Auf allen Vieren taucht Max Lampelmaier unter einem Hundeknochen auf, hantelt sich am Boden ein Stück weiter, steht dann aber nicht auf, sondern bleibt unten, richtet die Handflächen zueinander aus und beginnt, Liegestütz zu machen. Bei ihm ist man sich nie sicher, was als Nächstes passiert. Es ist, als hätte er ein kleines Teuferl auf der Schulter sitzen, das ihm einflüstert. Doch diesmal ist alles ganz harmlos. "Das muss ich ausnutzen, wenn ich schon unten bin", sagt er, mit einem um Entschuldigung bittenden Unterton, weil er sich jetzt noch ein paar Sekunden für sich nimmt.

Diesen Hundeknochen baut Max Lampelmaier gerade auf. Wir fanden, er wäre der richtige Rahmen fürs erste Bild. Max dachte kurz darauf, es wäre die passende Gelegenheit, gleich ein paar Liegestütz zu machen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Er ist eben nicht nur frech, wenn es passt, er ist auch immer korrekt und freundlich. Mehr noch. Max Lampelmaier ist 66 Jahre alt und eigentlich eh immer im Training – geht von Mai bis Oktober kurz nach sechs Uhr im Mattsee schwimmen –, jetzt trainiert er aber ganz intensiv. Wenige Wochen nach unserem Treffen wird er bei der Elba-Rallye an den Start gehen. Nicht mit dem Hundeknochen, unter dem er gerade hervorgekommen ist. Von dem steht nur die frischlackierte Karosserie auf den Böcken. Er wird mit dem starten, der genau gegenüber steht, einem BDA.

Der BDA, mit dem Max Lampelmaier die Elba-Rallye fahren wird.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Vier Ford Escort der ersten Serie, wie sie von 1967 bis 1974 gebaut wurden, stehen in Max Lampelmaiers privater Werkstatt in Mattsee in der Nähe von Salzburg. Jeder sieht aus wie neu, da ist kein Kratzer im Lack, kein Staubflankerl auf oder im Wagen, und selbst jeder Motorraum ist so sauber, dass man sich selbst mit Mühe keine öligen Finger holen kann.

Ein Blick in den Motorraum des Millington-Escort.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Auch wenn jeder Escort weiß ist, einen Käfig und Rennsitze verbaut hat und sie auf den ersten Blick alle gleich aussehen, sind sie dennoch grundverschieden. Der eine ist für Bergrennen aufgebaut, der andere für Rallyeeinsätze und der dritte, ja wer weiß das schon so genau … Er hat einen extrem seltenen Millington-Motor, der so viel Kraft hat, dass selbst im dritten Gang die Hinterräder ansatzlos durchdrehen, wenn man das Gaspedal nicht vorsichtig bedient.

Rechts der BDA, mit dem Max Lampelmaier die Rallye fahren wird, links ein Hundeknochen mit Millington-Motor.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

"Vor dem hab ich selber ein bisserl Angst", sagt Max Lampelmaier über den mehr als 300 PS starken Escort, der weit über 100.000 Euro wert sein dürfte und den er sich selbst zu seinem 60er aufgebaut und geschenkt hat. "Gleich bei der ersten Rallye, bei der ich mit ihm angetreten bin, ist mir das Talent ausgegangen", erzählt er. Er hat sich noch in der ersten Sonderprüfung zweimal überschlagen.

Und hier noch der Escort für die Bergrennen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Und so hat er den Wagen selbst noch einmal neu aufgebaut. Wie viel Stunden Arbeit in diesem und den anderen Autos stecken, darüber spricht er nicht. Er richtet sich auf, wischt sich schnell die Handfläche an der Hose ab. Ein ziemlich unsinniges Unterfangen, weil selbst der Boden seiner Werksatt so aussieht, dass man vor dem Betreten überlegt, ob man sich nicht die Schuhe ausziehen soll.

