Das AMS verlangt von tausenden Unternehmen, die Kurzarbeitshilfe erhalten haben, Geld zurück. Diese Forderung ist rechtlich höchst umstritten.

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"Nützen Sie die Kurzarbeit!" – das war der eindringliche Aufruf von Regierung, Arbeitsmarktservice und Sozialpartnern. Diesem Appell sind viele Unternehmen trotz zunehmenden Kostendrucks und wirtschaftlicher Unsicherheit gefolgt.

Grundlage für die Einführung der Kurzarbeit war die vom AMS ausgearbeitete Richtlinie zur Corona-Kurzarbeit, die wegen unklarer und widersprüchlicher Bestimmungen bekanntermaßen vielfach geändert werden musste und damit ein rechtliches Minenfeld schuf.

Eine Bestimmung in der ursprünglichen Richtlinie war allerdings relativ klar, nämlich jene zum Geltungsbereich. Dieser sah vor, dass "alle Arbeitnehmer förderbar" sind (klarer geht es kaum!). Auf diese Bestimmung haben sich alle Unternehmen guten Gewissens stützen können, die in der Zeit bis Ende Mai (Phase I) die Kurzarbeit beantragt haben. Und das waren die meisten.

AMS änderte Geltungsbereich

Dieser Geltungsbereich war dem AMS aber offensichtlich zu weit gefasst. Daher wurde in die Mitte Juli herausgegebene Corona-Kurzarbeitsrichtlinie eine Bestimmung aufgenommen, die vorsieht, dass die Kurzarbeit nur mehr für Arbeitnehmer gilt, die bereits "einen voll entlohnten Kalendermonat vor Beginn der Kurzarbeit beim Unternehmen vorweisen können".

Aber anstatt diese Bestimmung nur für neue Antragsteller anzuwenden, wendet sie das AMS jetzt rückwirkend auf alle Unternehmen an, also auch auf jene, die bereits in der ersten Phase die Kurzarbeit beantragt und bewilligt bekommen hatten.

Das AMS begründet diesen Schritt damit, dass sich im Wege der "Auslegung" eine Mindestbeschäftigungsdauer ergebe. Relevant seien hier vor allem die Regeln zum Nettolohnausgleich, da diese auf den letzten voll entlohnten Monat Bezug nehmen würden.

Mit dieser Begründung verlangt das AMS nun von teils fassungslosen Unternehmen die gesamte (!) Beihilfe für Arbeitnehmer zurück, die ursprünglich noch keinen vollen Monat beschäftigt waren.

Kann das wirklich sein? Kann das AMS eine Beihilfe, die sie auf Basis einer selbst geschaffenen Richtlinie selbst gewährt hat, zurückfordern und den Unternehmen damit vorwerfen, sie hätten eine – aus Sicht der AMS – unklare AMS-Richtlinie gefälligst eigenständig zu ihrem Nachteil auslegen müssen? Und das noch dazu in einer Situation, in der viele Unternehmen mit dem Rücken zur Wand standen?

Ein privatrechtlicher Vertrag

Das AMS hat damals weder auf die Notwendigkeit einer Mindestbeschäftigungsdauer hingewiesen, noch Kurzarbeitsbegehren mangels Mindestbeschäftigungsdauer abgelehnt. Auf den ersten Blick müsste die Antwort also ein klares Nein sein.

Die rechtliche Beurteilung ist aber etwas komplexer: Die Covid-19-Kurzarbeitsbeihilfe ist eine privatwirtschaftliche Förderungsmaßnahme des AMS. Mit Bewilligung der Kurzarbeitsbeihilfe kommt ein privatrechtlicher Förderungsvertrag zustande, der einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe auslöst (§ 34 Abs. 3 AMSG, wonach grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Förderungen besteht, ist ab diesem Zeitpunkt hinfällig).

Dieser Förderungsvertrag unterliegt den gesetzlichen Schranken des Privatrechts, somit ist auch eine Rückforderung durch das AMS nur im Rahmen dieser Schranken möglich.

Gutgläubig empfangen

Ob ein entsprechender Rückforderungstatbestand Teil dieses Vertrages ist, ist einzelfallbezogen durch Auslegung sämtlicher Vertragsbestandteile zu prüfen. Dabei ist stets zu fragen, wie ein verständiger Vertragspartner vor allem die Regelungen zum Geltungsbereich ("alle Arbeitnehmer" seien förderbar) in Verbindung mit dem Nettolohnausgleich (der sich ausschließlich in einer Fußnote im Kontext "Verrechnungsmodalität" findet!) und dem Rückforderungstatbestand verstehen durfte. Unklare Regelungen gehen dabei grundsätzlich zulasten des Vertragsverfassers, also des AMS.

Es ist äußerst zweifelhaft, dass ein verständiger Vertragspartner darin eine Mindestbeschäftigungsdauer sowie ein Rückforderungsrecht zugunsten des AMS erkennen würde. Nicht zuletzt kommt den Unternehmen auch die Einrede des gutgläubigen Verbrauchs zugute.

Nach dieser kann eine irrtümlich erhaltene Leistung dann nicht zurückgefordert werden, wenn die Leistung gutgläubig empfangen und verbraucht wurde. Die Argumentation des AMS bleibt somit äußerst fragwürdig.

Nachweis über eine Falschberatung

Unternehmen hätten bis 30. September 2020 die Möglichkeit, für betroffene Arbeitnehmer rückwirkend Neuanträge auf Kurzarbeitshilfe zu stellen. Dies erfordert aber einen entsprechenden administrativen Aufwand, den nicht alle Unternehmen in der kurzen Zeit stemmen können. In diesem Fall würde sich die Rückforderung der Beihilfe nur auf den ersten Beschäftigungsmonat reduzieren.

Inoffiziell hat das AMS anklingen lassen, dass es von seiner Rückforderung zur Gänze absehen würde, wenn das Unternehmen einen schriftlichen Nachweis über eine Falschberatung vorweisen könne. Aber da für die meisten Unternehmen klar war, dass "alle Arbeitnehmer" förderbar sind, gibt es dazu kaum Korrespondenz.

Das Unverständnis und die Empörung der betroffenen Unternehmen sind also jedenfalls nachvollziehbar. Aus unserer Sicht ist eine Rückforderung auf Basis einer Richtlinie, die eine Mindestdauer der Beschäftigung nicht ausdrücklich vorsieht, nicht rechtmäßig. Von einer vorschnellen Zahlung der rückgeforderten Beihilfen sollten betroffene Unternehmen daher klar Abstand nehmen. (Philipp Maier, Andrea Polzer, 28.9.2020)