Dem Übeltäter, der die Welt im Griff hält, ist mit Medikamenten kaum beizukommen: elektronenmikroskopische Aufnahme von Sars-CoV-2.
Foto: AFP/NIH/NIAID

Als US-Präsident Donald Trump am 19. März 2020 im Weißen Haus vor die Journalisten trat, beging er einen seiner zahlreichen Fehler bei der Bewältigung der Corona-Krise in den USA: Während seines Berichts über die Fortschritte im Kampf gegen das Virus zeigte er sich vor allem von der Tatsache begeistert, dass die US-Lebensmittel- und -Arzneimittelbehörde (FDA) die Medikamente Chloroquin und Hydroxychloroquin für klinische Tests an Covid-19-Patienten zugelassen hatte, zwei entzündungshemmende, antiparasitäre Wirkstoffe, die bei der Behandlung von Arthritis und als Prophylaxe gegen Malaria eingesetzt werden. Da diese Arzneimittel bereits gegen andere Erkrankungen in Verwendung seien, würden sie auch sicher sein, meinte der Präsident: "Damit wissen wir, dass sie niemanden umbringen werden, wenn die Dinge nicht so laufen wie geplant."

Trump machte in den folgenden Tagen alles noch schlimmer, indem er lautstark die Werbetrommel für die beiden Wirkstoffe rührte. In Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin könnte diese Behandlung "einer der größten Durchbrüche der Geschichte der Medizin sein", twitterte er. Die Kombination solle "SOFORT" eingesetzt werden, es sei "ein Gottesgeschenk!". Obwohl von Expertenseite augenblicklich Einspruch erhoben wurde – der US-Virologe Anthony Fauci warnte, die Wirksamkeit von Chloroquin sei keineswegs erwiesen –, war der Schaden schon entstanden.

Chloroquin-Todesfall

Zahlreiche Medien griffen das Thema auf und priesen Chloroquin und Hydroxychloroquin als große Hoffnung in der Corona-Krise – eine Entwicklung, die mindestens ein Todesopfer forderte: Ein Ehepaar in Arizona schluckte aus Angst vor Covid-19 Chloroquinphosphat, ein Mittel, das es gegen Parasitenbefall ihrer Koi-Fische daheim hatte. Der Mann starb, die Frau landete mit einer schweren Vergiftung im Krankenhaus. Darüber hinaus kam es unter den Hausärzten zu regelrechten Hamsterkäufen, was unter anderem Lupus-Patienten in eine prekäre Situation brachte, da diese nun häufig nicht mehr ihre Medikamente gegen die Arthritis erhielten.

Der anfängliche Enthusiasmus für die beiden Wirkstoffe war unter anderem auf eine Arbeit aus Frankreich zurückzuführen: In der ersten Märzhälfte unternahmen Ärzte der Universität Aix-Marseille an 20 Covid-19-Patienten klinische Tests mit Hydroxychloroquin und seinem Analogon. Die nicht-randomisierte Open-Label-Studie (wo also alle Beteiligten wussten, was sie bekommen) lieferte beim Vergleich mit der unbehandelten zehnköpfigen Kontrollgruppe Hinweise darauf, dass die Medikamente vor allem in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin zu einer Linderung der Covid-19-Symptome verhelfen könnten. Zuvor hatten schon Erfahrungen aus China und Studien mit Zellkulturen auf ähnliche Effekte hingedeutet. Letztlich sprachen die französischen Ärzte zwar zunächst von vielversprechenden Ergebnissen, gestanden aber ein, dass die limitierte Studie keineswegs eindeutige Schlussfolgerungen zuließ.

Mit Chloroquin auf dem Holzweg

Weitere Untersuchungen machten schnell klar, dass man mit Hydroxychloroquin und Chloroquin in Wahrheit auf dem Holzweg war. Das ging sogar so weit, dass der Elsevier-Verlag, Herausgeber des "International Journal of Antimicrobial Agents", in dem die französischen Chloroquin-Resultate erschienen waren, Zweifel an der Einhaltung der gewohnten Standards äußerte. Mittlerweile haben zahlreiche Studien in renommierten Fachblättern wie dem "New England Journal of Medicine" oder "The Lancet" dargelegt, dass Chloroquin und Hydroxychloroquin bei einer Covid-19-Erkrankung zumindest nichts nützen und schlimmstenfalls sogar schaden. Schließlich hat im Juni auch die FDA ihre Ausnahmegenehmigung für die Arzneien zur Behandlung von Covid-19-Patienten widerrufen.

Eine Studie im Fachjournal "JAMA Internal Medicine" untermauert nun die Wirkungslosigkeit von Hydroxychloroquin insbesondere als Präventivmaßnahme gegen eine Ansteckung mit Sars-CoV-2. Für seinen randomisierten doppelblinden klinischen Test rekrutierte ein Team um Benjamin Abella von der University of Pennsylvania Krankenhauspersonal, das regelmäßigen Kontakt mit Corona-Patienten hatte. Gut die Hälfte der 125 Testpersonen erhielt über zwei Monate hinweg täglich 600 Milligramm Hydroxychloroquin, der Rest schluckte ein Plazebo. Die Teilnehmer wurden zu Beginn, zur Halbzeit und am Ende der Frist sorgfältig auf eine Covid-19-Infektion getestet.

Das Ergebnis konnte keinen Effekt nachweisen: Während von den mit Hydroxychloroquin behandelten Probanden zum Schluss 6,3 Prozent positiv getestet wurden, waren es in der Kontrollgruppe 6,6 Prozent. Der Unterschied sei vernachlässigbar, so die Wissenschafter. Der Wirkstoff sei daher vermutlich kaum zur Verhinderung einer Ansteckung mit dem Virus geeignet.

Eine Kombination aus der "Verbindung 5" und einem Molekül, das ein virale RNA abbauendes Enzym anzieht, hatte den Zerfall der Viren-RNA zur Folge.
Grafik: ACS Cent. Sci.

Viren-RNA als Ansatzpunkt

Anders verhält es sich dagegen mit neuen Substanzen, die die RNA, das Erbgut von Sars-CoV-2, direkt angreifen. Ermutigende Ergebnisse haben nun Forscher im Fachjournal "ACS Central Science" vorgestellt: Die Gruppe um Matthew Disney vom Scripps Research Institute in Jupiter, Florida, fand im RNA-Genom des Virus eine mögliche Schwachstelle des Erregers. Das sogenannte Frameshifting-Element (FSE) könnte demnach als Angriffspunkt für niedermolekulare Substanzen dienen, um die Proteinsynthese einzuschränken oder vollends zu blockieren.

Und tatsächlich: Im Microarray-Experiment verringerte sich beim Einsatz eines Moleküls, das die Forscher "Verbindung 5" (C5) nannten, deutlich die Fähigkeit von Sars-CoV-2, essenzielle Proteine herzustellen. Ergänzten die Wissenschafter C5 durch ein Molekül, das ein RNA-abbauendes Enzym anzieht, erhöhte sich die Wirksamkeit der Substanz in Zellkulturen um das Zehnfache. Obwohl es noch ein weiter Weg sei, aus der identifizierten Verbindung ein Medikament herzustellen, deuten ihre Ergebnisse darauf hin, dass man es hier mit einem Wirkstoff zu tun habe, der sich künftig als praktikable Waffe gegen Sars-CoV-2 erweisen könnte, sagen die Forscher. (Thomas Bergmayr, 1.10.2020)