Rupert Stadler reiste mit keinem Audi an.

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München – Es ist der Auftakt zu einem Mammutprozess – unter Corona-Bedingungen – im Tiefgeschoss der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Dort muss sich der frühere Audi-Chef Rupert Stadler mit drei anderen Angeklagten im Abgasskandal, und damit einem der größten Wirtschaftsprozesse der vergangenen Jahre verantworten: wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung, strafbarer Werbung, hunderttausendfacher Täuschung, nicht nur bei Audi, sondern auch bei den Schwestermarken Porsche und VW.

Die Anklageschrift umfasst knapp 100 Seiten. Umso dünner sind die Zuschauerplätze besetzt. Die Corona-Abstandsregeln sorgen dafür, dass nur 20 Personen im Saal selbst Platz nehmen können, die Hälfte davon Journalisten. Alle anderen Interessierten müssen sich mit der Audioübertragung außerhalb des Gerichtssaals begnügen – und beklagen dies auch lautstark. Die Angeklagten selbst kommen erst kommende Woche zu Wort. Am zweiten Verhandlungstag, am Dienstag sollen die vier Verteidiger ihre Eröffnungsstatements abgeben und auch die Angeklagten selbst sprechen.

Vorgetäuschte Sauberkeit

Zu Last gelegt wird ihnen einiges: Laut der Münchner Staatsanwaltschaft sollen die drei Motorenentwickler, unter ihnen der spätere Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz, die illegale Abschalteinrichtung entwickelt haben. Die Ingenieure sollen über 400.000 Dieselmotoren ab dem Jahr 2008 so manipuliert haben, dass sie zwar die Abgastests bestehen, aber im Realbetrieb mehr Stickoxide ausstoßen.

Zwei Ingenieure haben die unsauberen Tricks schon gestanden. Stadler soll zwar erst nach Aufdeckung des Skandals durch die US-Umweltbehörde im September 2015 von der Sache erfahren haben, so das Ergebnis der über Jahre dauernden Ermittlungen. Trotzdem habe er die Produktion und den Verkauf manipulierter Autos in Europa erst später gestoppt.

Der mittlerweile 57-jährige Stadler selbst beteuert seine Unschuld. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass er nun in diesem Verfahren von Mitangeklagten belastet wird. Bei einer Verurteilung drohen dem vielfach ausgezeichneten Manager bis zu zehn Jahren Haft. Mit Freiheitsentzug hat Stadler bereits Erfahrung. 2018 saß er bereits für mehrere Monate in Untersuchungshaft, weil er die Ermittlungen beeinflusst haben soll – währenddessen war er zunächst beurlaubt, erst später trat er zurück. Auch Porsche-Entwicklungsvorstand Hatz und einer der Motorenentwickler saßen bereits einige Monate in Untersuchungshaft.

Erst der Anfang

Fünf Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals bei der Konzernmutter Volkswagen ist es der erste Strafprozess um die manipulierten Abgaswerte. Ob Ende 2022 – nach den 181 Verhandlungstagen, die bis dahin anberaumt sind – ein Urteil gesprochen wird, ist nicht absehbar.

Zivilrechtlich kostete der Dieselskandal VW bereits hohe Milliardenbeträge, der Münchner Prozess eröffnet eine Reihe weiterer Strafprozesse. Auch der frühere VW-Chef Martin Winterkorn, der nur wenige Tage nach Bekanntwerden des Dieselskandals gehen musste, muss absehbar vor Gericht. (rebu, 30.01.2020)