Die StVO gilt auch am Radweg. Auch §12 Absatz 5.

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Radfahrer sind ja genauso. Genauso wie Autofahrer: Nur weil etwas erlaubt ist, muss es noch lange nicht akzeptiert sein. Nicht, wenn man davon nicht selbst profitiert. Menschlich verständlich: Wenn man im Stau an der Ampel der dritten Grünphase nachwinkt, ohne weiter gekommen zu sein, kann einem das G'impfte aufgehen, wenn Radfahrer auf Radfahrer, Mopedfahrerin auf Mopedfahrerin vorbeirollt. Anschaulicher kann die Sinnlosigkeit von 250 Allrad-PS im Stadtverkehr nicht erlebt werden. Einzig die Klimaanlage macht da Sinn: Sie lindert das Leid. Leid, das man mit einem schlankeren Vehikel nicht hätte.

Dass viele Autofahrer mit einspurigem Vorschlängeln nicht klar kommen, ist nicht neu. Dass etliche es persönlich nehmen, dass Einspurige das sogar dürfen (Paragraf 12 Absatz 5 StVO) weiß, wer je von sich "zufällig" öffnenden Türen, wüsten Beflegelungen oder Randstreifen plötzlich zufahrenden Autos behelligt wurde: Nein, das ist nicht neu.

"Des is vabotn, Gschissana!"

Neu ist, dass dieses Verhalten nun auf Radwege schwappt: Wer da am einspurigen stehenden Wartewurm vorbei vor rollt, braucht ein dickes Fell. Sollte taub sein. Manchmal wird man auch "gestellt": Dann kommt einer nachgerollt und stellt sich vorne quer. Auch wenn ihn das die Grünphase kostet: "Des is vabotn, Gschissana!"

Nur ist es das halt nicht: Die StVO gilt auch auf dem Radweg. Auch Paragraf 12 Absatz 5. Darüber diskutieren? Erklären, dass es sicherer ist, wenn auf den ersten Blick als langsamer Identifizierbare (Familien mit Kind, Leihradwackler, Touristen, Pensionisten, Tretroller ...) überholt werden, wenn es keinen Gegenverkehr gibt? Dass die Schnellen vorn meist schon über der Kreuzung sind, bevor die Langsamen beide Füße vom Boden haben? Sinnlos. Debatten, die mit "Du Oaschloch!" eröffnet werden, führe ich nicht.

Auch weil die, die da aneinandergeraten, nicht das Problem sind. Sie sind nur ein Symptom: Wiens Alibi-Radinfrastruktur ist längst überlastet. Aber solange sich Radfahrer gegenseitig an die Gurgel gehen, kann die Politik weiter so tun, als ob Deko-Pop-up-Streiferln und Leihradrettung-Wahlkampfgags nachhaltige Verkehrspolitik wären. (Thomas Rottenberg, 28.9.2020)