Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. Dafür müssen vielerorts Emissionen eingespart werden – auch im Verkehr.

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Es klingt drastisch: Ein Spritpreis von vier Euro je Liter ist – unter anderem – nötig, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Eine derart hohe Belastung für Autofahrer wäre die Folge, wenn die Vorgaben der Union umgesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die vom ÖAMTC in Auftrag gegeben wurde. Erst dann würde das Autofahren stark genug reduziert werden, um die notwendige Emissionseinsparung zu erreichen, so das Fazit der am Dienstag präsentierten Untersuchung, die das Economica-Institut für Wirtschaftsforschung für den Verkehrsklub erstellt hat.

Laut Studienautor Christian Helmenstein basiert das Szenario auf folgenden Annahmen: Die Aufteilung des Pkw-Lkw-Aufkommens bleibt auf dem Niveau von 2015. Darüber hinaus fällt der Tanktourismus weg. Ausgegangen wird zudem von einer Abschaffung des Dieselprivilegs, einer Erhöhung der Mineralölsteuer und der Normverbrauchsabgabe sowie einer kilometerabhängigen Maut.

Erst wenn all diese Punkte erfüllt wären – und eben die massive Spritpreiserhöhung –, könnte Österreich die neuen EU-Klimaziele im Verkehr erreichen, heißt es in der Studie. Diese konnte DER STANDARD nicht zur Gänze einsehen. Sie sei noch nicht finalisiert, hieß es auf Nachfrage.

Bisher galt, dass die Republik ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 36 Prozent reduzieren muss. Sobald ein neues EU-Klimaziel vorhanden ist – noch stehen Abstimmungen aus –, muss auch Österreich nachschärfen.

Minus 61 Prozent im Verkehrssektor

Das Economica-Institut rechnet jedenfalls damit, dass Österreich seine Emissionen im Verkehrssektor um 61 Prozent reduzieren muss. Der ÖAMTC fürchtet dadurch eine massive Mehrbelastung für heimische Lenker, konkret in der Höhe von bis zu 49 Milliarden Euro im Zeitraum von 2021 bis 2030. Pro Fahrzeug würden die Mehrkosten jährlich steigen und 2030 im Schnitt 1541 Euro ausmachen.

Das ist allerdings nur das tiefgreifendste der drei Szenarien. In der ersten Annahme würden nur die steuerlichen Rahmenbedingungen verändert werden, nicht aber das Fahrverhalten der Österreicher. Das Klimaziel könnte so "unter gar keinem Umstand erreicht werden", sagt Helmenstein. In Szenario zwei wäre das Klimaziel etwas greifbarer. Dafür müsste der E-Auto-Anteil bei Neuzulassungen im Jahr 2030 auf hundert Prozent steigen.

Selbst wenn alle Neuzulassungen in Österreich 2030 E-Autos wären, würde das nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen, heißt es in der Studie.
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Die Studienautoren ließen bei der Berechnung jedoch einige Aspekte außer Acht: Das Institut sprach bei der Pressekonferenz lediglich von Mehrbelastungen, nicht aber davon, was mit den höheren Einnahmen geschehen würde. Nur auf Nachfrage hieß es: "Tatsächlich bieten die Mehreinnahmen des Staates die Möglichkeit, diese Mittel entsprechend einzusetzen."

"Die Verwendung der Einnahmen nicht mitzudiskutieren greift für mich zu kurz", kommentiert der Klimaökonom Karl Steininger die Ergebnisse. Immerhin könnten diese im Rahmen einer sozioökologischen Steuerreform wieder umverteilt werden. Auch mögliche Effekte aus den geplanten Öffi-Milliarden und dem 1-2-3-Ticket wurden nicht berücksichtigt.

Nicht beachtet wurden laut Steininger zudem die externen Kosten, die durch die Klimakrise verursacht werden – und auch vom Steuerzahler übernommen werden müssen. Das Wegener-Institut für Klimaforschung, an dem der Ökonom tätig ist, hat diese in einer im Juni erschienenen Studie untersucht. Allein heuer bezifferten die Wissenschafter die Kosten des Nichthandelns in der Klimakrise mit 15 Milliarden Euro. Dazu zählen etwa Kosten durch eine Mehrbelastung des Gesundheitssystems.

Hinzu kommen noch Kosten für CO2-Zertifikate, die der Staat kaufen muss, sollte Österreich die Klimaziele verfehlen. Zuletzt wurden sie für den Zeitraum 2021 bis 2030 mit bis zu 6,6 Milliarden Euro beziffert.

Reduktionswert womöglich niedriger

Insgesamt hält Steininger auch das Reduktionsziel von minus 61 Prozent im Verkehrssektor außerhalb des Emissionshandels für zu hoch gegriffen. "Wir kommen insgesamt auf minus 50 bis 52 Prozent", sagt der Ökonom. Wieso gerade der Verkehrssektor dermaßen stark belastet werden sollte, ist für Steininger nicht schlüssig. Zudem könnten viele Einsparungen durch technische Standards – etwa Emissionsgrenzen bei Autoflotten – gelingen.

Für Steininger klingt das zweite vom Economica-Institut errechnete Szenario, jenes mit dem vollständigen Umstieg auf E-Autos, realistisch. Sollte es so dennoch nicht zu einer ausreichenden Treibhausgasreduktion kommen, könnte diese auch in anderen Bereichen gelingen, sagt der Wirtschaftsforscher. "Dass wir im Verkehr deutlich falsch unterwegs sind, ist klar", meint der Ökonom mit Verweis auf den steigenden Ausstoß in dem Sektor.

Der ÖAMTC wollte aus der Studie am Dienstag vorerst keine politischen Forderungen ableiten. "Die Zahlen haben uns überrascht", sagte Sprecher Ralph Schüller. (Nora Laufer, 29.9.2020)