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Ein armenischer Soldat feuert eine Kanone Richtung Aserbaidschan ab.

Foto: AP / Sipan Gyulumyan

Stepanakert / New York / Ankara / Paris – In dem neu aufgeflammten Konflikt um die Kaukasusregion Bergkarabach hat die Türkei Aserbaidschan offiziell militärische Unterstützung zugesichert. Die Türkei werde bei einem Hilfsgesuch Aserbaidschans "tun, was notwendig ist", sagte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Mittwoch. Am Dienstag hatte die Türkei die Darstellung Armeniens als falsch zurückgewiesen, dass die türkische Luftwaffe einen armenischen Kampfjet abgeschossen habe. Armenien veröffentlichte am Mittwoch Fotos des Flugzeugwracks und bekräftigte die Vorwürfe.

Seit Sonntag weitet sich der jahrzehntelange Konflikt immer mehr aus. Beide Länder streiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion über die Zugehörigkeit von Bergkarabach, das hauptsächlich von Armeniern bewohnt wird und sich 1991 von Aserbaidschan lossagte. Die Region im Südkaukasus mit etwa 150.000 Einwohnern wird aber von keinem Staat als unabhängig anerkannt.

Zeichen stehen auf Eskalation

Die Kämpfe zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen hielten am Mittwoch den vierten Tag in Folge an, wie beide Seiten übereinstimmend meldeten. Seit Beginn der Kämpfe am Sonntag wurden nach offiziellen Angaben beider Seiten mehr als hundert Menschen getötet, darunter auch 22 Zivilisten. Beide Konfliktparteien nehmen für sich in Anspruch, der Gegenseite noch deutlich größere Verluste zugefügt zu haben.

Aserbaidschan werde seine Militäroperation bis zu einem Rückzug Armeniens aus dem Gebiet fortsetzen, sagte Staatschef Ilham Aliyev am Mittwoch. Erst dann werde es eine Waffenruhe geben. Aufrufe zum Dialog seien deshalb sinnlos, Verhandlungen würden kein Ergebnis bringen.

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinian schlug ein Vermittlungsangebot Russlands aus. Voraussetzung für Verhandlungen sei eine "passende Atmosphäre".

Macron zeigt im Konflikt um Bergkarabach auf Aserbaidschan

Armenien ist mit Russland verbündet und bekam am Mittwoch auch Rückendeckung von Frankreich. Präsident Emmanuel Macron kritisierte die Äußerungen der Türkei zugunsten von Aserbaidschan auf einer Pressekonferenz als "rücksichtslos und gefährlich".

Der türkische Außenminister reagierte darauf umgehend: In dem Interview mit der Nachrichtenagentur Anadolu erklärte er, Frankreichs Solidarität mit Armenien komme einem Freibrief für eine Besetzung Aserbaidschans gleich. Macron kündigte an, über den Konflikt am Mittwochabend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und am Donnerstag mit US-Präsident Donald Trump zu beraten. Russland steht an der Seite Armeniens.

EGMR: Armenien und Aserbaidschan müssen Zivilisten schützen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies Armenien und Aserbaidschan an, jede Militäraktion zu vermeiden, die Zivilisten gefährden könnte. Die gegenwärtigen Kämpfe um die umstrittene Region Berg-Karabach bildeten ein ernsthaftes Risiko für Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, der beide Staaten angehören, erklärte das Gericht mit Sitz in Straßburg am Mittwoch.

Armenien hatte das internationale Gericht Anfang der Woche eingeschaltet. Mit dem Antrag wollte die Führung in Eriwan erreichen, dass das Nachbarland Angriffe auf zivile Siedlungen und die Zivilbevölkerung beendet. Der EGMR gehört zum Europarat. Gemeinsam kümmern sie sich um den Schutz und Umsetzung der Menschenrechte in 47 Staaten.

UN-Sicherheitsrat will Ende der Kämpfe

Der UN-Sicherheitsrat fordert ein sofortiges Ende der Kämpfe in der Unruheregion Bergkarabach im Südkaukasus. Die 15 Mitglieder unterstützen UN-Generalsekretär António Guterres bei seiner Forderung nach einer Waffenruhe, einer Deeskalation der Spannungen und einer sofortigen Wiederaufnahme von Verhandlungen, sagte der UN-Botschafter des Niger, Abdou Abarry, am Dienstag.

Zuvor hatte Guterres bereits mehrfach ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert – auch per Videotelefonschaltungen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan. Guterres fordert neben der sofortigen Wiederaufnahme von Verhandlungen auch die Wiederentsendung von OSZE-Beobachtern in die Region.

Die OSZE erklärte am Dienstag, dass Beobachter bereitstünden, sobald es die Lage wieder zulasse. Bei einem Sondertreffen der Organisation hatten sich Diplomaten der 57 OSZE-Staaten über die Auseinandersetzungen im Südkaukasus ausgetauscht. (APA, red, 30.9.2020)