In der Werkstatt herrscht penibelste Ordnung. Nur dem Max Lampelmaier könnte es noch ein wenig aufgeräumter sein.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die zieht es einem aber eh von allein aus, wenn man sich genauer umschaut. Denn irgendwo findet man immer eine Preziose – falls einem die aufgebauten Rallye-Escorts nicht eh schon den Atem rauben. Diesmal sind es eigens angefertigte Gussteile, die auf der Werkbank liegen. Sie gehören zum Alpenwagen – dem Auto, das Ferdinand Porsche für das gleichnamige Rennen 1911 für Austro-Daimler entwickelt hat und in der Serienversion zu einem der begehrtesten Sportwagen seiner Zeit gehörte. Vor wenigen Wochen stand hier noch der Mixte-Motor – also der Range-Extender, wenn man so will, für den ersten Hybrid, den Ferdinand Porsche 1902 konstruierte. Der Verbrennungsmotor diente also lediglich dazu, die Akkus des Wagens, der mit Radnabenmotoren angetrieben wurde, aufzuladen.

Max Lampelmaier erklärt den Mixte, der im Fahrzeugmuseum Fahr(t)raum in Mattsee steht.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

"Meine Eltern hatten eine Ford-Vertragswerkstätte, und ich bin mit 19 in den Betrieb gekommen, nachdem ich eine Lehre bei einem anderen Ford-Händler gemacht hatte", erzählt Max Lampelmaier. Zwei Jahre später war er der jüngste Mechanikermeister in Österreich. Inzwischen hat er die Ford-Werkstätte, die er mit sieben Mitarbeitern übernommen hat, fünfmal ausgebaut. Mittlerweile sind es 35 Mitarbeiter, die meisten davon bleiben viele Jahre im Betrieb. Und während in seiner privaten Werkstatt, die am anderen Eck des Firmengeländes ist, vorwiegend alte Rennautos und Vorkriegler die Reifen in die Luft halten, ist der Ford-Betrieb jener, der heuer die meisten Hybridfahrzeuge aller heimischen Ford-Händler verkauft hat.

Noch schnell ein Blick in einen der Escorts, bevor wir uns gemeinsam auf ins Museum machen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Schon bevor er im elterlichen Betrieb zu arbeiten begann, fuhr Max Lampelmaier sein erstes Rennen. "Mein Lehrlingsmeister, damals Motorradstaatsmeister, hatte eine Affinität zu Formel Ford und Hundeknochen-Escorts – und ich bin dann mit 18 einmal einen Autoslalom mitgefahren und wurde auf Anhieb Dritter." Damit war der Grundstein für seine Spezialisierung gelegt. "Ich habe begonnen, meine eigenen Autos und bald die der anderer Rennfahrer aufzubauen – vom Formel Ford bis zum Capri habe ich alles gemacht", erinnert er sich. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Schnell hatte Max Lampelmaier einen exzellenten Ruf unter Rennfahrern. Und später sprach sich unter Besitzern alter, vermorschter Escorts und Capris ebenso gach herum, wer die Autos nicht nur wieder flott bekommt, sondern sie besser, als sie je waren, wieder auf die Straße bringt.

Inzwischen bewegt Max Lampelmaier nicht nur seine Fords und die von Rennfahrerkollegen und Sammlern, sondern auch die Wagen im Fahr(t)raum.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Irgendwie dürften sich die Fähigkeiten von Max Lampelmaier bis zu Ernst Piëch herumgesprochen haben, der eines Samstags mit einem Austro-Daimler vorbeikam und davon erzählte, dass der Motor ständig ein wenig aussetze. Er fragte, ob Max Lampelmaier nicht die Kerzen anschauen könnte. "Die waren ziemlich verrußt. Und weil er erzählte, dass er noch ein ganzes Stück weit fahren wollte, hab’ ich gesagt, na wenn schon, dann putzen wir gleich alle sechs Kerzen durch."

Eine kleine Runde um den Mattsee mit einem Austro-Daimler ...
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Vielleicht war es dieser Moment, in dem Ernst Piëch sah, wie Max Lampelmaier die Kerzen mit einem Messingbürsterl zu reinigen begann, der die gemeinsame Zukunft besiegelte. Ernst Piëch bat den Max noch, ein Stück mit dem Austro-Daimler zu fahren. "Dass es beim Schalten nicht gekracht hat, hat ihn so sehr beeindruckt, dass er bald wiederkam, mit einem anderen Auto. Oder vielmehr mit einem Getriebe." Inzwischen ist der Max Lampelmaier der Hausarzt der Autosammlung von Ernst Piëch.

