Nicht alle Mitglieder der Uniko sind mit den Aussagen der Präsidentin einverstanden. Gerald Bast sieht darin nicht den richtigen Weg.
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In einem STANDARD-Interview vom Donnerstag ließ die Präsidentin der Universitätenkonferenz (Uniko), Sabine Seidler, mit pointierten Positionen aufhorchen. Sie monierte, dass österreichische Uni-Absolventen im Schnitt zu lange für einen Abschluss bräuchten, und sieht Studierende gegenüber dem Steuerzahler in der Pflicht, rasch ins Berufsleben einzusteigen. Ein Studieren nur um des Studierens willen sei auf Dauer nicht angebracht, sagte Seidler. Nicht zuletzt im Hinblick auf internationale Rankings drängt die Uniko-Chefin auf höhere Absolventenquoten. Als eine mögliche Maßnahme schwebt ihr dazu die Einschränkung von Mehrfachinskriptionen vor, auch wenn Seidler zugleich betonte, dass deren Zahl ohnedies im Trend rückläufig ist.

Klassische Biografien passé

Das Interview sorgte nicht bei allen Uniko-Mitgliedern – also den Rektorinnen und Rektoren der heimischen Unis – für Begeisterung. Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, meldete sich prompt mit einer Gegenrede beim STANDARD. Er wolle Seidlers Aussagen nicht so stehen lassen, erklärte er, denn sie gingen gesellschaftlich und bildungspolitisch in die falsche Richtung. Gerade in Zeiten der Corona-Krise samt hoher Arbeitslosigkeit sei es verfehlt, Studierende rasch von der Uni in den Arbeitsmarkt schleusen zu wollen. Die Krise treffe auch Berufseinsteiger hart, da sei es das falsche Signal, wenn die Unis hier Druck aufbauen, befindet Bast. Doch selbst bei Ausblendung der Corona-Krise ortet der Rektor nach Lektüre des Interviews ein "veraltetes Bild einer Bildungsgesellschaft". Die Zeiten, in denen Schule, Uni, Arbeitsleben und Pension eine "sequenzielle Biografie" ergaben, seien vorbei. Durch technologischen Fortschritt würden viele Jobprofile wegfallen, daher "ist es unrealistisch zu sagen, ich suche mir ein Studium für einen bestimmten Job und das war’s dann".

Bildung und Demokratie

In Zukunft werde es weniger um die Beherrschung eines engen Fachgebiets gehen als um abstraktere Fähigkeiten wie Kreativität oder kritisches und vernetztes Denken. Das sollten die Unis laut Bast nicht durch die Einschränkung von Mehrfachstudien begrenzen, die quantitativ ohnehin selten seien. Er sehe es auch nicht als verlorenen Ressourcenaufwand, wenn jemand ein Studium abbricht: "Bildung ist ein Wert an sich und fördert die Teilnahme am demokratischen Diskurs ungemein."

Bast wünscht sich, dass sich die Universitäten stärker gegen kurzfristige ökonomische Zwänge auf Bildung wenden und hier innovative Ansätze einfordern, anstatt den Druck zu übernehmen. Auf Indikatoren wie etwa Absolventenquoten zu starren, sei der konzeptionellen Weiterentwicklung der Unis eher abträglich, wenn man nicht in großem Stil neue Studienangebote schaffe, die radikalen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft gerecht werden, meint Bast. Stattdessen brauche die Unis Anreize, um interdisziplinäre Angebote auszubauen und mit neuen Studiengängen zu experimentieren. Man werde um eine komplette "Neudefinition von Hochschulbildung angesichts der Revolution in der Arbeitswelt" ohnehin nicht herumkommen, ist Bast überzeugt.

Für genügend Gesprächsstoff innerhalb der Universitätenkonferenz dürfte jedenfalls gesorgt sein. (Theo Anders, 23.10.2020)