"Die Flexibilitäten sollen automatisiert gesteuert werden können, um sie auf diese Art in die Energiemärkte zu integrieren", erklärt Hemm.

Foto: Oskar Hemm

In von erneuerbaren Energieformen geprägten Strommärkten gewinnt ein Begriff stark an Bedeutung: Flexibilität. Der Zeitpunkt der Energieherstellung aus Wind und Sonne ist nicht kontrollierbar, also muss man auf Verbraucherseite flexibel werden. Strom muss dann konsumiert oder gespeichert werden, wenn er vorhanden ist. Steht kein Sonnen- und Windstrom zur Verfügung, soll der Verbrauch gering sein.

Wärmepumpen, Boiler und Elektroautos, die Energie zeitlich flexibel aufnehmen können, werden zum wertvollen Gut und müssen umsichtig gemanagt werden. Das ist ein Bereich, mit dem sich Regina Hemm am Center for Energy des AIT Austrian Institute of Technology beschäftigt. Im Projekt Flex+, das von Klimafonds, der Förderagentur FFG und dem Klimaschutzministerium gefördert wird, arbeitet sie mit Kollegen und Partnerorganisationen an Systemen, die dem flexiblen Verbrauch gerecht werden.

Handel mit ungeliefertem Strom

"Die Flexibilitäten sollen automatisiert gesteuert werden können, um sie auf diese Art in die Energiemärkte zu integrieren", erklärt Hemm. Wärmepumpen und Co in Haushalten werden deshalb im Projekt zu virtuellen Pools zusammengefasst, die bei Bedarf mit Energie versorgt werden.

Diese Flexibilitäten sollen dann am Day-Ahead- und am Regelenergiemarkt angeboten werden. Zur Erklärung: Am Day-Ahead-Markt wird der Strom am Tag vor seiner Lieferung auf Basis von Prognosen gehandelt. Regelenergie ist nötig, wenn der tatsächliche Verbrauch von der Prognose abweicht – auch sie wird über einen eigenen Markt gehandelt.

Fahrplan

Zur Integration der Flexibilitäten an diesen Märkten braucht es einen "Fahrplan" – eine Berechnung am Tag vor der Lieferung, die zeigt, wie die flexiblen Pools optimal eingesetzt werden sollen. "Diese Modelle basieren auf den Eigenschaften der Komponenten und den Gebäuden, in denen sie eingesetzt sind, auf dem Design der Märkte und natürlich auf den Vorhersagedaten zu Wetter und Energiebedarf", sagt Hemm, die an der Entwicklung dieses Fahrplans arbeitet.

Die resultierende Anwendung wird dann anhand eines realen Pools getestet. Verbraucher können dabei via App ihre Marktteilnahme verfolgen. Für die Präsentation einer entsprechenden Schnittstelle, die die Interaktion zwischen "Prosumer" – Haushalte, die Energie sowohl erzeugen als auch verbrauchen – und Energielieferanten automatisch steuert, wurde Hemm beim AIT Poster Award ausgezeichnet, der in Kooperation mit den Förderagenturen Tecnet Equity und Accent des Landes Niederösterreich veranstaltet wird.

Physik und Kickboxen

Die 1993 in Braunau geborene Physikerin kam durch ihre Masterarbeit im TU-Wien-Studium der physikalischen Energie- und Messtechnik an das AIT. Nach ihrem Abschluss startete sie hier 2019 als Junior Researcher Engineer. Für die Physik entschied sich Hemm aus Neugierde, "mit einem mathematischen und physikalischen Zugang die Welt besser verstehen und erklären zu können".

Mit einem Uni-Kurs entstand auch eine ihrer größten Leidenschaften abseits der Physik: das Kickboxen – ein Sport, den sie bereits seit Jahren mit Freude betreibt. "Es ist erstaunlich, was auch der Körper in seinen Bewegungsabläufen alles lernen kann", sagt Hemm. (Alois Pumhösel, 7.10.2020)