Die alten Autos zu fahren ist gar nicht so einfach. Da merkt man erst, wie sich das Automobil gewandelt hat.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Ernst Piëch, 1929 in Wien geboren, ist der Enkel von Ferdinand Porsche und hat sich – zuletzt mithilfe von Max Lampelmaier – Austro-Daimler und andere Autos, die mit der Konstruktionsarbeit von Ferdinand Porsche zu tun haben, aus der ganzen Welt zusammengetragen. Die stehen nun in Mattsee, nur wenige Kilometer von der Lampelmaier-Werkstatt entfernt, im Museum Fahr(t)traum. Obwohl, sie stehen dort nicht nur. Alle Fahrzeuge fahren auch immer wieder. Bis auf den Mixte. Da hat der Max gerade noch die Finger im Verbrennungsmotor.

Im Museum Fahr(t)raum stellt Ernst Piëch Fahrzeuge aus, die mit der Konstruktionsarbeit seines Großvaters Ferdinand Porsche zu tun haben.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die Arbeit an diesen Autos aus der Vorkriegszeit ist kompliziert. Nicht immer gibt es eine ausreichende Dokumentation. "Teilweise gibt es gute Aufzeichnungen, teilweise ganz wenige. Beim Mixte etwa ist sehr wenig erhalten. Wenn du den zerlegst, musst du alles genau dokumentieren. Die ganzen Zündzeitpunkte etwa, das ist ganz sensibel." Hilfe erhält Max Lampelmaier vom Präsidenten des Austro-Daimler-Klubs, der mit seiner Erfahrung und seiner Literatursammlung aushilft.

Der Mixte war der erste Hybrid und wurde über Radnabenmotoren an der Vorderachse angetrieben.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die Arbeit an diesen Autos treibt aber auch, vor allem dann, wenn sie auf einen Mann wie Max Lampelmaier trifft, sonderbare Blüten. Wie sich eine bei der Einzelgenehmigung des Rauch & Lang auftat. 1905 begann Jacob Rauch in Cleveland mit der Produktion eigener Automobile, ab 1921 bauten Rauch & Lang ausschließlich E-Autos. Eines dieser Fahrzeuge, für das es eine Kooperation mit Ferdinand Porsche gab, kaufte Ernst Piëch und nachdem es wieder fahrtüchtig war, machte Max Lampelmaier sich ans Erheben der technischen Angaben für die Einzelgenehmigung. Allein dass er den Wendekreis nach links exakt angab, den nach rechts aber "vom Bauchumfang abhängig" festhielt, verschaffte ihm ein Extragespräch mit dem Sachverständigen. Doch der Max Lampelmaier hatte natürlich recht, denn der Rauch & Lang hat kein Lenkrad, sondern eine Stange, die man für Rechtskurven zu sich ziehen muss. Und das geht natürlich nur so weit, wie der Bauch nicht im Weg ist.

Max Lampelmaier demonstriert den bauchumfangabhängigen Wendekreis des Rauch & Lang.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Elektroautos waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts keine Exoten. Das beweist auch der Kaiserwagen von Austro-Daimler aus 1911. Kaiser Franz Josef war kein Freund von Autos und schon gar nicht von solchen mit Verbrennungsmotor. Diese würden stinken und die Pferde scheu machen, meinte der Kaiser. Folglich schenkte ihm der Österreichische Automobil Club zum Regierungsjubiläum 1911 einen Austro-Daimler mit E-Antrieb – und elektrischem Zigarrenanzünder.

Der Kaiserwagen hat nun wieder einen E-Antrieb.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Weil der Kaiser allein vor Gott sein Haupt beugt, wurde von der Karosseriefirma Ambruster für den Wagen ein eigens hoher Aufbau gemacht. Nach dem Zerfall der Monarchie wurde der Wagen wieder mit dem Originalmotor versehen, in die USA verkauft und erst 2003 gelang es Ernst Piëch den Wagen wieder nach Österreich zu holen. Nun steht er, mit einem neuen E-Antrieb versehen, im Fahr(t)raum.

