Vor der BWL-Einführungsvorlesung im Austria Center wurden an zwei Tagen 3.000 WU-Studierende mit einem Antigen-Schnelltest auf Covid-19 getestet.

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Studieren im ersten Semester hieß früher, in "normalen" Zeiten, freudig aufgeregt an der noch fremden Universität herumstreifen, auf der Suche nach dem richtigen Hörsaal, in dem man mitunter auf dem Boden sitzen musste, weil so viele die Vorlesung hören wollten, danach in die Mensa, auch um neue Kontakte zu knüpfen, und am Abend – die im Nachhinein oft auch ein bisschen verklärten – "Studentenfestln". Aber sie waren ja auch toll! Darum ist man ja ausgeflogen aus dem elterlichen Nest in die neue Hochschulwelt.

Früher, das ist nicht lang her, nur ein Jahr. Am Donnerstag beginnt für eine Kohorte der Generation Z das Wintersemester 2020/21. Den diesjährigen Erstsemestrigen (die Inskriptionsnachfrist läuft bis Ende November), der Kohorte C wie Corona, steht ein Studienanfang bevor, den es so noch nicht gab. Sie müssen sich in ein studentisches Leben eingewöhnen, das von Distanz geprägt sein wird.

Allein vorm Laptop statt im vollen Hörsaal

"Ehrlich gesagt wurde mir die Freude aufs Studieren schon etwas entzogen", erzählt Lara, die mit einem BWL-Studium anfängt: "Wahrscheinlich wird der Großteil der Lehrveranstaltungen über Zoom abgehalten, hieß es vorab. Für mich ist Studieren verbunden mit etwas Neuem, neuen Bekanntschaften, aus denen vielleicht sogar Freundschaften entstehen, und vielem mehr ... Wenn ich dann allein in meinem Zimmer vor meinem Laptop hocke, geht mir da einfach etwas ab, besonders im ersten Semester", sagt sie.

"Sonst verlieren wir die schnell"

Da findet die angehende Studentin in Sabine Seidler, der Vorsitzenden der Universitätenkonferenz (Uniko) und Rektorin der TU Wien, eine Verbündete. "Mir ist es extrem wichtig, den Erstsemestrigen so viel wie möglich an der Uni zu ermöglichen. Das ist essenziell für diese Gruppe. Die Anfängerinnen und Anfänger werden bei der Raumzuteilung bevorzugt. Sie müssen Netzwerke und Lerngruppen aufbauen. Wenn sie die nicht finden, verlieren wir die ganz schnell wieder", warnt die TU-Rektorin. "Die große Gefahr für diese Gruppe war nicht die Matura, sondern das wird der Studienbeginn in Corona-Zeiten."

Darum werden an der TU Wien – immer mit dem Zusatz: so sich die epidemiologische Lage nicht verändert – im Wintersemester im Schnitt 30 Prozent aller Lehrveranstaltungen in Teilpräsenz abgehalten, für die Studienanfänger jedoch sind es 94 Prozent, sodass sie ihre Uni auch tatsächlich real und physisch anwesend erleben und erkunden können.

Das entspricht der Hoffnung, die Lara, die Studentin in spe, wohl nicht nur für Hochschulneulinge, formuliert: "Ich persönlich wünsche mir so viele Präsenztermine wie möglich. Mit Betonung auf wie möglich, denn natürlich befinden wir uns momentan in keiner ‚normalen’ Lebensphase, aber ich möchte trotzdem nicht zu hundert Prozent auf all das Schöne am Studentenleben verzichten."

Hybridbetrieb lautet die Zauberformel

Die Zauberformel in Corona-Zeiten heißt: Hybridbetrieb. "Wir planen ein hybrides Semester", sagt Uniko-Vorsitzende Seidler. Also einen Mix aus Präsenzveranstaltungen und digitaler Lehre. Da an der TU Wien je nach Corona-Risikosituation die Hörsäle und Seminarräume nur zu 50 bzw. bei höherer Infektionsgefahr 25 Prozent besetzt werden, heißt das aber auch, "dass viele Studierende, vor allem Höhersemestrige, das Wintersemester permanent mit Onlinevorlesungen verbringen werden". Hingegen ist für die großen Anfängervorlesungen eine Art "Kohortenregelung" geplant. Jede Vorlesung wird gestreamt und aufgezeichnet, die Hälfte der Zuhörer darf in den Hörsaal, die andere hört daheim zu, und in der Woche darauf wird gewechselt.

