"Wir geben euch keine Koordinaten. Wenn ihr wissen wollt, wo der Platz ist, orientiert euch anhand der Bilder", heißt es in einer der Instagram-Storys von @diegrube_. Es ähnelt tatsächlich ein wenig einer Schnitzeljagd, den neuen Szene-Hotspot der Stadt zu finden. Im Hintergrund der Instagram-Bilder ist das eben im Bau befindliche Triiiple an der A227 zu sehen. Das Hauptquartier des Internetkonzerns Magenta am Rennweg scheint noch eine Ecke näher dran zu sein.

Mit diesen etwas spärlichen Infos suche ich auf Google Maps nach der "Grube": einem Basketballplatz irgendwo in St. Marx, dem hintersten Teil des dritten Wiener Gemeindebezirks, der mehr zu sein scheint als ein herkömmlicher Court. Die Fotos auf Instagram versprechen ein Gefühl von Freiheit, von Hip-Hop-Partys, von langen Sommernächten und kurzen Drei-gegen-drei-Partien. Da muss ich hin.

Meine Vermutungen waren richtig, ich finde die "Grube" – und blicke auf eine von Bauzäunen umringte, bunt bemalte Betonplatte, auf der ein schwarzes Konstrukt für den Korb eingegossen ist. Auf der gegenüberliegenden Seite wurden provisorische Tribünen aus Europaletten zusammengeschustert. Es gibt einen Grillplatz, Baustrahler für Nacht-Matches, an einer Wand mustert ein Biggie-Graffiti die basketballspielende Menge.

Auch wenn es dunkel ist, wird in der "Grube" noch gespielt. Von Baustrahlern beleuchtet, von Zuschauern begutachtet.
Foto: www.stefanjoham.com

Ein Pfiff reißt mich aus den Beobachtungen. Auf einer Anhöhe hinter dem Platz steht neben einem Frachtcontainer Pavle Stojanović, der Betreiber der "Grube". Wobei Betreiber nicht ganz korrekt ist. Das Grundstück gehört der Stadt Wien, Stojanović ist lediglich Pächter, zahlt allerdings nichts.

"Ich komme aus Serbien, da hat jedes noch so kleine Dorf zwei oder drei krasse Basketball-Courts," sagt der gelernte Koch. In Wien habe ihm das gefehlt. "Die Plätze hier sind alle scheiße." Etwa, weil sie oft in einem Käfig liegen, dessen Decke vernünftige Dreierwürfe verhindert. Dazu bestünden die meisten Netze aus Eisenketten. "Viele meiner Freunde sind da mit ihren Fingern drin hängengeblieben."

Stojanović hat auf diesem großen Gelände Autofahren gelernt, "wie wahrscheinlich 70 Prozent von Wien". Er ist in der Nähe aufgewachsen, war bereits als Kind öfters hier. "Dann habe ich irgendwann den Skaterpark von nebenan entdeckt. Als privaten Rückzugsort fand ich das super", sagt er. Eines Sommers kam ihm dann die Idee.

"Sogar der kann spielen"

Stojanović bezahlt den Bau des Platzes mit seinem eigenen Geld, das er für seine Wohnung zusammengespart hat. Viel Geld, aber für eine Person stemmbar. Deswegen ist auch der Pool am Gürtel für ihn ein Rätsel: "Was soll der gekostet haben? 250.000 Euro? Mit dem Geld hätten wir der Stadt 18 Top-Basketballplätze bauen können. Mit dieser Korbkonstruktion, richtiger Dreierlinie wie hier", sagt er und schüttelt den Kopf. Aber in Österreich würde niemand etwas auf Basketball geben. Also wollten sie es hier besser machen. Und das von Grund auf.

Also wurde es der Platz hier, groß genug für gescheite Basketballmatches. Mit Freunden macht sich Stojanović daran, die "Grube" herzurichten: "Nazar hat mir beim Baggern geholfen, zusammen haben wir die Betonplatte gegossen. Das Konstrukt haben wir aus Serbien geholt. Mladen, Omar, Markus – alle haben sie angepackt, damit das hier cool wird." Er schaut stolz auf seinen Platz.