Der Prinz-Heinrich-Wagen hat einen Flugzeugmotor und eine innovative Lösung, um die Hitze wegzubringen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Das genaue Gegenteil des Kaiserwagens, der Prinz Heinrich Wagen aus 1910, steht im Museum nur ein paar Schritte weiter. Der autonarrische Prinz aus Preußen veranstaltete das nach ihm benannte Rennen, das 1800 Kilometer durch Deutschland führte. Ferdinand Porsche war damals Direktor bei Austro-Daimler und wagte eine Konstruktion, die andere für unmöglich hielten. Er verbaute einen 5715 Kubikzentimeter großen Flugzeugmotor in den Rennwagen.

Der Auspuff hat noch eine Klappe, die man öffnen kann, um noch ein wenig mehr Leistung herauszuholen. Klingt höllisch.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Experten waren davon überzeugt, dass Porsche die thermischen Probleme dieser Konstruktion nicht in den Griff bekommen würde. Doch das tat er, indem er das Schwungrad hinter dem Motor zu einer Art Ventilator machte. Alle drei der Austro-Daimler-Werkswagen kamen 1910 nicht nur erfolgreich ins Ziel, sondern belegten gleich die ersten drei Plätze.

Max Lampelmaier im Stuck-Rennwagen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Auch wenn Max Lampelmaier den Prinz-Heinrich-Wagen sehr gerne fährt, sein Lieblingsauto ist ein anderes. Der Torpedo. Der Stuck-Rennwagen aus dem Jahr 1927, mit dem der "Bergkönig" Hans Stuck als nahezu unbesiegbar galt und 46 Siege einfuhr. Mit ihm schickte Ernst Piëch Max Lampelmaier zum ersten Mal zu einem Rennen historischer Fahrzeuge.

Auch ein Sascha steht im Fahr(t)raum.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Max Lampelmaier war gut dabei, als er zum Telefon griff, um Ernst Piëch von seiner Entscheidung, das Rennen abzubrechen, zu erzählen. Die letzte Sonderprüfung des Tages würde über eine 800-m-Schotterstraße den Berg hinaufführen. Das wollte Max Lampelmaier dem Rennwagen nicht antun. Doch Ernst Piëch meinte, er solle ruhig fahren, denn als der Wagen gebaut wurde, waren Schotterstraßen üblich.

Wenn im Museum jemand eine Motorhaube aufmacht, dann ist es ziemlich sicher der Max Lampelmaier. Gehen Sie ihm nicht mehr von der Seite.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wieder einmal stehen mit etwas Abstand andere Museumsbesucher neben Max Lampelmaier, schauen verstohlen rüber und hängen ihm an den Lippen, wenn er seine Geschichten erzählt und lassen sich auch einmal ein wenig von ihm häkeln. Oft kommen seine Scherze so wild angeschnitten daher, dass es mitunter ein paar Sekunden dauert, bis man merkt, dass man am Schauferl steht.

Abgesehen von der aktuellen Lage finden im Fahr(t)raum regelmäßig Sonderausstellung statt – wie bei uns eine über Austro-Daimler, bei der auch ein sehr seltener alter Postbus gezeigt wurde.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Aber sollten Sie je im Fahr(t)raum sein und immer wieder Gelächter hören – dort ist dann sicher gerade der Max Lampelmaier. Weichen Sie ihm nicht von der Seite. Löchern Sie ihn mit Fragen. Er weiß zu jedem der Autos wilde Geschichten, von der Restaurierung bis hin zu den Rennen, die damit bestritten wurden, oder die er damit bestritt. Und wenn er Sie dann, mit dem "Schweizer" oder dem "Amerikaner", zwei der Austro-Daimler, die in einer separaten Garage stehen, zu einer kleinen Fahrt rund um den Mattsee mitnimmt, dann sagen Sie auf der Stelle zu. Aber passen Sie bitte auf, dass ihm nicht gach die Papiere vom Auto auf den Boden fallen. Außer Sie wollen ihm noch kurz beim Liegestütz machen zuschauen. (Guido Gluschitsch, 8.10.2020)

Max Lampelmaier bei einer seiner Runden in einem Austro-Daimler.
Foto: Wolf-Dieter Grabner