Vor ein Denkmal für eine Wehrmachtsgruppe, die Kriegsverbrechen beging, platzierte Krenn die Collage "Deutsche Eicheln 1933" von John Heartfield (1891–1968). Dieser war selbst Kommunist und kämpfte mit seiner Kunst gegen den Faschismus.

Foto: Martin Krenn

Konflikte um Denkmäler und Erinnerungspolitik toben, seit sich Menschen ihrer Historizität bewusst sind. Die Debatte, die jüngst durch die Black-Lives-Matter-Bewegung erneut weltweit angefacht wurde, ist also nicht neu, sie wird durch Social-Media-Viralität nur erregter geführt. Allzu oft verengen sich die Ansichten in der Frage, wie mit einem historisch belasteten Denkmal umzugehen sei, dabei auf eine zu einfache Dichotomie: wegreißen oder stehenlassen?

Der dritte Weg – die künstlerische Bearbeitung, Umformung, Kontextualisierung – bleibt häufig außen vor. Als zu "anstrengend" wird er empfunden, als zu langwierig im kulturpolitischen Entscheidungsprozess. Und es besteht durch eine solche Kommentierung oder Intervention die Gefahr, dass letztlich niemand zufrieden ist: weder die Denkmalstürmer noch die Bewahrer, schon gar nicht jene, die von derlei Debatten möglichst unbehelligt bleiben wollen.

Kein Platz für rechte Treffen

Einer, der dennoch als Verfechter dieses Wegs gilt, ist der Künstler und Universitätsdozent Martin Krenn. Vor vier Jahren konzipierte er in St. Lorenz in der Wachau ein solches Projekt. Es heißt Mahnmal Friedenskreuz und zeigt eine auf ein Metallgewebe aufgezogene historische Fotomontage von John Heartfield, die einen geschrumpften Hitler beim Gießen einer "deutschen Eiche" zeigt. Die Installation ist als Kommentar auf das dahinterliegende frühere "Friedenskreuz" gedacht. Das mit Stahlhelm dekorierte Holzkreuz wurde in den 1960er-Jahren auf einem Aussichtspunkt im Wald errichtet und von rechten Kameradschaften zur Huldigung einer Wehrmachtsgruppe, die auf dem Balkan Kriegsverbrechen beging, aufgesucht.

Solche Zusammenkünfte haben seither ein Ende, die Frage aber, ob das Kreuz nicht besser hätte entfernt werden sollen, anstatt an der bei Wanderern beliebten Stelle eine Hitlerkarikatur zu installieren, findet in der breiten Bevölkerung nach wie vor kontroversen Widerhall.

Dass die Installation im Volksmund nunmehr "Hitlerdenkmal" gerufen wird, findet Krenn im Gespräch mit dem STANDARD nur bedingt problematisch: Natürlich wäre es ihm lieber, "wenn sich die korrekte Bezeichnung ‚Mahnmal Friedenskreuz St. Lorenz‘ durchsetzen würde, da sie darauf verweist, wie hier der Friedensbegriff zum Heldengedenken missbraucht worden ist", aber Krenn könne "zur Not auch mit ‚Hitlerdenkmal" leben, solange Veteranenverbände und Geschichtsrevisionisten, die sich vor der Umgestaltung des Kreuzes dort regelmäßig versammelt haben, den Ort nun tunlichst meiden." Die Aussage des Mahnmals würden diese nämlich "ganz genau verstehen", so Krenn.

So lange Unverständnis herrscht, muss es bleiben

Ja, von Hitler gehe auch "eine düstere Faszination aus, man könnte auch sagen ‚Hitler sells‘. Ich denke, problematisch wird es bei einfach gestrickten Dokus, diversen Unterhaltungsfilmen oder Computerspielen, die NS-Ästhetik reproduzieren, ohne dabei ein antifaschistisches Anliegen zu verfolgen." Aber im spezifischen Kontext des Friedenskreuzes hält Krenn es für richtig, eine Hitlerkarikatur zu zeigen.

"Wenn nun behauptet wird, man verstehe nicht, warum eine antifaschistische Collage, die Hitler als Gärtner der Wehrmacht und des Krieges zeigt, vor ein Kriegerdenkmal gespannt wird, das sich 50 Jahre lang als Friedenskreuz getarnt hat", dann gebe es für ihn nur zwei Erklärungen: "Entweder man denkt nicht darüber nach, was der Sinn dieser Arbeit sein könnte, oder man will sie einfach nicht verstehen, weil man von ihr unangenehm berührt wird und sie einen stört."

Es dürfe nicht sein, "dass die Gesellschaft von Künstlern verlangt, Werke zu produzieren, die jeder verstehen können muss, ohne sich auf sie einzulassen oder über sie nachzudenken. Eine solche Kunst verliert ihre Autonomie, sie wird gefällig und dekorativ und hat keine gesellschaftspolitische Relevanz."

Für durchaus möglich hält der Künstler aber, dass Installationen wie das Mahnmal Friedenskreuz irgendwann doch ganz entfernt werden könnten. "Nichts ist für die Ewigkeit! Nur: Solange dieses Mahnmal auf Unverständnis stößt, sollte es meines Erachtens bleiben."

Die Wunde offen halten

Die Wunde, die offen bleiben soll, um weiterhin als Warnung zu dienen – das ist das Anliegen von Verfechtern einer Denkmal-Kontextualisierung. Von der Auslöschung eines umstrittenen Erinnerungsortes ist es nun einmal nicht weit zur Schwamm-drüber-Mentalität.

Allgemeingültige Regel zum Umgang mit problematischen Denkmälern sieht Krenn aber keine: "Als Künstler bin ich nicht grundsätzlich dagegen, Denkmäler zu beseitigen. Black Lives Matter etwa ist eine wichtige Bewegung, die Rassismus in unterschiedlichsten Ausformungen bekämpft. Die Denkmalstürmerei ist impulsiv und Teil dieser sozialen Bewegung." Ob ein Denkmal aber geschützt, umgestaltet oder entfernt werden soll, könne nur jeweils anhand des konkreten Falles beurteilt werden. "Und die Entscheidung wird immer umstritten sein", gibt Krenn zu bedenken.

Ein prominentes Beispiel der vergangenen Jahre ist der Umgang mit dem christlichsozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1844–1910). Er prägte die Stadt zwar im großen Modernisierungsschub um 1900, dessen radikaler, öffentlich zur Schau getragener Antisemitismus aber wirkte u. a. auf Bewunderer wie den jungen Adolf Hitler verheerend.

Lueger-Denkmal umgestalten

Vor diesem Hintergrund wurde das Karl-Lueger-Denkmal auf dem Wiener Dr.-Karl-Lueger-Platz seit 2010 zum Streitfall. Martin Krenn jedenfalls ist "dagegen, dass es so bleibt, wie es ist", und er fände es auch "falsch, es abzureißen". Er plädiert für einen vor Jahren erdachten Umgestaltungsentwurf von Klemens Wihlidal, der eine Neigung des Denkmals um 3,5 Grad nach rechts vorsieht. Dann würden wohl auch jüngste Beschmieraktionen obsolet werden, wo das Denkmal mit dem Wort "Schande" vollgesprayt wurde.

Eine neue Initiative von 40 Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft fordert zudem von der Stadt Wien erneut, sich dem Problem zu stellen: Von Abriss bis Umgestaltung sei alles möglich. Auch Lueger muss schließlich als ein Gärtner des Zivilisationsbruchs gelten. (Stefan Weiss, 1.10.2020)