Die Jubiläumsnummer setzt sich mit einem weniger bekannten Phänomen auseinander: Comics und Graphic Novels von jüdischen Künstlern.

Foto: Nu

Was heißt "Nu"? Es ist ein (Wiener) jüdischer Ausdruck für fast alles, was im zwischenmenschlichen Austausch auf eine Kürzestformel gebracht werden kann: "Beschwerde, Kommentar, eine spöttische, verschmitzte oder hämische Bemerkung, ein Ächzen, Stöhnen oder Wehklagen. Und eine Aufforderung. Wie in 'Nu? Wie geht's?' oder 'Nu! Mach was!'."

Und dann ist Nu noch ein "jüdisches Magazin für Politik und Kultur", das vor 20 Jahren gegründet wurde.

Die oben zitierte Erklärung für "Nu" stammt übrigens aus der sogenannten Nullnummer und ist von Danielle Spera, heute Herausgeberin des Magazins und Direktorin des Jüdischen Museums der Stadt Wien.

Nu hat damals als Plattform der Opposition gegen die Leitung der Israelitischen Kultusgemeinde begonnen und sich längst zu einem informativen, repräsentativen Informationsmedium für alle entwickelt, die an jüdischem Leben, jüdischer Kultur "positiv" interessiert sind. Es ist eine "einzigartige Zeitschrift, die Informationen über das Judentum und die jüdische Welt bietet, die sie sonst nirgends erhalten" (Spera).

In einer der letzten Nummern konnte man etwa anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Salzburger Festspiele über die gewaltige Rolle nachlesen, die jüdische Künstler – und jüdische Mäzene ! –dabei innehatten. Man muss ins Nu schauen, um eine beinharte Debatte über die Annexionspolitik des israelischen Premiers Bibi Netanjahu zu erleben. Der frühere Nu-Herausgeber und nunmehrige türkise Abgeordnete Martin Engelberg verteidigt diesen Plan eher; Eric Frey, führender Mitarbeiter des STANDARD, hält ihn für "gefährlich und dumm" (weil am Ende ein "Apartheidstaat" Israel droht). In derselben Ausgabe gibt es eine kluge Abhandlung über die nach wie vor von Ambivalenzen geprägte "Erinnerungspolitik" in Wien (Übrigens: Wer wusste, dass der konservierte Leib Karl Luegers in einer Gruft unter der Kirche am Zentralfriedhof liegt?).

Humor und Widerspruch

Eine Zeitlang konnte man in Nu den unnachahmlichen jüdischen Humor in Gestalt des "dajgezzen" und "chochmezzen" erleben. Diese Kunstformen des "Sich auf hohem Niveau Sorgen machen" und "Alles größtmöglich verkomplizieren" fanden in Dialogen zwischen dem damaligen Chefredakteur Peter Menasse und dem Unternehmer (und Finanzier) Erwin Javor statt. Inzwischen haben sich beide aus diversen persönlichen und politischen Gründen von dem Projekt getrennt. Die Geschichte von Nu ist eben auch eine des steten Widerspruchs und der hartnäckigen Opposition.

Das Magazin, das vierteljährlich erscheint, wird heute von der Kulturjournalistin Andrea Schurian als Chefredakteurin gemanagt, das Mitarbeiterteam besteht zum Teil aus bekannten jüdischen und nichtjüdischen Journalisten anderer Medien. "Ohne Honorar", wie Spera betont. Das Magazin hat Interviews mit Größen wie den Schriftstellern Leon de Winter und Amos Oz oder dem Wissenschafter Carl Djerassi gemacht und vermittelt humorvoll "Rabbinische Weisheiten" von Paul Chaim Eisenberg.

Die Stärken von Nu sind aber letztlich die Offenheit, das Vermeiden von Selbstbezogenheit sowie das offensive Herangehen an "heikle" Themen, in der Beziehung zur Umwelt, der jüdischen und nichtjüdischen. (Hans Rauscher, 1.10.2020)