QR-Code als Ticket für den Hörsaal

Um bei Covid-19-Verdachtsfällen das Kontaktmanagement zu erleichtern, müssen sich TU-Studierende für jede Lehrveranstaltung anmelden und am Eingang des Hörsaals mit dem Handy einen QR-Code einscannen, quasi ihre Anwesenheit bestätigen, bevor sie sich auf einen der nummerierten Plätze setzen.

Auch an der Uni Wien, der größten Universität des Landes, wird das kommende Wintersemester ein hybrides. Und auch dort gilt den Anfängern besonderes Augenmerk: "Die Studienprogramme sollen schauen, dass Erstsemestrige auch vor Ort ins Studium eingeführt werden. Sie haben Priorität bei der Raumnutzung", sagt Vizerektorin Christa Schnabl. Zumal Corona-bedingt ja nur 50 Prozent der Raumkapazitäten zur Verfügung stehen.

Die Erfahrungen aus der Lockdown-Phase sind gut: "Wir liegen bei den Prüfungsleistungen sogar knapp über dem Vorjahr. Trotz Distance-Learning gab es also entsprechende Studienfortschritte. Das ist eine gemeinsame Leistung von Lehrenden und Studierenden", sagt Schnabl. Konkret gab es an der Uni Wien knapp 16.000 Prüfungstermine, bei denen insgesamt rund 185.000 digitale und schriftliche Prüfungen abgelegt wurden – um 0,6 Prozent mehr als im "normalen" Vorjahr. Die prüfungsaktiven Studien stiegen um etwa ein Prozent im Vergleich zum Jahr davor.

Soziale Interaktion fehlt am meisten

Auch Dieter Süß, Physik-Professor an der Uni Wien, verzeichnete im Lockdown-Semester signifikant bessere Prüfungsergebnisse. Er führt das zum Teil auf "weniger Ablenkung" zurück, aber auch darauf, dass auf digitalem Weg auch Studierende Fragen stellen, die sich das im vollen Hörsaal vielleicht nicht trauen. Eine erneute Distance-Learning-Phase fürchtet Süß didaktisch nicht: "Das Elektroniklabor musste vor 60 Jahren vor Ort sein, heute ist vieles durch Simulationen im digitalen Elektroniklabor sehr gut verstehbar. Es ist viel mehr digital möglich, als man glaubt."

Nur etwas Essenzielles eben nicht: "Das Hauptproblem ist, dass die zwischenmenschliche Interaktion wegfällt. Die fehlt wirklich. Inhalte vermitteln kann man auch digital sehr gut." Er setzt dazu auf eigene Chatkanäle, wo Lehrende und Studierende miteinander "reden" und einander kennenlernen können.

Diesen Aspekt der "Ansprechbarkeit" der Vortragenden unterstreicht auch der Rektor der Uni Klagenfurt, Oliver Vitouch: "Die Dinge, die vor und nach einer Lehrveranstaltung stattfinden, sind fast genauso wichtig wie das, was während der Veranstaltung passiert."

Kein Uni-Business as usual, auch wenn die Ampel auf Grün steht

Klagenfurt ist die einzige Uni in Österreich, wo die Corona-Ampel aktuell auf Grün steht. "Das bringt uns relativ wenig", sagt Vitouch mit Verweis auf das internationale Einzugsgebiet. Es wird daher auch in Kärnten kein Uni-Business as usual geben. Ein Meter Abstand in Hörsälen würde bedeuten, dass im Audimax statt 600 nur 100 Sitzplätze bleiben, und es geht steil runter auf Räume, in die nur sieben Personen hineindürften: "Mit solchen Kapazitäten brauchen wir ein Präsenzsemester gar nicht zu beginnen", sagt Vitouch. Also: Schachbrettmuster, Masken und Hybridbetrieb: Das Gros der Veranstaltungen kombiniert Präsenz (möglichst viel für Anfänger plus Videostreams) und Digitallehre (englischsprachige Masterprogramme "online only").

Im Moment dominiert Zuversicht das Corona-Echtzeitexperiment an den österreichischen Hochschulen. Mit Blick auf die Erfahrungen in der Schweiz, wo der Unibetrieb bereits seit Mitte September läuft und "sehr gut funktioniert", sagt Uniko-Vorsitzende Seidler. "Es gibt natürlich Fälle, eh klar, die gibt's überall. Aber die Sicherheitskonzepte greifen, und darum bin ich optimistisch." (Lisa Nimmervoll, 29.9.2020)