Eine verkehrsberuhigte Wiener Innenstadt wird es vorerst nicht geben – zumindest nicht nach den Plänen von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.

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Bürgermeister Michael Ludwig stellt sich gegen die Pläne zur "autofreien City" und verweist auf rechtliche Bedenken der Magistratsdirektion.

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Wien – Die Pläne hätten, wenn es nach der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein gegangen wäre, noch vor der Wien-Wahl umgesetzt werden können. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) jedoch erteilte am Mittwoch dem bereits im Juni vorgestellten Konzept einer verkehrsberuhigten Innenstadt – der sogenannten "autofreien City" mit Einfahrtsbeschränkungen – aber eine klare Absage. Die Pläne für eine Verkehrsberuhigung innerhalb des Rings müssen demnach zurück an den Start. Für Hebein bedeutet das im Wahlkampf aber auch eine Demütigung durch den Bürgermeister auf offener Bühne.

Ludwigs Entscheidung fußt auf einem Rechtsgutachten des Magistrats. Die Conclusio des Stadtchefs lautet: "Der Entwurf befindet sich mit dem rechtlichen Rahmen nicht im Einklang." Konkret habe die Magistratsdirektion Recht festgestellt, dass die Verordnung kompetenz- und damit verfassungswidrig sei. "Die gesetzliche Rechtsgrundlage fehlt", so Ludwig. Außerdem würden die Hebein-Pläne gegen das Sachlichkeitsprinzip verstoßen, es gebe ein Kundmachungsproblem aufgrund der vielen Ausnahmen, datenschutzrechtliche Vorbehalte und eine fehlende Kontrollmöglichkeit.

Damit dürften die bisherigen Vorschläge der grünen Verkehrsstadträtin zur City-Verkehrsberuhigung laut Ludwig obsolet sein. Kernpunkt des Konzepts ist ein Einfahrtverbot vom Ring in Richtung Stadtzentrum für alle Kraftfahrzeuge – aber mit umfangreichen Ausnahmen.

Hebein-Konzept sah viele Ausnahmen vor

So wäre etwa Anrainern weiterhin die Einfahrt gestattet gewesen. Ebenso wäre die Zufahrt in die Innenstadt auch Wienern, Besuchern und Touristen möglich gewesen, sofern eine Parkgarage angesteuert wird. Ausnahmen gäbe es auch für Fahrzeuge von Firmen im Ersten und von Unternehmen, die regelmäßig in der City zu tun haben. Beschäftigte, die in der Nacht und somit außerhalb der Öffi-Betriebszeiten arbeiten, hätten demnach ebenfalls zufahren können. Dasselbe hätte für Taxis, Hotelgäste, Diplomaten, Einsatzfahrzeuge, die Müllabfuhr, Fahrzeuge mit Ladetätigkeit, die Post sowie Fahrzeuge mit Sonderbewilligung gegolten – um nur einige zu nennen.

Das Projekt einer verkehrsberuhigten City umfasste nicht den Ring selbst.
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Ludwig meinte, dass er zwar Verkehrsberuhigung in der gesamten Stadt unterstütze. "Präzision geht aber vor Geschwindigkeit." Es gelte, "zurück zur Sachlichkeit" zu finden und "alle Betroffenen mit einzubeziehen". In anderen Worten: Das Projekt der Verkehrsberuhigung in der City muss zurück an den Anfang – und das nach der Wahl am 11. Oktober. Denn Ludwig fordert zusätzlich "ein ganzheitliches Konzept, das über den ersten Bezirk hinausreicht". Die Bezeichnung "autofreie City" für Hebeins Projekt nannte Ludwig "eine PR-Überschrift. Die autofreie City hat es nie gegeben."

Präsentation der Pläne Mitte Juni ohne Ludwig

Hebein hatte sich bereits Mitte Juni mit Markus Figl (ÖVP), dem Bezirksvorsteher der Innenstadt, sowie mit den Neos in der City auf die Einfahrtsbeschränkungen geeinigt. Die Präsentation ohne SPÖ – und ohne die Magistratsabteilung Recht vorab einzubeziehen – nahm Ludwig seiner Stellvertreterin aber mehr als übel. Schon im Sommer drohte der Stadtchef sein Veto an.

Nun gilt es laut Ludwig, "möglichst schnell zu einer Lösung zu kommen" – ohne hier einen genauen Zeitplan zu nennen. Man müsse mit allen betroffenen Interessengruppen – von Ärzten über Kindergärten, Schulen und Eltern bis zu Unternehmern im Ersten – kommunizieren, so der Bürgermeister. Zwar hat der erste Bezirk schon seit 2018 an Konzepten zur Verkehrsberuhigung gefeilt und Interessierte eingebunden. Ludwig ging das anscheinend aber nicht weit genug. Eine Bürgerbefragung im Ersten kann sich Ludwig "nicht vorstellen": Er verwies darauf, dass es im Ersten 16.000 Anrainer gebe, aber auch Arbeitsstätten für rund 140.000 Personen.

Hebein: "Bürgermeister versteckt sich hinter Gutachten"

Hebein sprach in einer ersten Stellungnahme zum STANDARD von einer "mutlosen Entscheidung Ludwigs. Der Bürgermeister versteckt sich hinter einem Gutachten. Und er bremst damit die Zukunft aus."

Die vorliegenden Pläne seien ein vernünftiges Konzept, das man mit Magistratsabteilungen, dem ersten Bezirk, Anrainern und Unternehmen entwickelt habe. Zudem habe man ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, das der vorgestellten Verordnung Verfassungs- und Rechtskonformität bescheinigt.

Dass die Magistratsdirektion Recht zu einem anderen Urteil gelangt ist, kritisierte Hebein. "Das Magistrat ist dem Bürgermeister unterstellt." Sie rechnet damit, dass ihr Konzept nach der Wien-Wahl kommen wird – "und zwar genau so, wie es vorliegt".

Simulationsmodell sieht kaum Auswirkungen auf Nachbarbezirke

Zuletzt haben die Grünen ein externes Gutachten über die Verkehrsauswirkungen ihres Konzepts bei Paul Pfaffenbichler vom Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur (Boku) in Auftrag gegeben. Demnach sollte sich mit dem Hebein-Konzept gleich im ersten Jahr nach der Umsetzung die Zahl der werktäglichen Pkw-Fahrten um mehr als ein Viertel verringern. Das wären rund 8.700 Fahrten in die Innenstadt weniger.

Gleichzeitig würde sich im Simulationsmodell der Boku die Verkehrsberuhigung der City nur leicht auf die Nachbarbezirke auswirken und für ein geringes Plus an zusätzlichen Pkw-Fahrten sorgen. Auch der Parkplatzdruck würde sich leicht erhöhen. "Die Auswirkungen sind meiner Einschätzung nach vernachlässigbar", sagt Pfaffenbichler. (David Krutzler, 30.9.2020)