Das AMS-Geld reiche gerade aus zum Leben, erzählt etwa Matthias, 36, der dabei ist, seine Tischlerausbildung abzuschließen. Er sei froh, wenn er die Prüfung schaffe und sich um einen Job mit ordentlichem Gehalt bewerben könne.

Der Geschäftsführer des BFI in Niederösterreich, Michael Jonach, ergänzt: "Viele, die eine längere Weiterbildung machen, können das nur tun, weil sie auf Erspartes zurückgreifen, etwa eine Abfindung vom früheren Arbeitgeber." Und wer kein Geld auf die Seite gelegt hat?

Diese Frage könnte die österreichische Politik in den kommenden Wochen einholen. Die Regierung ist gerade dabei, die letzten Details für ihre im Sommer angekündigte Ausbildungsoffensive zu finalisieren. 100.000 Menschen sollen über die kommenden zwei Jahre in den Genuss von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen kommen.

Große Lücke trotz Bonus

Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) dürfte die Eckpunkte des Programms diese Woche vorstellen. Das AMS wird die Abwicklung übernehmen und bekommt dafür wesentlich mehr Geld, um sein bestehendes Kursangebot zu erweitern. So viel ist klar. Eine der zentralen Fragen ist aber, ob sich genügend Menschen finden, die mitmachen. Zweifel sind angebracht, und das hat damit zu tun, wie viel Geld Arbeitslose bekommen.

In Österreich bekommt ein beim AMS gemeldeter Jobsuchender meist um die 60 Prozent von seinem letzten Nettoverdienst. Wer 1.900 brutto im Monat macht und 1.500 netto bekam, für den sind es rund 960 Euro Arbeitslosengeld. Nun hat die türkis-grüne Koalition zwar soeben einen Ausbildungsbonus fixiert. Wer bis Dezember eine Weiterbildung startet, bekommt 120 Euro im Monat dazu. Aber die große Differenz zum Vorverdienst wird dadurch nur ein Stück kleiner. Gerade Menschen mit Unterhaltspflichten seien nur schwer davon zu überzeugen, dass eine längere Ausbildung für sie langfristig Sinn macht, sagen AMS-Berater. Viele bevorzugen, sich rasch wieder nach einem Job umzusehen.

Foto: STANDARD

Ein Instrument, um Qualifizierungsmaßnahmen für Jobsuchende interessant zu machen, sind Stiftungen. Dabei übernimmt der Staat einen Teil der Kosten, und Unternehmen zahlen ebenfalls etwas dazu. So geht sich für Arbeitssuchende eine Zuzahlung zum AMS-Geld aus. Von solchen Konstruktionen gibt es viele.

Doch gibt es da Corona-bedingt eine Lücke, sagt Anna Daimler von der Dienstleistungsgewerkschaft Vida, die im AMS-Verwaltungsrat sitzt. Denn gerade in den krisengeschüttelten Branchen, wo es viele Kündigungen gab, etwa im Tourismus, sind Unternehmen angesichts der wirtschaftlichen Probleme nicht bereit, Stiftungen mitzutragen.

Und selbst dort, wo es Stiftungen schon gibt, etwa im Pflegebereich, müssten Angebote aufgebessert werden, um sie attraktiv zu machen, sagt Daimler. Doch auch hier sei das Geld knapp. Ein gutes Beispiel für die Problematik findet sich aktuell in Oberösterreich.

Dort will der Luftfahrtzulieferer FACC 650 Mitarbeiter abbauen. Vergangene Woche kündigte die Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) an, für Betroffene eine Umschulung zu Pflegern forcieren zu wollen, die dringend benötigt werden. Dafür wird eine schon bestehende Stiftung genutzt. Diese zahlt rund 200 Euro zum Arbeitslosengeld dazu.

Zwei Jahre Pflegeausbildung

Klingt gut? Mag sein. Doch selbst damit kommen frühere FACC-Arbeiter nicht in die Nähe ihres Vorverdienstes, sogar bei Hilfsarbeitern bleibt eine Lücke von einigen hundert Euro. Die Pflegeausbildung dauert zwei Jahre.

Ausbildungen mögen sinnvoll sein, viele können sie sich nicht leisten: Ob die Regierung auf diese Herausforderung eine Antwort findet, wird sich zeigen. Auch neue Stiftungskonstruktionen sollen als Teil der Qualifizierungsoffensive gefördert werden.

Einen Ausbildungsschwerpunkt gibt es auch im Rahmen der Kurzarbeit Phase III, die im Oktober beginnt. Dienstnehmer trifft erstmals eine Pflicht, sich in der Kurzarbeit-Freizeit weiterzubilden, sofern Firmen Angebote bereitstellen. Auch hier soll es Anreize geben für Firmen, die aktiv werden. Aktuell sind 300.000 Menschen in Kurzarbeit. (András Szigetvari, 28.9.2020)