Soeben spielen drei Männer auf dem Court, einer trägt einen Anzug. Ob er weiß, wer die Spieler sind? "Keine Ahnung, die haben nett gefragt, also dürfen sie spielen." An guten Tagen kommen bis zu 70 Spieler in die "Grube", manche davon spielen sogar in der ersten und zweiten Bundesliga. Gespielt wird drei gegen drei, der Sieger bleibt stehen. "Wenn du kein so gutes Team hast, kann es schon mal zwei Stunden dauern, bis du drankommst – um dann vom Platz gefegt zu werden", sagt Stojanović.

Der Typ im Anzug versenkt einen Ball nach dem anderen. "Schau, sogar der kann spielen!" Die Location spricht sich herum, abends wird während der Matches Musik aufgedreht, die Atmosphäre ist entspannt. Es wird zum Szene-Hotspot. Wer sich nicht an den Donaukanal oder den Karlsplatz hängen will, kommt in die "Grube", einen Ort, an dem sich die Stadt von ihrer buntesten Seite zeigt. Wiener Rapper und andere Musiker feiern hier mit, die halbe Tuning-Szene der Stadt sei zu einer Party mit ihren Ferraris angerückt. Musikvideos wurden hier gedreht, Breakdance-Performances fanden statt, sogar Red Bull hat schon einmal wegen eines Events angeklopft.

"Aber irgendwen dürfte das genervt haben, dann kam die Polizei." Gleich mit mehreren Wagen seien die angerückt, nicht weil so viele Leute da waren, und auch nicht, weil gegen Corona-Maßnahmen verstoßen wurde. "Wir sind zwar nette Menschen, aber auch groß und bullig, Basketballer eben. Das hat den Anrainern wohl Angst gemacht."

Vertragsverlängerung

Konnte alles geklärt werden, nur eine Sache nervt Stojanović ein bisserl: "Die Leute wollen dauernd wissen, wann ich die nächste Party veranstalte." Auf den Stress hat er keine Lust, es ist eben, wenn auch vorübergehend, sein Grundstück.

Er weiß, dass er und seine Kumpels keine Vorzeigepächter sind. Das sieht auch die Bezirksvorstehung so. Ende des Jahres sollte Schluss sein mit der "Grube". Denn auf dem großen Gelände soll in den kommenden Jahren eine Multifunktionshalle der Wien-Holding entstehen. "Dann wurde aber der Vertrag von den Gärtnern nebenan verlängert", sagt Stojanović. "Da haben wir uns schon gewundert."

Auf Nachfrage des STANDARD bestätigt die Wien-Holding den "Gruben"-Betreibern dann doch die Vertragsverlängerung. Sie dürfen hier auch über 2020 hinaus Basketballern und der Wiener Hip-Hop-Szene einen Treffpunkt bieten. Allerdings mit monatlicher Kündigungsfrist. Wenn die Bagger anrücken, um eine Stadthalle 2.0 zu errichten, ist Schluss mit Subkultur in St. Marx. Das wäre schade. Die Grube ist eine Seite Wiens, die nicht mehr oft zu sehen ist und die von der einen oder anderen Partei anscheinend auch nicht vorgezeigt werden will.

Mittlerweile ist es dunkel, die drei Männer haben sich unten auf eine der provisorischen Bänke gesetzt. Stojanović schaltet von seinem Frachtcontainer aus die Beleuchtung auf dem Platz ein. "Danke!", schallt es von unten. Das Körbewerfen und -treffen geht weiter. Was passiert, wenn der Platz hier eines Tages weg ist? "Keine Ahnung, Man. Wir werden schon was finden", sagt Stojanović.

"Ach, übrigens", sagt er und dreht sich grinsend zu mir, "wir sind mittlerweile auch offiziell bei Google Maps eingetragen." Hätte ich mir die Sucherei auch sparen können. (Thorben Pollerhof, 29.9.2020)