Mehr als fünf Jahre nach der Veröffentlichung von The Witcher 3: Wild Hunt, dürfte der polnische Spieleschmiede CD Projekt RED wieder der größte Games-Release des Jahres gelingen. Dieser Eindruck ergibt sich zumindest, wenn man den Hype beobachtet, der sich rund um Cyberpunk 2077 entsponnen hat.

Doch das Spiel, das allen bisherigen Previews zufolge wohl auf gute Resonanz stoßen wird, wirft nun einen düsteren Schatten. Eigentlich wollte das Entwicklerstudio in Zukunft auf sogenannte "Crunchtimes" verzichten. Darunter versteht man verpflichtende Überstunden, die häufig verlangt werden, wenn ein Projekt sonst nicht im Rahmen der vorgesehenen Zeit fertig wird. Solche müssen nun auch die CD Projekt RED-Mitarbeiter leisten, berichtet der gewöhnlich sehr gut informierte Journalist Jason Schreier bei Bloomberg.

Verpflichtende Sechs-Tage-Woche

"Letztes Jahr haben mich die Chefs von CD Projekt RED wegen eines Interviews kontaktiert. Sie wollten öffentlich ankündigen, dass sie für Cyberpunk 2077 verpflichtende Crunchtime vermeiden möchten", erklärt Schreier einleitend auf Twitter. Doch die Realität sehe anders aus.

Viele Entwickler hätten schon bis heute über Monate oder gar Jahre Überstunden für das Spiel geleistet. Doch eine E-Mail, die Anfang dieser Woche an die Belegschaft versandt wurde, widerspricht den Aussagen der Verantwortlichen direkt. Die Mitarbeiter müssen in der Endphase der Entwicklung nun sechs Tage in der Woche arbeiten. Das stehe im Widerspruch zu den eigenen Ankündigungen, jedoch sehe man keine Alternative, da man alle anderen Mittel, um im Plan zu bleiben, ausgeschöpft habe.

Das Spiel erscheint nach mehreren Verschiebungen nun offiziell am 19. November. Den Releasetermin vor Weihnachten zu verpassen, scheint keine Option für das Management des Konzerns zu sein. Mutterfirma CD Projekt (ohne "RED") ist mittlerweile einer der wertvollsten Spielepublisher Europas. 2019 gab es bereits erste Berichte über problematische Arbeitsbedingungen im Rahmen der Cyberpunk-Entwicklung. Und 2017 sprachen ehemalige Mitarbeiter über Ähnliches bei der Umsetzung von The Witcher 3.

Cyberpunk 2077

Verpönte Praxis

Crunchtimes gelten mittlerweile weitestgehend als verpönt, findet aber immer wieder Anwendung. Gerade in der Spieleindustrie sind in den letzten Jahren immer wieder Fälle publik geworden. Einige Entwickler haben über ihre Erlebnisse und die psychischen, sozialen und körperlichen Folgen dieser Arbeitspraxis berichtet.

Gleichzeitig haben sich auch immer wieder Studios dazu bekannt, Crunchtimes abschaffen oder stark eindämmen zu wollen. Im vergangenen April kündigte beispielsweise Rockstar Games, die Macher von GTA und Red Dead Redemption, Initiativen in diese Richtung an. (gpi, 30.9.2020)