Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Polarfuchs im Winterpelz.
Foto: AP Photo/Brennan Linsley

Am Rand der Arktis ist das Weiß im Rückgang – und gemeint ist diesmal nicht die Eisfläche, sondern eine Fellfarbe. Wie norwegische Forscher berichten, macht sich in immer mehr Regionen, die bisher dem Polarfuchs vorbehalten waren, dessen südlicher Nachbar breit, der auch bei uns heimische Rotfuchs. Und gegen den kommt der arktische Fuchs nicht an.

Der Polarfuchs (Vulpes lagopus) ist ein bisschen kleiner als der Rotfuchs und bringt es auf etwa fünf Kilogramm. Seine Ohren sind sogar deutlich kleiner: eine typische Kälteanpassung, da weniger Körperwärme abgestrahlt wird, wenn die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen minimiert ist. Sein auffälligstes Merkmal ist aber der Pelz: Wie auch andere Bewohner kalter Regionen – etwa der Polarhase oder das Alpenschneehuhn – wechselt er zwischen Winter- und Sommerkleid. Wenn Schnee fällt, steigt der Fuchs von Braun auf Weiß um.

Diesen Überlebenstrick hat der Rotfuchs nicht drauf, dafür ist er dem Polarfuchs körperlich überlegen. Und hat daher damit begonnen, seinen arktischen Vetter mit ungeplanter menschlicher Beihilfe zu verdrängen. Denn je stärker bislang vom Menschen unberührte Regionen erschlossen werden, desto mehr Möglichkeiten tun sich auf, die der Rotfuchs besser nutzen kann als der Polarfuchs. Das berichtet ein Team um Lars Rød-Eriksen vom Norsk institutt for naturforskning (NINA) im "Journal of Applied Ecology".

Auf der Straße ins Gebirge

Die Forscher untersuchten das Verhältnis zwischen den beiden Spezies in mehreren Gebirgsregionen Norwegens: Saltfjellet liegt am Polarkreis, Dovre und die Hochebene Hardangervidda im Südwesten des Landes. Das alpine Klima in den Bergen erweitert das Verbreitungsgebiet des Polarfuchses von der Arktis aus ein beträchtliches Stück nach Süden – zumindest noch.

Inzwischen dringt der Rotfuchs immer weiter aus dem bewaldeten Tiefland in die Höhenlagen vor, und er nutzt dazu in mehrfacher Hinsicht die Straßen, die der Mensch gebaut hat. Zum einen wandern die Füchse lieber die Straßen entlang, als mühsam durch hinderliche Schneefelder zu stapfen. Zum anderen finden sie dort reichlich Nahrung: ob achtlos entsorgter Müll oder die Kadaver von Tieren, die unter die Räder gekommen sind. Der Rotfuchs hat sich zum versierten Kulturfolger entwickelt – das gilt für mitteleuropäische Stadtgebiete ebenso wie für die immer stärker ausgebaute Infrastruktur aus Straßen und Sommerhütten im skandinavischen Gebirge.

Ob selber jagen oder Müll durchwühlen: Rotfüchse sind nicht wählerisch, und deshalb auch sehr erfolgreich.
Foto: NINA

Die Forscher analysierten Tierspuren im Schnee und die Bilder von Kamerafallen und konnten ein eindeutiges Muster feststellen: Die Häufigkeit von Rotfüchsen nimmt mit der Nähe zu einer Straße stetig zu. Beim Polarfuchs ist es genau umgekehrt. Das liegt laut Rød-Eriksen aber nicht daran, dass der Polarfuchs ein Kostverächter wäre. Auch der würde sich gerne Müll und Aas einverleiben – er kann aber im Konkurrenzkampf mit seinem stärkeren Verwandten nicht bestehen. Rotfüchse wurden auch schon dabei beobachtet, wie sie Polarfüchse töteten.

Auch für andere Tierarten bedeutet das Vordringen des Rotfuchses schlechte Nachrichten, sagt der Forscher – etwa für Schneehühner. Im schlimmsten Fall könne eine ganze Ereigniskaskade ausgelöst werden, die das Ökosystem am Rande der Arktis grundlegend verändert. Da letztlich die Zunahme des Tourismus dafür verantwortlich sei, müsse dieser auch stärker zur Verantwortung gezogen werden, meint Rød-Eriksen. Das Mindeste wäre, dass sich Touristen an das Gebot halten, keinen Müll zurückzulassen. (jdo, 3. 10. 2020)