Von der Umgebung auf die Person schließen: Mit der Auswertung von Geo-Milieus ist das möglich.

Foto: Getty Images / iStockphoto / geogif

Mehr als 10.000 Menschen haben sich in den vergangenen Jahren bei der Post gemeldet, um zu erfahren, ob und an wen konkret die Post ihre Daten für Marketingzwecke weitergegeben hat. Während die Beantwortung dieser Anfragen durch die Post erledigt sind, laufen Klagen zu diesem Thema immer noch. Der Grund: Oft ging aus der Beantwortung nur hervor, dass persönliche Daten erhoben wurden, aber nicht, ob und an wen diese weitergereicht wurden.

Kritik wegen Parteiaffinität

Einen Aufschrei gab es auch, als bekannt wurde, dass die Post die Parteiaffinität der Bürger an Parteien weiterverkauft haben soll. Die Datenschutzbehörde leitete daraufhin ein Verfahren gegen die Post ein, weil sie die Speicherung der Parteiaffinität und deren Weiterverkauf durch die Post für nicht legal gehalten hat, DER STANDARD berichtete.

Nun ist die Datenschutzbehörde erneut aktiv geworden. Denn die Post hatte bei Bürgern nicht nur eine direkte Zuordnung zu Parteien getroffen, sondern auch Daten im Rahmen des Adressverlags weiterverkauft, die aussagten, ob jemand ein "neuer Konservativer", "digitaler Individualist", "Hedonist" etc. sei. Die Datenschutzbehörde befand nun, dass diese sogenannten Sinus-Geo-Milieus sensible Daten besonderer Kategorie (Art 9 DSGVO) darstellen, deren Verarbeitung im Allgemeinen untersagt ist. "Das bedeutet, dass diese Daten nicht ohne explizite Einwilligung der Bürger verarbeitet werden dürfen", sagt Anwalt Severin Hammer, der in diesem Zusammenhang einen – noch nicht rechtskräftigen – Bescheid erwirkt hat. Laut Bescheid müssten diese Daten von der Post gelöscht werden.

Adressbezogener Datensatz

Solch eine explizite Einwilligung der Betroffenen werde wohl niemals vorliegen, "weil doch kein vernünftiger Mensch dazu einwilligt, dass er von der Post als ,Hedonist‘ oder ,neuer Konservativer‘ bezeichnet werden darf und diese Daten von der Post kommerzialisiert werden, ohne die Betroffenen zu beteiligen", ergänzt Anwalt Robert Haupt.

Die Post hatte in dem Verfahren rund um die Einstufung nach Sinus-Geo-Milieus erklärt, es handle sich dabei um einen adress- und nicht personenbezogenen Datensatz. Diesen Ansatz hat die Datenschutzbehörde vorerst nicht gelten lassen.

Die Rechtsschutzplattform Cobin Claims hatte in der Causa Post-Auskünfte rund um die Erhebung von Parteiaffinitätsdaten eine Sammelaktion für betroffene Bürger gestartet. Mehr als 2000 Österreicher haben sich der Aktion angeschlossen. Es wurde ein Musterverfahren für einen Steirer gerichtet auf Schadenersatz in die Wege geleitet sowie flankierend dutzende Verfahren bei der Datenschutzbehörde sowie dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien initiiert.

Vergleich wird angestrebt

Für Cobin Claims ist der aktuelle Spruch ein Erfolg. Man hoffe nun auf eine Vergleichslösung, teilte die Plattform via Aussendung mit. Dort heißt es auch, dass gerade die Weigerung der Post, die konkreten Empfänger zu benennen, das zentrale Betroffenenrecht auf Löschung aushöhle. Wer nicht weiß, an wen die Daten verkauft wurden, kann auch sein Recht auf Löschung nicht durchsetzen, heißt es.

Die Datenschutzbehörde hat nun also die umschriebene als auch die direkte Zuordnung von Bürgern zu politischen Parteien in Datenbeständen als unzulässig erachtet. Laut DSGVO steht den Betroffenen dafür nicht nur Datenlöschung, sondern auch ideeller Schadenersatz für diese von vielen als Bespitzelung empfundene Datensammlung, -verarbeitung und -verkauf zu. Aufgrund einer Judikaturanalyse geht Cobin Claims davon aus, dass Betroffene Anspruch auf bis zu 3000 Euro ideellen Schadenersatz haben.

Die Post wollte sich zur Causa nicht äußern. Der Spruch werde geprüft und noch laufende Verfahren vorab nicht kommentiert, sagt ein Sprecher. (Bettina Pfluger, 30.9.2020)