Ein miserabler Geschäftsmann, der einzig mit seiner Berühmtheit Geld verdienen kann. Ein Immobilieninvestor, dessen Gebäude ständig massiv an Wert einbüßen, ein Hotelier, dessen Gaststätten und Golfkurse stets Geld verlieren. Ein Versager, vom Millionenerben zum säumigen Fast-Pleitier, der nach schlechten Investments Hilfen beantragt und der mit mehreren Hundert Millionen Dollar persönlich in der Kreide steht; so selbstverliebt aber, dass für den Friseur 70.000 Dollar pro Jahr zu Buche schlagen. Oder umgerechnet 192 Dollar pro Tag – und viel mehr noch für Wohnraum und Privatjet. Das ist Donald Trump, der US-Präsident.

Manchmal jedenfalls ist genau das jenes Bild, das der amerikanische Staatschef selbst von sich zeichnet. Zumindest dann, wenn er sich gerne als arm darstellen will, um Steuern zu sparen. Etwa also in den Unterlagen, die die New York Times nun veröffentlicht hat.

Sie lassen nur eine von zwei Möglichkeiten zu: Trump ist ehrlich, aber ein miserabler Geschäftsmann. Ihm ist weder mit kleinen noch mit großen Veranlagungen zu trauen, schon gar nicht mit einem Staatsbudget. Oder: Der US-Präsident prellt den Staat seit Jahren um Millionen. Er bedient sich reichlich der Hilfen, die der Fiskus ihm zur Verfügung stellt. Aber für das Gemeinwohl zahlen, das sollen andere. Durchschnittsbürger etwa 16-mal so viel wie er.

Dass Trump über Jahre keine oder kaum Steuern gezahlt hat, wird von seinen Befürwortern nicht als Makel, sondern als Errungenschaft gesehen werden.
Foto: imago images/UPI Photo

Beides würde ihn aus Gründen der Moral ebenso wie der Logik für sein Amt disqualifizieren – so wie vieles anderes, was er in den letzten Jahren getan oder gesagt hat.

Und doch, um es simpel zu sagen: Es wird egal sein, wieder einmal. Wer Trump bisher gut findet, mag ihn nicht trotz, sondern wegen seiner Art. Dass er es schafft, den Staat an der Nase herumzuführen, gilt nicht als Makel, sondern als Errungenschaft, wie ein Ausweis seines Könnens als Businessman: Trump als sein eigener Robin Hood. Und was ist mit den massiven Verlusten? Propaganda von Fake-News und Eliten, wird es heißen.

Chance für Demokraten

Dabei helfen Trump auch die Umstände der Veröffentlichung. Jahre jagten Medien dem Steuerakt hinterher. Dass etwas nicht stimmt, ist lange klar. Trump weigert sich ja, diesen selbst zu publizieren. Natürlich folgen nun große Aufmacher. Der Zeitpunkt aber, mitten im Wahlkampf, gibt auch dem Präsidenten Munition. Zumal der Inhalt zwar charakterliche Schwächen zeigt und finanzielle Unfähigkeit sehr nahelegt – aber nichts Illegales zu beweisen vermag. Das amerikanische Steuersystem ist eben so gebaut: Vor allem Superreiche und große Unternehmen finden Schlupflöcher vor, die es ihnen erlauben, bei ihren Schulden an der Allgemeinheit zu knausern.

Und das wäre auch die Gelegenheit für die Demokraten: Sie könnten Trump als Beispiel vorführen, nicht als Steuersünder, sondern als jemand, der alles ausnützt, was es auszunützen gibt. Sie könnten zeigen, dass das System unfair ist, Reiche bevorzugt und dem heiß umkämpften Mittelstand ebenso wie den Armen mehr Geld aus der Tasche zieht als dem Präsidenten und großen Firmen.

Wäre. Denn so wird es nicht kommen. Die Demokraten sind nicht Gegner dieses Systems, sondern Co-Architekten, mit den Republikanern. Etwas zurückhaltender zwar da und dort, aber eben doch.

Joe Biden, seit Jahrzehnten in der Politik, kann kaum in die Rolle des Kritikers schlüpfen. Ihm bleibt, auf Trump als Extrembeispiel zu zeigen und auf die Stimmen jener zu hoffen, die das abschreckt. Doch die hat er wohl bereits. (Manuel Escher, 29.9.2020)