Die Ansage der türkisen Bezirkschefin in der Josefstadt, Veronika Mickel (im Bild rechts neben ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel), klang wohl offener als sie war.

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Bei den politischen Mitbewerbern der Wien-Wahl staunte man nicht schlecht, was die türkise Wiener Bezirksvorsteherin der Josefstadt, Veronika Mickel, da am Wochenende in der ORF-Sendung Wien heute erklärte. Mickel wies darauf hin, dass es in ihrem Bezirk einen eindeutigen Beschluss gibt, wonach Kindern in Notlagen geholfen werden soll, also auch jene im Flüchtlingslager im griechischen Moria "unterstützt" werden sollen.

Dieser Satz verselbstständigte sich und wandelte sich schnell in die aufgeladenere Variante: Eine ÖVP-Bezirksvorsteherin bricht im Wahlkampf mit der Parteilinie der "Hilfe vor Ort" und spricht sich dafür aus, Kinder aus Moria nach Österreich zu holen. Das hat sie allerdings so nie gesagt. Dennoch wurde es so von FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp interpretiert, der sogleich in einer Aussendung dagegen Stimmung machte.

Eindeutig uneindeutig

Eine Spurensuche, wie es dazu kam: Zunächst einmal gab es bei der bisher letzten Bezirksvertretungssitzung im Juli zwei Anträge. Einen, wonach sich die Josefstadt solidarisch mit der Seenotrettung zeigen und für sichere Fluchtwege einsetzen sollte. Dagegen stimme die ÖVP. Da SPÖ, Grüne und Neos dafür waren, fand er eine Mehrheit.

Dann gab es noch eine gemeinsame Resolution von SPÖ, Grünen und Neos, Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingslagern der EU und Bosnien nach Österreich zu holen. Die ÖVP hätte geteilt abgestimmt, erklären die Grünen. Manche waren also dafür, manche dagegen.

Der grüne Spitzenkandidat in der Josefstadt, Martin Fabisch, ist verwundert. "Von einer eindeutigen Beschlusslage sprechen und dann selbst geteilt abstimmen, das ist schon spannend", sagt er. Mickel könne sich in dem Interview nur auf die zwei Beschlüsse aus dem Juli beziehen. Damals sei Moria aber noch kein Thema gewesen.

Einen Antrag zur Lage dort bringen die Grünen erst bei der nächsten Bezirksvertretungssitzung am 5. Oktober ein. Mickel, die im Wahlkampf übrigens auf Gelb statt Türkis setzt, könne von dem Moria-Antrag der Grünen zum Zeitpunkt des ORF-Interviews daher auch noch gar nichts gewusst haben, meint Fabisch. In Mickels Fraktion ist jedenfalls Stephan Mlczoch einer der Stellvertreter des Bezirksobmanns. Mlczoch ist Referent im Kabinett von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) – ein klarer Gegner der Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria.

Mickel war für den STANDARD nicht zu sprechen.

Tricksende Kebabstände

Verwirrung gab es auch um die Aussagen des Spitzenkandidaten, Gernot Blümels (ÖVP), bezüglich Finanztricks von Kebabstand-Betreibern. Diese waren Anfang September in einer Schwerpunktaktion der Finanzpolizei überprüft worden. Wahlkampfhilfe durch die Behörden schließt das Ministerium aus.

"Die Finanzpolizei kontrolliert ausschließlich anzeigeabhängig. Wir hatten hier aus der Bevölkerung massive und vermehrte Anzeigen über vermutete Unregelmäßigkeiten", so ein Sprecher von Finanzminister Blümel. (Jan Michael Marchart, 29.9.2020)